
Die Antwort kommt schnell. "Ja." Kein Aber, keine Zweifel. Dafür ein breites Lächeln. Ja, Marianne Ahmed würde wieder Hebamme werden. Und ja, sie würde sich wieder für den "täglichen Wahnsinn" im Kreißsaal einer Universitätsklinik entscheiden. Trotz der Belastung und trotz des Hebammenmangels. "Eine Geburt zu begleiten, ist etwas sehr Emotionales", sagt Ahmed. "Und auch in einer großen Klinik wollte ich jeder Frau das Gefühl geben: Du bist das Wichtigste gerade."
Die Faszination dafür, den Beginn des Lebens zu begleiten, hat die 65-Jährige nie losgelassen. In diesem Frühjahr ist Marianne Ahmed in Rente gegangen. Nach 47 Jahren im Beruf, 43 Jahren in der Uni-Frauenklinik und mehr als 6400 begleiteten Geburten.
Bis zum letzten Tag, sagt Ahmed, "hatte ich bei jeder Geburt Herzklopfen". Auch wenn sich ihr Beruf in über vier Jahrzehnten deutlich verändert hat.
Die Basis des Berufs lernt man von den erfahrenen Hebammen
1976, mit 18 Jahren, begann Marianne Ahmed ihre Ausbildung an der Hebammenschule der Würzburger Uniklinik. Ihre damalige Lehrhebamme, Schwester Ruth, sei extra zu ihrer Abschiedsfeier gekommen – obwohl sie schon Mitte 80 sei: "Das hat mir viel bedeutet, von ihr habe ich alles gelernt."
Das Abtasten des Bauches, das Abhören der Herztöne eines Kindes, das Gefühl dafür, was Frauen bei einer Geburt brauchen. Genau darum gehe es als Hebamme, sagt Ahmed. In der Theorie könne man den Beruf nicht begreifen. "Ich habe zuhause ein ganzes Regal mit Fachbüchern, aber das, was ich von den Frauen lerne, steht da nicht drin. Das muss man erfahren." Oder von erfahrenen Kolleginnen abschauen. "Hebamme sein, bedeutet lebenslanges Lernen."
Ahmed arbeitete zunächst in einem Kreiskrankenhaus in Nordrhein-Westfalen, dann am Klinikum Großhadern in München. Nach zwei Jahren zog es sie zurück nach Würzburg, bewusst an die Uniklinik als einem Maximalversorger. Sie wollte das "ganze Spektrum an Geburten betreuen". Ihr Anspruch sei es gewesen, werdenden Müttern Halt zu geben, sagt Ahmed, vor allem dann, wenn es schwierig wurde, bei Komplikationen oder extremen Frühgeburten.
Sicher sei die Belastung im Groß-Kreißsaal hoch. Physisch und psychisch. Manche Geburt habe sie nie wieder losgelassen, erzählt die 65-Jährige. Zum Beispiel die Zwillinge, die im Abstand von zehn Tagen auf die Welt kamen. Gerade mal 25 Wochen war das erste Kind. "Danach hörten die Wehen der Mutter auf und wir haben sie zehn Tage im Kreißsaal gepflegt." Dann kam der zweite Zwilling - "wie ein kleines Wunder".
1987 wurde Ahmed selbst Mutter. Die Geburt des eigenen Sohnes "hat alles verändert", sagt sie. "Danach wusste ich auf einmal, von was ich rede." Im Alltag machte es den Job nicht leichter, als alleinerziehende Mutter kämpfte Ahmed mit der Doppelbelastung.

Denn planbar, geregelt, war die Arbeit im Kreißsaal nie. An manchen Tagen standen zehn oder zwölf Geburten an, an anderen nur zwei. Und oft waren nicht genügend Hebammen da, um allen werdenden Müttern gerecht zu werden.
Besonders in Ahmeds letzten Berufsjahren spitzte sich der Hebammenmangel zu. 2018 hatte eine Studie im Auftrag des bayerischen Gesundheitsministeriums teils massive Engpässe in der Hebammenversorgung belegt. Und durch die Corona-Pandemie habe sich "die Situation insgesamt verschärft", heißt es vom Bayerischen Hebammen Landesverband (BHLV), der rund 3600 Mitglieder zählt.
Verband: Viele Hebammen steigen wegen der schlechten Arbeitsbedingungen aus dem Beruf aus
Politische Fördermaßnahmen und das Aktionsprogramm zur Sicherstellung der Hebammenversorgung sollten den Notstand beseitigen, in einigen Regionen wurden laut BHLV auch Verbesserungen erreicht. Das Ziel des Verbandes, flächendeckend eine Eins-zu-Eins-Begleitung für Mutter und Kind während der Geburt zu gewährleisten, sei aber noch längst nicht erreicht, sagt die Vorsitzende Mechthild Hofner. Die hohe Arbeitsbelastung, schlechte Rahmenbedingungen und eine nicht angemessene Vergütung führten nach wie vor dazu, dass viele Hebammen nach wenigen Jahren nur noch in Teilzeit arbeiten oder sogar ganz aus dem Beruf aussteigen würden.
"Der Kampf um mehr Personal war schwierig", bestätigt Ahmed. Die geringe Bezahlung, die Knochenarbeit im Kreißsaal - viele junge Hebammen konzentrierten sich lieber auf die Schwangerenbetreuung und Nachsorge. Stellen blieben unbesetzt, der Druck stieg. "Wenn ich gespürt habe, ich konnte einer Frau nicht so beistehen, wie sie es jetzt gebraucht hätte, hat es mich sehr belastet."
Ahmed war von 2002 bis 2019 Leitende Hebamme in der Geburtshilfe der Uniklinik. "Anstrengend", sagt sie, "man steht immer zwischen den Stühlen." Denn natürlich würden in einem großen Kreißsaal "viele mitmischen", gebe es Meinungsverschiedenheiten mit Ärzten. Gescheut habe sie diese Diskussionen nie. "Was mich vor allem ärgert, ist, dass eine normale Geburt schlechter als ein Kaiserschnitt bezahlt wird", sagt die 65-Jährige. Hinzu komme die ständige Angst vor juristischen Klagen.
Im Freistaat können Hebammen künftig an neun Standorten studieren
Auch bei sei Anfang der 80er Jahre eines Nachmittags ein Kripobeamter vor der Tür gestanden. Man wolle sie zur Geburt eines Kindes befragen, das nicht gesund zur Welt gekommen war. "Die Behinderung hatte mit der Geburt nichts zu tun, aber die Eltern wollten uns verantwortlich machen", sagt Ahmed. Es sei am Ende nie zu einem Gerichtsverfahren gekommen, aber "das ist schon eine komische Situation".
Als Hebamme, sagt Ahmed, trage man eine enorme Verantwortung. Bei jedem Kind gehe es "nicht nur darum, dass es irgendwie überlebt, sondern dass es gesund ist." Jede Maßnahme müsse sorgsam abgewogen werden. Wem Empathie fehle, sei in diesem Beruf falsch.
Ahmed hat in all ihren Jahren an der Uniklinik rund 690 junge Hebammen ausgebildet. Den Job als Leitende Hebamme gab sie 2019 auf eigenen Wunsch ab, kurz vor der Akademisierung ihres Berufs.
Denn seit 2020 gilt auch in Deutschland: Wer Hebamme werden will, muss studieren. Ein duales Bachelorstudium bereitet nun auf den Beruf vor. Mittlerweile gibt es in Bayern laut BHLV sieben Studienstandorte mit etwa 200 Plätzen, zum Wintersemester 2023/2024 kommen zwei weitere dazu.
Auch an der Uni Würzburg haben die ersten Hebammenstudentinnen begonnen. Für die insgesamt 22 Plätze zum Start hätten sich 105 Frauen beworben, sagt Uniklinik-Sprecher Stefan Dreising, für das kommende Wintersemester habe es sogar 248 Bewerberinnen gegeben.
Hebammenwissenschaften: Was die Akademisierung bringt, ist noch offen
Bleibt die Frage: Reicht das? Das Studium Hebammenwissenschaften mache den Beruf attraktiver, heißt es vom BHLV. Da das Studium jedoch in der Regel sieben Semester dauere, "werden erst ein bis zwei Jahre später mehr frisch ausgebildete Hebammen in den Beruf starten".
Marianne Ahmed hat in ihren letzten Arbeitsmonaten noch die ersten Hebammenstudentinnen im Kreißsaal erlebt. Mit gemischten Gefühlen, sagt sie. Die 65-Jährige hofft, dass ihr Beruf durch das Studium mehr Anerkennung erfährt und finanziell aufgewertet wird. Das Wichtigste kann man aus ihrer Sicht nicht in einem Hörsaal lernen: "Das sehe ich im Gesicht der werdenden Mutter, wenn ich bei ihr am Bett bin".
ist es Unsinn, dass Hebammen (oder auch Krankenhäuser) ihre Berufsrisiken auf dem freien Markt in der Haftpflicht versichern müssen, denn der Einzelfall eines Schadens kann materiell natürlich exorbitant sein.
AKWs deren Einzelfallschaden ungleich höher sein kann, müssen überhaupt keine Haftpflichtversicherung vorweisen, wenn sie den Betrieb starten, hier tritt unser Staat ein.
Könnte sowas für wirklich nützliche Berufe nicht auch sein, von einem Sockelbetrag pro Schaden vielleicht einmal abgesehen?
Dass eine Hebamme von solchen finanziellen Belastungen abgeschreckt wurde (wer sieht schon einen Sinn darin monatelang nur für die Haftpflichtversicherung zu arbeiten), ist durchaus verständlich.
Soll hier das gleiche passieren, bzw. die Situation noch schlimmer werden als sie eh schon ist?
Es macht in vielen Berufen keinen Sinn wenn es mehr Chefs mit theoretischen Wissen, aber keine Fachleute mit praktischen Erfahrungen mehr gibt!
Wir brauchen wieder Numerus Clausus in weiten Studienfeldern!
Juristen und Betriebswirte haben wir ja wohl schon zuviel!