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Hubland
"Mehrgenerationenwohnen Würzburg": Wohn-Projekt bringt Menschen zusammen, die gemeinschaftlich leben wollen
"Mehrgenerationenwohnen Würzburg" ist ein Wohnprojekt, das am Hubland entsteht. Wer zieht dort ein? Drei persönliche Berichte von Menschen, die in Gemeinschaft leben möchten.
Sie eint der Wunsch, in Gemeinschaft leben zu wollen: Familie Linke (oben), Familie K. (unten) und Maria Raab sind Teil des am Hubland geplanten Projekts 'Mehrgenerationenwohnen Würzburg'.
Foto: Familie Linke, Foto Benjamin Brückner; Familie K., Foto Thomas Obermeier; Maria Raab, Foto Daniel Peter | Sie eint der Wunsch, in Gemeinschaft leben zu wollen: Familie Linke (oben), Familie K. (unten) und Maria Raab sind Teil des am Hubland geplanten Projekts "Mehrgenerationenwohnen Würzburg".
Catharina Hettiger
 |  aktualisiert: 17.04.2024 02:48 Uhr

"Wie möchte ich wohnen?" ist eine grundlegende Frage, die Menschen im Laufe ihres Lebens immer wieder neu beschäftigt. Der Wunsch nach Gemeinschaft und Zugehörigkeit, aber auch der immer knapper werdende Wohnraum sowie steigende Wohnkosten führen zu kreativen und neuen Wohnformen. Das Projekt "Mehrgenerationenwohnen Würzburg" (MGWW) ist eine davon.

"Wir sind eine Gruppe engagierter Menschen in Würzburg und Umgebung, die in Würzburg eine genossenschaftlich und selbst verwaltete Wohnungsimmobilie bauen und gemeinschaftlich bewohnen möchte", heißt es auf der MGWW-Homepage. Ein Grundstück für das Wohnprojekt gibt es bereits: Seit Dezember 2022 steht fest, dass die Gruppe, die aktuell aus 60 Erwachsenen und 30 Kindern besteht zwischen wenigen Monaten und 77 Jahren besteht, ein Grundstück am Hubland im Quartier IV, Kürnacher Berg, bebauen kann. 

André (40) und Theresa K. (36) mit Sohn (4 Jahre) und Tochter (1 1/2 Jahre):

Ein Wohnprojekt, das viel Austausch ermöglicht, aber zu nichts nötigt – das schätzt Familie K. an 'Mehrgenerationenwohnen Würzburg'. 
Foto: Thomas Obermeier | Ein Wohnprojekt, das viel Austausch ermöglicht, aber zu nichts nötigt – das schätzt Familie K. an "Mehrgenerationenwohnen Würzburg". 

Recht unverhofft zu "Mehrgenerationenwohnen Würzburg" (MGWW) kam Familie K., die nicht möchte, dass ihr Nachname veröffentlicht wird. "Meine Tante hat uns im Januar 2023 von dem Projekt erzählt", sagt Theresa K..  Bis dahin hatte die Familie ganz andere Pläne: "Wir wollten ein Haus in Gochsheim kaufen, in dem wir zu der Zeit gewohnt haben." Doch der Alltag im Dorf war der Familie zu anonym, "die Leute bleiben für sich, wir hatten wenig Sozialkontakte und waren auf den Spielplätzen mit unseren Kindern oft allein", so André K..

Die Gruppe des MGWW überzeugte die Familie von Anfang an: "Beim Kennenlern-Termin im März 2023 wurden wir herzlich begrüßt und sind völlig ungezwungen mit den Menschen dort in Kontakt gekommen", erinnert sich Theresa K.. "Man spürt, wenn man willkommen ist und echtes Interesse besteht", ergänzt ihr Mann. Nach zwei gemeinsamen Wochenenden mit der Gruppe schloss sich die Familie dem Projekt an, sagte den Hauskauf in Gochsheim ab und zog in eine Wohnung in einen Würzburger Vorort.

"Die Umstellung hat sich richtig angefühlt", sagt Theresa K.. Die Gründe, warum die Hotel-Betriebswirtin und ihr Mann sich für das Projekt entschieden haben, sind vielfältig: "Wir wollen unsere Nachbarn nicht nur im Treppenhaus beim 'Hallo' sagen treffen, wir wollen auch Hilfe geben und nehmen". Und: "Es tut Menschen generell gut, nicht 90 Prozent des Tages in ihrer Kleinfamilie zu verbringen", findet André K.. Die Gruppe biete eine große Austauschplattform für alle möglichen Bereiche des Alltags: sei es, Gleichgesinnte für gemeinsames Joggen, Klettern oder Yoga zu finden, sich gegenseitig beim Babysitten, mit Werkzeug oder schlicht einem Ei auszuhelfen. Das alles sei im Wohnprojekt möglich, "es nötigt einen aber nicht", so der gelernte Koch.

Dass sie, wenn alles gut geht, künftig am Hubland wohnen werden, findet die Familie schlüssig: "Das Viertel ist im Entstehen, das passt zu unserem Projekt."

Maria Raab (69)

Maria Raab findet es gut, dass sich beim Wohnprojekt alle Mitglieder in die Gemeinschaft einbringen wollen.
Foto: Daniel Peter | Maria Raab findet es gut, dass sich beim Wohnprojekt alle Mitglieder in die Gemeinschaft einbringen wollen.

Früher lebte Maria Raab mit Mann und drei Kindern in einem 250 Quadratmeter großen Haus mit 1800 Quadratmeter Garten. Als ihr Mann starb, war die ehemalige Grund- und Hauptschullehrerin 54 Jahre alt. Sie verkaufte das Haus und verkleinerte sich nach und nach – nun will sie mit dem Mehrgenerationenwohnen-Projekt in eine Wohnung von 50 Quadratmeter ziehen. Auf der Suche nach einer anderen Lebens- und Wohnform ist Raab schon länger. Als sie vor zwei Jahren zu "Mehrgenerationenwohnen Würzburg" stieß, stimmte das Gefühl sofort: "Mir war schnell klar, dass die Grundüberzeugung der Gruppe passt", so die 69-Jährige, "alle wollen mit Menschen zu tun haben und sich in die Gemeinschaft einbringen".

Dass sich die Gruppe seit Maria Raab dazugestoßen ist von weniger als 20 Personen auf 60 Erwachsene und 30 Kinder erweitert hat, findet sie gut, weil sie so mehr Auswahl habe, mit wem sie sich näher vernetzen kann. Dadurch, dass alle Mitglieder in Arbeitskreise eingebunden sind, könne sie Kontakt zu verschiedensten Leuten innerhalb der Gruppe knüpfen. Im Alltag werde sie als älterer Mensch oft kaum von Jüngeren wahrgenommen – beim Mehrgenerationenwohnen-Projekt sei das anders. "Das ist schön", sagt die 69-Jährige.

Maria Raab freut sich auf ein Leben in Gemeinschaft: "Wenn ich allein lebe, habe ich ständig damit zu tun, private Treffen auszumachen." Ob Karten spielen oder Wandern gehen, in der Gruppe ergebe sich vieles spontan. "Durch den Austausch mit anderen verkalkt man nicht so schnell", sagt die pensionierte Lehrerin und lacht. Eine eigene Wohnung als Rückzugsort war ihr dennoch wichtig. Dass diese durch den Genossenschaftsanteil, den sie eingebracht hat, unkündbar ist, sei ein gutes Gefühl. Ängste hinsichtlich des künftigen Zusammenlebens hat sie keine: "Wenn ein Problem auftaucht, muss es gelöst werden", sagt sie pragmatisch. Dadurch, dass alle Entscheidungen innerhalb der Gruppe mit Hilfe eines sechsstufigen Konsensverfahrens im Plenum getroffen werden, würde sich bisher jeder mitgenommen fühlen. "Das ist zeitaufwändig, funktioniert aber."

Holger (40) und Andrea Linke (38) mit Tochter Youna (8) und Söhnen Philo (5) und Cosmo (1)

Mehr Gemeinschaft und Spontaneität – das erhofft sich Familie Linke vom Wohnprojekt am Hubland.
Foto: Benjamin Brückner | Mehr Gemeinschaft und Spontaneität – das erhofft sich Familie Linke vom Wohnprojekt am Hubland.

"Wir waren uns schon immer einig, dass wir kein Eigentum erwerben wollen", sagen Holger und Andrea Linke. Das Paar hat drei Kinder und wohnt auf 97 Quadratmetern zur Miete in Höchberg. "Wir wollen nicht unendlich viel Geld für Wohnen ausgeben", so die Linkes, die lieber viel und weit verreisen. In ihrem Freundeskreis sind sie die Einzigen ohne Eigenheim, "viele sagen zu unseren Plänen, 'oh, wie spannend', denken aber: 'Fürs uns wär’s nix'", sagt Holger Linke, der als Umweltschutztechnikingenieur tätig ist, und lacht.

Vor über drei Jahren hat sich die Familie Mehrgenerationenwohnen Würzburg angeschlossen – im Vordergrund steht für sie der Gemeinschaftsgedanke. Holger Linke erhofft sich von der neuen Wohnsituation "gute Nachbarschaft und Freundschaften für schöne Spiel- und Kochabende in der Gemeinschaftsküche". Mehr Gemeinschaft und Spontaneität, das wünschen sich die Linkes auch für ihre Kinder. Anfragen wie "Hat Dein Kind in drei Wochen Zeit, für drei Stunden zum Spielen vorbeizukommen?", würden sich in der neuen Wohnsituation erübrigen, so Andrea Linke. Die Mediengestalterin schätzt, dass die Gemeinschaft aus ganz unterschiedlichen Menschen besteht: "Unsere Kinder haben Ansprechpartner unterschiedlicher Altersklassen, das finde ich schön."

Für Youna hat der Umzug gleich mehrere Vorteile: Sie bekommt ein eigenes Zimmer, bisher haben ihr Bruder Philo und sie ein gemeinsames. Und: "Ich wohne dann bei meiner Freundin", sagt die Achtjährige und strahlt – eine befreundete Familie der Linkes ist ebenfalls Teil des Wohnprojekts.

Geben und Nehmen – auch das ist ein wichtiger Aspekt des Wohnprojekts. "Es ist immer jemand da, der einem helfen kann", sagt Andrea Linke. Gleichzeitig freut sie sich, bald viele Dinge teilen zu können: "Wir haben zum Beispiel ein Kanu, das wir höchstens zehn Mal im Jahr benutzen."

Die Linkes sind überzeugt: "Wir haben einen tollen Ort für die Kinder gefunden, an dem sie aufwachsen können." Und: "Sobald die Kinder flügge geworden sind, können wir uns innerhalb des Projekts von der Größe der Wohnung her auch wieder verkleinern."

 
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