Überraschende personelle Veränderung beim Betroffenenbeirat im Bistum Würzburg: In dem im April 2021 gegründeten Beirat vertreten Betroffene, die sexualisierte Gewalt im Raum der katholischen Kirche erlitten haben, ihre Interessen. Bislang hatte das Gremium vier Mitglieder. Nun teilte der Betroffenenbeirat mit, dass dem Gremium nur noch drei Personen angehören.
Die Trennung von dem vierten Mitglied war offenbar nicht einvernehmlich. Nach Recherchen dieser Redaktion handelt es sich dabei um diejenige Betroffene, die im vergangenen Jahr mit Vorwürfen gegen die Würzburger Erlöserschwestern an die Öffentlichkeit gegangen war.
Von Anfang an Probleme im Betroffenenbeirat
Auslöser des Konflikts im Betroffenenbeirat sollen die schwere Vorwürfe gewesen sein, die die Frau auf einer Internetseite unter anderem gegen Würzburgs Bischof Franz Jung äußerte. Die Seite war Ende 2021 online gegangen. In dem dort veröffentlichten offenen Brief an Bischof Jung nennt sich die Frau "Sprecherin des Betroffenenbeirats". In einem weiteren Beitrag von diesem Dienstag ist von "unvereinbaren Auffassungen" die Rede, auf Grund derer sie aus dem Gremium "entlassen" worden sei.
Bereits die Gründung des Würzburger Betroffenenbeirats war nicht einfach. Generell kam und kommt es auch in anderen Bistümern immer wieder zu Problemsituationen zwischen den Kirchenoberen und Betroffenen - sowie unter den Betroffenen selbst. Wie in Würzburg: Nach dem ersten Treffen des Beirats im April 2021 traten innerhalb kurzer Zeit aus dem ursprünglich sechsköpfigen Gremium zwei Mitglieder wieder aus. Einer davon: Theologe Bernhard Rasche.
Vorwurf: Ritueller Missbrauch im Kinderheim
Rasche sprach nach seinem Ausscheiden kurz nach der Gründung von Vertrauensbrüchen - und von Ausgrenzungen und "sehr unfreundlichen E-Mails", die ihn bereits vor dem ersten Beiratstreffens erreicht hätten. Absenderin war laut Rasche diejenige Frau, von der man sich nun offensichtlich getrennt hat. Seinen Angaben zufolge tritt sie unter dem Pseudonym "Flora-Nike Göthin" auf. Rasche bestätigt damit Recherchen dieser Redaktion.
Unter eben diesem Pseudonym schilderte die Frau 2021 vor laufender Kamera im TV-Magazin report München, dass sie in der "Wickenmayerschen Kinderpflege" in Würzburg Mitte der 1960er Jahre rituell missbraucht worden sei. Bischof Jung hält diesen Vorwurf für plausibel. Die Erlöserschwestern, die damals mit der Betreuung der Kinder und Jugendlichen betraut waren, wiesen diesen Vorwurf mehrfach zurück.
Ihre mutmaßlichen Erfahrungen beschreibt die Frau auch auf der erwähnten Internetseite, die den dortigen Angaben zufolge eine "Gruppe von Betroffenen ehemaliger Heimkinder aus den 'Kinderbewahranstalten' der Erlöserschwestern in Würzburg und Umgebung" ins Leben gerufen hat.
"Offener Brief" mit Vorwürfen gegen Bischof Jung
Die "Entlassung" der Betroffenenbeirätin hat jedoch offenbar andere Hintergründe: Den Beiträgen auf der Internetseite zufolge war ein Auslöser der von ihr initiierte "Aufruf für Betroffene im Bistum Würzburg". Darin thematisiert die Frau eine geplante Studie der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Würzburg, die kirchenhistorische Fragen bei der Aufarbeiten von Missbrauchsfällen untersucht. Betroffene seien nicht informiert oder gefragt worden, ob sie ihre Falldokumentationen für diese Studie zur Verfügung stellen wollen.
Zum anderen soll der "offene Brief" an Bischof Jung der Grund gewesen sein, dass die Frau dem Beirat nicht mehr angehört. In dem Schreiben fordert "eine Betroffenenbeirätin" den Bischof zur "umgehenden transparenten und rückhaltlosen Aufklärung aller Missbrauchsfälle sowie der Offenlegung aller Versäumnisse der Verantwortlichen, Mitwisser und Mittäter im Bistum Würzburg" auf. Zugleich greift sie Bischof Jung und seinen "Mitarbeiterstab" an. Die Rede ist von Retraumatisierungen, Kooperationen mit "Täter-Orden", Datenschutzverletzungen sowie dem Ignorieren berechtigter Fragen des Beirats nach Transparenz.
In Vier-Augen-Gespräch unter Druck gesetzt?
Dem Beirat selbst sind diese Vorwürfe bekannt. Auf Nachfrage teilte der neue Sprecher, Matthias Wimmer, mit: "In der für den Beirat aktuell sich neu ergebenen Situation, halten wir es zunächst für vernünftig, mit dem Adressaten des Schreibens, Bischof Dr. Franz Jung, in Kontakt zu treten, um die Äußerungen zu analysieren. Es ist bereits ein Treffen geplant."
Dabei dürften auch äußerst massive Angriffe gegen Bischof Jung zur Sprache kommen, wonach er die Frau unter Druck gesetzt haben soll. In dem auf der Internetseite veröffentlichten Brief heißt es: "Einmal sogar in einem Vier-Augen-Gespräch in einem geschlossenen Raum ohne Zeugen."
Laut Bistumssprecher Bernhard Schweßinger kennt auch das Bistum die besagte Internetseite und die Vorwürfe. Schweßinger sagt dazu auf Nachfrage: "Bischof Jung wird zunächst mit dem Betroffenenbeirat das Gespräch suchen."
Betroffenenbeirat tritt aus der Anonymität
Gegen den Bistumssprecher selbst richten sich ebenfalls Vorwürfe: Er soll "gesundheitliche Inhalte" aus der Akte der Frau an diese Redaktion weitergegeben haben. Diese Redaktion versichert allerdings, niemals nach solchen Informationen gefragt zu haben. Auch Schweßinger versichert: "Es wurden keine Gesundheitsdaten weitergegeben."
Unterdessen teilt der Betroffenenbeirat mit, er sei "ständig auf der Suche nach weiteren Betroffenen, die im Beirat mitarbeiten wollen". Sie müssen sich nicht bewerben und werden auch nicht von Fachleuten ausgewählt, wie es die von der Bischofskonferenz veröffentlichten Rahmenordnung eigentlich vorsieht. Vielmehr teilt Sprecher Wimmer mit: "Der Beirat kann völlig unabhängig neue Mitglieder aufnehmen."
Erstmals werden in der Mitteilung des Beirats von dieser Woche die Namen der Mitglieder öffentlich genannt: Neben Wimmer sind das Jörg Amrhein aus Miltenberg und Christine Göbel aus Kitzingen. Zuvor agierte der Beirat völlig anonym. Diese Anonymität wurde von anderen Betroffenen gegenüber dieser Redaktion als "unmöglich" und als Hindernis bezeichnet, sich vertrauensvoll an dieses Gremium zu wenden oder dort mitzuarbeiten. Laut Ex-Mitglied Rasche war auch "Flora-Nike Göthin" dafür, die Namen der Mitglieder nicht öffentlich bekannt zu geben. "Mit dieser Intransparenz", so Rasche, "war ich nicht einverstanden."
Kontakt zum Betroffenenbeirat im Bistum Würzburg per E-Mail: betroffenenbeirat-wuerzburg@gmx.de
und die Geschäftsordnung, die sich sein Betroffenenbeirat gegeben haben muss. Es spricht nichts dagegen, diese Papiere zu veröffentlichen. Während eine öffentliche Namensnennung einer Betroffenen, die unerkannt bleiben möchte und wenn es sich auch nur um ein Pseudonym handelt, ein erheblicher Verstoß gegen die Pflicht zum Schutz der Persönlichkeitsrechte eines jeden Beiratsmitglieds darstellt.
Bitte hier dringend um entsprechende Hintergrundinformationen
Wenn im Bistum Würzburg die Verantwortlichen für die flächendeckende und systematische Vertuschung nicht bekannt geworden sind, dann gibt es dafür einen Verantwortlichen: Dr. Franz Jung (Bischof). Wann kommt die Staatsanwaltschaft zur Hausdurchsuchung? Der Betroffenenbeirat kann nicht mehr sein als ein Feigenblatt und eine Schlaftablette.
In Frankreich werden kirchliche Immobilien verkauft, um Opfer angemessen zu entschädigen, in Deutschland finanziert die Kirche lieber weitere Studien und die Opfer werden, wenn überhaupt, mit Almosen abgespeist. Es ist beschämend.
Und noch zum Schluß: die Kirchgebäude gehören nicht dem Klerus, sondern den Kirchstiftungen vor Ort, also wieder der Allgemeinheit.
So ist es längst kein Ansinnen, sondern Realität, dass alle, die spenden und/oder Kirchensteuer zahlen, für die individuellen Täter zahlen müssen. Es geht sogar weiter. Wenn es darum geht an Geld der Allgemeinheit zu kommen, dann gibt es kein Halten. So ist in der Nachbardiözese Bamberg ein Förderverein zugunsten der Kirchenstiftung im 2. Anlauf aufgelöst worden, wenige Wochen nachdem der 1. Versuch gescheitert war.
Ein Förderverein ist ein rechtlich von der kirchenstiftung vollkommen unabhängiges Gremium- da hat außer dem Verein kein Mensch Zugriff
Die Bistümer haben ihr Vermögen überwiegend in Wertpapieren und Immobilienfonds angelegt. Mit über 8000 km² ist die katholische Kirche der größte private Grundbesitzer in Deutschland. Es geht nicht um die Kirchen – niemand will den Kölner Dom verkaufen.
Sippenhaft wurde im Westen 1945 nach einer extrem schlimmen Zeit zu recht abgeschafft. Im Osten nach der Wende.
Also nochmals: die Täter müssen individuell bestraft werden und finanzielle Wiedergutmachung leisten, im Rahmen der Gesetze unseres Rechtsstaates. Die Führungskräfte der Kirche können wegen Organisationsverschulden persönlich belangt werden. Auch hier ist ein rechtlicher Durchgriff möglich.
Gibt es ein Kriterium, nachdem jemand in diesen Betroffenen-Beirat aufgenommen werden kann, wenn schon die Identität anonym ist? Sind das alles wirklich "Betroffene"?
Sicherlich heikle Frage, aber man muss schon Ross und Reiter benennen können.
Das Bistum? Die übrigen Mitglieder, weil sie nicht mehr mit ihr zusammenarbeiten konnten?
Bitte noch um eine entsprechende Info - danke!
das Bistum kann keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des Beirats nehmen. Das Gremium entscheidet hier unabhängig. Da das offensichtlich nicht klar wurde, werden wir hier noch einmal gesondert berichten.
Freundliche Grüße,
Benjamin Stahl, Regionalredaktion