
Es war ein außergewöhnlicher Schritt: 2019, im Alter von 70 Jahren beschloss Anita Günder, beruflich noch einmal durchzustarten. Während viele Menschen nach jahrzehntelanger Berufstätigkeit ihren wohlverdienten Ruhestand genießen, hauchte sie der Gastwirtschaft ihrer Eltern, dem "Fränkischen Garten" in Eisingen, mit der Wiedereröffnung neues Leben ein. Fünf Jahre später will sie sich nun schrittweise zurückziehen – und blickt zurück auf den Entschluss von damals und die folgenden Jahre.
Ihre Eltern hatten die Traditionsgaststätte über drei Jahrzehnte erfolgreich als Restaurant geführt, bevor die Räumlichkeiten für private Feiern genutzt wurden. Günders Mutter lebte bis zu ihrem Tod vor einigen Jahren im Haus, danach stand das Gebäude leer. Anstatt es zu verkaufen, entschied sich die Rentnerin, es zu sanieren und die Traditionsgaststätte weiterzuführen.
Eine weitreichende Entscheidung: Denn acht Jahre zuvor hatte die Eisingerin ihre berufliche Laufbahn bereits beendet und die Vorzüge ihrer neu gewonnenen Freiheit genossen. "Doch dann bin ich wieder ins Berufsleben eingestiegen – aus Übermut und Eigensinn", erzählt Günder. Die emotionale Bindung an das Elternhaus habe letztlich den Ausschlag gegeben, diesen Schritt zu wagen. Andernfalls hätte sie das Vorhaben nicht auf sich genommen.

Ursprünglich habe sie die Gastwirtschaft nach der Sanierung nur kurze Zeit selbst führen und anschließend verpachten wollen: "Aber aus fünf Monaten wurden fünf Jahre". Nach der Eröffnung habe sie erst einmal ihr persönliches Konzept finden müssen: "Ich habe mit viel zu langen Betriebszeiten und viel zu günstigen Preisen experimentiert, die nur mit Personal und vielen Gästen zu bewältigen waren."
Fünf Jahre lang stemmte sie das Gasthaus als Weinstube und Café praktisch allein
Mit der Zeit fand sie einen Weg, um ihr Gasthaus als Weinstube und Café alleine stemmen zu können. Das habe ihr Raum zur kreativen Entfaltung gegeben. Ihr "Fränkischer Garten", erzählt Günder, "zog hervorragende Gäste an, die mein fränkisches Ambiente am Kaminfeuer zu schätzen wussten". Geboten hatte sie ihrer Kundschaft unter anderem Events mit Livemusik, Faschingsfeiern und Adventssingen. Als besonders herausfordernd empfand sie das Ausrichten größerer Feierlichkeiten wie Hochzeiten, Trauerfeiern und Geburtstage. Dabei halfen meistens ihre Freundinnen aus.
Dann kam die Pandemie. Anders als viele Gastronominnen und Gastronomen, die durch die Lockdowns und die damit verbundenen finanziellen Einbußen mit Existenznöten zu kämpfen hatten, empfand Günder die Auszeit als wohltuend: "Es verschaffte mir Pausen, ohne die ich vermutlich körperlich nicht durchgehalten hätte". Einen Grund zum Schließen sah sie trotz ihres Alters dennoch nicht.
Es soll ein fränkisches Lokal bleiben
Nun aber zwängen sie ihre gesundheitliche Verfassung und ärztlicher Rat, sich nach einer Nachfolge für die Gaststätte umzusehen und selbst kürzerzutreten. Ab September wird die Wirtin daher ausschließlich für kleinere und größere Gesellschaften nach Terminabsprache öffnen – und das auch nur solange, bis sie einen Pächter gefunden hat. Einem Nachfolger würde sie viel finanziellen Spielraum lassen, "wenn mein Anspruch auf gepflegte Gastlichkeit, gute Küche und ausgezeichneten Service geboten wird". Wichtig sei ihr, dass das Lokal auch künftig mit fränkischer Tradition geführt wird.
Auf die Frage, was sie mit ihrer wiedergewonnenen Freiheit anstellen möchte, weiß sie gleich eine Antwort: "Verreisen! Ich will nach Kanada zu meiner Tochter fliegen – und vor allem wieder öfters Kreuzfahrten machen. Zuerst aber werde ich eine Woche im Schlafanzug zu Hause bleiben und gar nichts machen."