Einsamkeit macht krank! Schlechter Schlaf, Kopfschmerzen und Bluthochdruck können auch die Folge fehlender sozialer Kontakte sein. Und auch wenn es mehr Möglichkeiten denn je gibt, mit anderen in Kontakt zu treten: Immer mehr Menschen in unserer Gesellschaft fühlen sich einsam.
Ruth Belzner beschäftigt sich täglich mit dem Thema Einsamkeit. Die Leiterin der Telefonseelsorge Würzburg sagt, dass rund 70 Prozent der Anruferinnen und Anrufer nur ihre Nummer wählen, weil ihnen jemand fehlt, mit dem sie sprechen können. Im Interview gibt die Diplompsychologin Tipps, wie man es aus der Abwärtsspirale heraus schaffen kann.
Ruth Belzner: Das ist gar nicht so einfach zu sagen. Einsamkeit ist ein seelischer Schmerz, den die meisten eher als diffuses Unwohlsein beschreiben. Deshalb erkennen einige Menschen auch gar nicht, dass sie einsam sind. Sie sind dann häufig sehr bei sich, ihrem eigenen Befinden und nehmen körperliche Beschwerden viel intensiver wahr als andere. Das könnte man vielleicht als kleinen Indikator für Einsamkeit ausmachen.
Belzner: Das ist ein sehr häufiges Problem. Einsame Menschen verlernen mit der Zeit, Interesse am Gegenüber zu zeigen. Sie fokussieren ihr Denken auf sich und ihre eigenen Probleme. Logischerweise möchte aber jede Person das Gefühl haben, man interessiert sich für sie. Früher oder später führt das dazu, dass sich die sozialen Kontakte, die man besitzt, zurückziehen. Hinzu kommt, dass sich bei einsamen Menschen die Wahrnehmung verzerrt.
Belzner: Eine einsame Person wird sich schwertun, soziale Kontakte zu knüpfen. Sie geht häufig schon mit dem Grundgefühl, dass sie nicht dazu gehört, auf andere Menschen zu und sucht dann nach Signalen, die genau das bestätigen. Wenn ich beispielsweise zu einer Menschengruppe stoße und sich alle weiter unterhalten, dann irritiert mich das nicht. Ich mische mich bei passender Gelegenheit schon ein. Eine einsame Person aber versteht das direkt als Signal, dass die Gruppe sie nicht aufnehmen möchte, zieht sich zurück und versinkt tiefer in der Einsamkeit.
Belzner: Einsamkeit betrifft junge Menschen genauso wie ältere. Es gibt tatsächlich schon Schulkinder, die sich einsam fühlen. Die müssen auch nicht zwangsläufig alleine auf dem Schulhof stehen. Das können Kinder sein, die nicht mit der Sicherheit aufwachsen, dass Mama und Papa für sie da sind, wenn sie sie brauchen. Was wir gerade bei jüngeren Erwachsenen häufig hören ist, dass sie regelrecht Angst vor der Einsamkeit haben. Sie fürchten zum Beispiel, nie einen Partner oder Partnerin zu finden und haben Angst, dass es irgendwas an ihnen gibt, dass das Gegenüber nicht mögen könnte. Und dann gibt es die Älteren, denen soziale Kontakte fehlen, weil sie zum Beispiel verstorben sind.
Belzner: Ja, als ich vor rund 26 Jahren hier angefangen habe die Statistiken zu machen, da war Einsamkeit vielleicht bei zehn Prozent der Anrufenden ein Thema. Das hat über die Jahre stetig zugenommen, vor Corona lagen wir bei circa 20 Prozent. Mittlerweile können wir sagen, dass etwas mehr als jedes vierte Telefonat sich mit dem Thema Einsamkeit beschäftigt. Das liegt natürlich auch daran, dass wir alle sensibler für das Thema geworden sind. Aber ich würde auch sagen, dass Einsamkeit gesamtgesellschaftlich zugenommen hat.
Belzner: Nun ja, man kann sozialen Kontakten und Interaktionen heute wunderbar ausweichen. Früher war man gezwungen, mit anderen in Kontakt zu treten. Um eine Fahrkarte zu kaufen, musste man zwangsläufig mit dem Busfahrer sprechen. Heute muss man mit fast niemanden mehr sprechen. Und die wachsende Mobilität ist auch ein wichtiger Faktor. Gerade bei älteren Menschen trägt das sehr zur Einsamkeit bei, weil viele Kinder in andere Städte ziehen.
Belzner: Ja, das gibt es tatsächlich auch. Das sind dann Personen, die sich nicht zugehörig fühlen und anders, obwohl sie Freunde, Familie oder sogar Kinder haben. Sie empfinden es wie eine Wand zwischen sich und den anderen, die undurchdringlich erscheint. Diese Menschen haben oft das Gefühl, dass sie niemand wirklich versteht oder dass sie ihr wahres Selbst nicht zeigen können. Sie fühlen sich dann einsam, obwohl sie Menschen haben, mit denen sie sprechen und Zeit verbringen.
Belzner: Ich glaube, wenn die Einsamkeit akut ist, dann hilft es ungemein, erstmal in Bewegung zu kommen – rausgehen, spazieren. Das allein verschafft einem noch keine sozialen Kontakte, hilft aber sich besser zu fühlen. Eine zweite Möglichkeit, die aber ein bisschen Mut erfordert: Einfach mal alte Freunde und Bekannte anrufen und sich wieder melden. Allen, die neu in einer Stadt sind, rate ich zur Ehrlichkeit. Es ist keine Schande zuzugeben, dass man noch niemanden kennt und andere zu fragen, ob man sich anschließen kann. Und, das ist das Schöne an unserer Zeit: Es gibt viele Plattformen und Apps, auf denen man mit anderen Menschen in Kontakt treten kann. Dort kann man Nachbarn kennenlernen oder den Hund von anderen ausführen. Das sind alles wunderbare Möglichkeiten, die man nutzen kann.