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WÜRZBURG
MHKW will vierten Ofen bauen
Rund 220 000 Tonnen Müll verschwinden pro Jahr in den Öfen des Würzburger Müllheizkraftwerks. In absehbarer Zukunft könnten 50 000 Tonnen Klärschlamm hinzukommen.
Foto: Thomas Obermeier | Rund 220 000 Tonnen Müll verschwinden pro Jahr in den Öfen des Würzburger Müllheizkraftwerks. In absehbarer Zukunft könnten 50 000 Tonnen Klärschlamm hinzukommen.
Gerhard Meißner
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:54 Uhr

Während man sich im Würzburger Müllheizkraftwerk (MHKW) auf die Sanierung der drei bestehenden Ofenlinien vorbereitet, ranken sich die Überlegungen im Zweckverband Abfallwirtschaft bereits um den Bau eines vierten Ofens am Faulenberg. Der soll ausschließlich Klärschlamm verbrennen und dazu beitragen, wertvolle Phosphate zurück zu gewinnen. In der jüngsten Verbandsversammlung wurden dazu die Weichen gestellt.

Den Überlegungen liegt eine Novellierung der Klärschlamm-Verordnung im Herbst 2017 zugrunde. Darin hat der Gesetzgeber Kläranlagen ab einer Größe von 50 000 Einwohnerwerten verpflichtet, bis spätestens 2029 Phosphor beziehungsweise Phosphate aus dem Klärschlamm zurückzugewinnen, um damit die endlichen natürlichen Resourcen zu schonen und die langfristige Versorgung mit dem wichtigen Düngerbestandteil zu sichern. Bereits 2023 müssen die Betreiber ein Konzept zur Phosphor-Rückgewinnung vorlegen.

Kläranlagen-Betreiber in der Bredouille

Viele Kläranlagen-Betreiber hat diese neue Verordnung in die Bredouille gebracht, sagt die Kitzinger Landrätin und stellvertretende Vorsitzende des MHKW-Zweckverbands, Tamara Bischof. Nachdem seitens der Landwirtschaft kaum noch Klärschlamm angenommen wird, geht ein Gros des Schlamms in den Landschaftsbau und in Rekultivierungsmaßnahmen. Bislang gibt es nur wenige großtechnische Anlagen zur Phosphatrückgewinnung. Viele Verfahren stecken noch in der Erprobung.

Die Verbrennung von Klärschlamm gilt als effektivste Methode dieser Rückgewinnung. Mindestens 80 Prozent des enthaltenen Phosphats bleiben in der Asche zurück und können später zu Mineraldünger oder chemischen Rohstoffen aufgearbeitet werden, sagen entsprechende Studien des Landesamts für Umwelt und des Umweltbundesamts aus.

Getrennte Verbrennung

Voraussetzung dafür ist, dass der Klärschlamm getrennt vom anderen Müll verbrannt wird. Auch die bei der Müllverbrennung übliche Rostfeuerung eignet sich nicht für den Klärschlamm. Stattdessen gilt die Wirbelschicht-Feuerung als etabliertes Verfahren, wie der technische Leiter des MHKW, Werner Grüttner, ausführt.

Vor zwei Jahren bereits hatte der Geschäftsleiter des Zweckverbands, Alexander Kutscher, einen Pakt mit den Kläranlagenbetreibern im Verbandsgebiet angeregt. Dem lag die Überlegung zugrunde, dass das MHKW über die nötigen Platzreserven für den Bau einer Klärschlamm-Monoverbrennung verfügt und sich in Verbindung mit der Müllverbrennung technische und wirtschaftliche Vorteile ergeben, etwa durch die Vortrocknung des nassen Klärschlamms mit Abwärme aus der Müllverbrennung.

Technische und wirtschaftliche Synergien

Solche Synergien bestätigt auch eine Voruntersuchung, die der Zweckverband in Auftrag gegeben hatte. Sie kommt zu dem Schluss, dass eine Verbrennungsanlage ab einer Jahresmenge von 50 000 Tonnen Klärschlamm pro Jahr, bezogen auf einen Trockengehalt von 25 Prozent, wirtschaftlich betrieben werden kann.

Zuversichtlich stimmt Alexander Kutscher eine Umfrage bei den Kläranlagenbetreibern im Verbandsgebiet Würzburg/Kitzingen und den vertraglich angeschlossenen Landkreisen in Mittelfranken. Alle Anlagen mit einer Größe von über 10 000 Einwohnerwerten hätten gegenüber dem Zweckverband ihre Kooperationsbereitschaft bekundet, so Kutscher in der Sitzung der Verbandsversammlung. Allen voran die Würzburger Entwässerungsbetriebe mit einem jährlichen Schlammaufkommen von 20 000 Tonnen.

Entscheidung für weitere Planungen

Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für den Betrieb einer zentralen Klärschlammaufbereitung am MHKW sieht der Verbandsvorsitzende und Würzburger Landrat Eberhard Nuß damit gegeben. „Das Ob dürfte klar sein, es geht nur noch um das Wie“, so Nuß. Die Verbandsversammlung folgte bei zwei Gegenstimmen dem Vorschlag, die Planung einer Klärschlamm-Monoverbrennung weiter voranzutreiben.

Unklar ist, in welcher Form die Anlage betrieben werden soll. Während Nuß eine gemeinsame Trägerschaft von Müll- und Klärschlamm-Verbrennung durch den Abfall-Zweckverband vorschlägt, sieht seine Kitzinger Kollegin Tamara Bischof für letztere die Kommunen in der Pflicht und rät zur Gründung eines eigenen Zweckverbands.

Grundsätzliche Bedenken

Grundsätzliche Bedenken gegen die Klärschlamm-Verbrennung erhob in der Sitzung die Würzburger Grünen-Stadträtin Benita Stolz. Ihre Fraktion hatte sich bereits im Januar 2017 klar gegen die thermische Aufbereitung des Klärschlamms ausgesprochen. „Sauberer Klärschlamm soll weiterhin landschaftlich oder landwirtschaftlich verwertet werden“, so Stolz. Das setze allerdings unbelasteten Klärschlamm voraus, wie er durch eine zusätzliche Reinigungsstufe in den Kläranlagen zu erreichen sei.

Verbandsgeschäftsführer Kutscher hält dem entgegen, dass die Landwirtschaft schon heute kaum noch bereit sei, Klärschlamm anzunehmen. Die umfassende Nachrüstung der Kläranlagen würde außerdem zu einer Kostenexplosion bei den Abwassergebühren führen, warnt Landrätin Tamara Bischof. In der zeitweise sehr emotional geführten Debatte kündigte Verbandsvorsitzender Eberhard Nuß eine eigene Sondersitzung zu dem Thema an.

Fünf Jahre Planungs- und Bauzeit

Geschäftsleiter Kutscher rechnet für den Bau einer Klärschlamm-Monoverbrennung bei günstigem Verlauf mit einem Planungs- und Genehmigungszeitraum von zwei Jahren und einer ebenfalls zweijährigen Bauzeit. In vier bis fünf Jahren könnte die Anlage also in Betrieb gehen, lange bevor die gesetzliche Pflicht zur Phosphor-Rückgewinnung wirksam wird.

Phosphor aus Klärschlamm

Laut einer Studie des Landesamts für Umwelt (LfU) liegt der Anteil von Phosphorpentoxid (P2O5) im Klärschlamm in Bayern durchschnittlich bei 7,3 Prozent (P2O5 besteht zu 44 Prozent aus elementarem Phosphor). Bei einem jährlichen Klärschlammaufkommen von 267 000 Tonnen (bezogen auf Trockensubstanz) entspricht dies einer Menge an P2O5 von 19 600 Tonnen.

Mindestens 80 Prozent davon können durch die thermische Aufbereitung zurückgewonnen werden, so dass der jährliche Phosphorbedarf in Bayern von rund 40 000 Tonnen P2O5 zu fast 40 Prozent aus dem Klärschlamm gedeckt werden könnte.

Bei der Wirbelschicht-Feuerung, wie sie zur Verbrennung von Klärschlamm vorgeschlagen wird, wird der vorgetrocknete und zerkleinerte Schlamm im Brennraum über einem Sandbett durch einen Luftstrom in Schwebe gehalten. Dadurch wird eine große aktive Oberfläche erzielt, die zu einer sehr gleichmäßigen und vollständigen Verbrennung bei vergleichsweise niedrigen Temperaturen führt.

Dabei verbrennen die organischen Bestandteile des Klärschlamms, während das Phosphat in der Asche zurückbleibt. Befürworter halten der thermischen Aufbereitung zugute, dass dabei bedenkliche Inhaltsstoffe des Klärschlamms wie Arzneimittelrückstände und Schwermetalle ebenfalls verbrannt oder über die Rauchgasreinigung ausgeschieden werden.

Kritiker halten die Vernichtung von Biomasse für bedenklich und plädieren stattdessen für den direkten Einsatz des Klärschlamms in der Landwirtschaft zur Düngung und Unterstützung der Humusbildung. Schädliche Inhaltsstoffe müssten dann aber in zusätzlichen Reinigungsstufen schon aus dem Abwasser eliminiert werden.

Die typischen Nassverfahren, die dann zur Phosphor-Rückgewinnung angewendet werden müssen, erzielen laut LfU typsicherweise Wirkungsgrade von nur 20 bis 30 Prozent. (meg/LfU)

 
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