
Walter Herberth stand als Oberpflegamtsdirektor 15 Jahre lang an der Spitze des Würzburger Juliusspitals, zuvor hatte er zehn Jahre lang das Krankenhaus geleitet. Am 1. Dezember geht Herberth in den Ruhestand. Die Redaktion sprach mit dem 66-Jährigen über die Ökonomisierung der Krankenhäuser, das Besondere der Juliusspital-Stiftung und darüber, ob er als junger Mensch heute noch einmal eine Karriere im Gesundheitswesen starten würde.
Walter Herberth: Ich sage ihnen, dass der Zusammenhang aus der Grundidee Julius Echters resultiert. Primär ging es Ende des 16. Jahrhunderts darum, etwas für Kranke und Gebrechliche zu tun, indem man ein Spitalgebäude errichtet. Um diesen Auftrag erfüllen zu können, hat Julius Echter eine weise Entscheidung getroffen und die Stiftung mit Ländereien ausgestattet, auf denen Weinbau sowie Land- und Forstwirtschaft betrieben wurde. Das hat sich über Jahrhunderte gehalten.
Herberth: Die Bereiche sollten tunlichst nicht nebeneinander her, sondern immer auf den gemeinsamen Zweck hin arbeiten. Egal ob Weingut, Landwirtschaft, Forstbetrieb und neuerdings auch die Herstellung von Bodentreppen: Alle arbeiten für die Gesamtstiftung und erzielen Erlöse, um die sozialen Leistungen erbringen zu können. Wir verstehen uns als ein gemeinsames Wohlfahrtsunternehmen. Ich finde es daher auch gut, dass das Weingut hier vor Ort ist.
Herberth: In unserer Wirtschaftsplanung ist definiert, dass unsere Wirtschaftsbetriebe ein positives Ergebnis, also Gewinne, erzielen sollen. Im sozialen Bereich hingegen – Krankenhaus, Pflegeheim, Hospiz, Palliativbereich – streben wir die schwarze Null an, teilweise kalkulieren wir auch bewusst mit einem Verlust. Mit dem Krankenhaus wollten wir nie einen Gewinn machen. Natürlich war es schön, als noch vor der Finanzierungskrise ein Prozent Überschuss übrig blieb, der dann reinvestiert werden konnte. Das ist im System der Fallpauschalen seit 2004 schwieriger und durch die Inflationsfolgen seit Beginn des Krieges in der Ukraine unmöglich geworden.
Herberth: Die Ökonomisierung geht primär zu Lasten der frei gemeinnützigen Häuser, wie das Juliusspital eines ist. Kommunale und staatlich getragene Häuser haben mit Kommunen und Staat einen Rettungsanker hinter sich. Für uns gilt: Wir finanzieren uns selbst. Natürlich bekommen wir die Krankenkassen-Erlöse, aber die sind zu gering bemessen. Konkret bedeutet das, dass wir die Verluste im Klinikum Würzburg-Mitte alleine tragen müssen. 2022 haben wir dort zehn Millionen ausgeglichen, aber mit unseren Wirtschaftsbetrieben bei weitem nicht solche Gewinne einfahren. Bei einem Kreiskrankenhaus können solche Kosten per Umlage auf die Gemeinden verteilt werden, diese Möglichkeit haben wir nicht.
Herberth: Der Gesundheitsminister muss endlich sachgerechte Erlöse zulassen und darf sie nicht weiterhin nur reduziert gewähren. Im Jahr 2022 hatten wir eine Inflation von zehn Prozent, die Fallerlöse wurden aber nur um vier Prozent erhöht. Wenn ein Bäcker fürs Brötchen einen Euro verlangen müsste, aber nur 90 Cent kriegt, kann das auf die Dauer nicht funktionieren.
Herberth: Die Stiftung hat über die Jahre hinweg eine Reserve aufgebaut, da ist noch etwas da, aber nur für begrenzte Zeit. Wir sind auf die Stadt Würzburg sowie auf die Landkreise Würzburg und Main-Spessart zugegangen, um zumindest Unterstützung für die Geburtshilfe und von der Stadt auch noch für die Notaufnahme zu bekommen. Leider gab es bisher nur Absagen, obwohl die Kommunen für diese Grundversorgung einen Sicherstellungsauftrag haben. Grundsätzlich finde ich, dass wir den Ökonomisierungseffekt in den Krankenhäusern wieder abschwächen müssen. Man kann uns durchaus mit der Feuerwehr vergleichen: Die ist auch da, wenn es nicht brennt, und wird trotzdem finanziert.
Herberth: Das fragen wir uns im Bündnis auch. Wir wollten von Würzburg aus auf ganz Deutschland ausstrahlen. Dazu haben wir unzählige Gespräche mit Abgeordneten geführt. Wenn man genau hinschaut, hat sich auch einiges getan, zum Beispiel bei der Tarifbindung.
Herberth: Das Grundproblem ist, dass sich Pflegekräfte nicht darauf verlassen können, dass ihr freier Tag tatsächlich frei bleibt. Bei Personalausfällen heißt es oft: Du musst kommen. Wir haben versucht, ein Springerteam aufzustellen, das hat wegen des Fachkräftemangels leider nur kurzzeitig funktioniert. Wir fordern außerdem die 35-Stunden-Woche in helfenden Berufen, um das Berufsbild der Pflegekraft grundsätzlich attraktiver zu gestalten. Als einzelner Arbeitgeber können wir das nicht leisten, das bekommen wir nicht gegenfinanziert. Deswegen muss es eine tarifliche Regelung geben. Von der Politik heißt es dann aber: Das ist Sache der Tarifparteien.

Herberth: Die zeigen alle großes Verständnis, aber verweisen dann auf die Zuständigkeit anderer. Generell fällt mir diese Neigung, Zuständigkeiten bei anderen zu suchen, auf. Das habe ich früher nicht so empfunden. Barbara Stamm beispielsweise hat nie gesagt "Ich bin nicht zuständig". Sie hat sich für jede soziale Einrichtung eingesetzt. Das ist heute verloren gegangen. Heute sagen die Kommunen, zuständig für die Finanzierung der Krankenhäuser sind Bund und Land. Der Bund verweist auf die Länder, die Länder auf den Bund.
Herberth: Zum einen zweifellos die Ökonomisierungswelle im Klinikbereich. Denn gerade in einem Stiftungskrankenhaus wie unserem gab es immer den Ansporn: Wir müssen ein menschlich orientiertes Krankenhaus bleiben! Diese Prägung nicht zu verlieren, war mir stets ein wichtiges Anliegen. Zum anderen: Als ich 1999 als Krankenhausleiter hierhergekommen bin, war die Frage: Wie verändert die Palliativstation unser Ansehen? Bekommen wir den Stempel eines Sterbehauses? Genau das Gegenteil ist passiert. Die Palliativstation hat das Profil des Krankenhauses geschärft. Die Menschen wissen: Hier kümmert man sich um das Sterben in dem Sinne, dass es zum Leben dazu gehört.
Herberth: Hier in meinem Büro steht eine Büste von Julius Echter. Ich sage immer etwas scherzhaft, er achtet darauf, dass am Schreibtisch die richtigen Entscheidungen getroffen werden. Was mich wirklich belastet hat, war die Klinikfinanzierung seit 2022. Diese Ohnmacht habe ich vorher nicht erlebt. Bis dahin waren es immer spannende Aufgaben, aber hier nicht zu wissen, wann die Unterfinanzierung aufhört und ob wir das überstehen können, das hat mir große Sorgen gemacht.
Herberth: Auf jeden Fall! Das Juliusspital, das Stiftungswesen im Allgemeinen, ist etwas Besonderes. Die Verbindung zwischen der jahrhundertealten Stiftungsidee und dem heutigen Tun geht nie verloren. Das ist gerade hier in Würzburg, der Stiftungshauptstadt Deutschlands, mit einem eigenen Stiftungsnetzwerk besonders spürbar. Ja, ich würde es mir heute wünschen, wieder in die Verantwortung für die Stiftung Juliusspital berufen zu werden.