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Würzburg
Leiterin der Würzburger Telefonseelsorge über Einsamkeit: "Viele junge Menschen haben Angst, keinen Partner zu finden"
Einsamkeit betrifft Jung und Alt und ist ein "seelischer Schmerz", sagt Ruth Belzner. Die Diplompsychologin kennt die Ursachen. Und hat Tipps, was man dagegen tun kann.
Ruth Belzner, die Leiterin der Telefonseelsorge Würzburg, sagt, dass rund 70 Prozent der Anruferinnen und Anrufer nicht zum Hörer greifen würden, wenn sie Menschen in ihrem privaten Umfeld hätten, mit denen sie reden könnten.
Foto: Patty Varasano | Ruth Belzner, die Leiterin der Telefonseelsorge Würzburg, sagt, dass rund 70 Prozent der Anruferinnen und Anrufer nicht zum Hörer greifen würden, wenn sie Menschen in ihrem privaten Umfeld hätten, mit denen sie reden ...
Gina Thiel
 |  aktualisiert: 15.07.2024 11:26 Uhr

Einsamkeit macht krank! Schlechter Schlaf, Kopfschmerzen und Bluthochdruck können auch die Folge fehlender sozialer Kontakte sein. Und auch wenn es mehr Möglichkeiten denn je gibt, mit anderen in Kontakt zu treten: Immer mehr Menschen in unserer Gesellschaft fühlen sich einsam.

Ruth Belzner beschäftigt sich täglich mit dem Thema Einsamkeit. Die Leiterin der Telefonseelsorge Würzburg sagt, dass rund 70 Prozent der Anruferinnen und Anrufer nur ihre Nummer wählen, weil ihnen jemand fehlt, mit dem sie sprechen können. Im Interview gibt die Diplompsychologin Tipps, wie man es aus der Abwärtsspirale heraus schaffen kann.

Frau Belzner, Einsamkeit ein großes Thema bei Ihrer Arbeit. Aber woran merkt man eigentlich, dass man einsam ist?

Ruth Belzner: Das ist gar nicht so einfach zu sagen. Einsamkeit ist ein seelischer Schmerz, den die meisten eher als diffuses Unwohlsein beschreiben. Deshalb erkennen einige Menschen auch gar nicht, dass sie einsam sind. Sie sind dann häufig sehr bei sich, ihrem eigenen Befinden und nehmen körperliche Beschwerden viel intensiver wahr als andere. Das könnte man vielleicht als kleinen Indikator für Einsamkeit ausmachen.

Wer so stark bei sich ist, der verliert irgendwann den Blick für andere. Macht es das besonders schwer, aus der Einsamkeit herauszukommen?

Belzner: Das ist ein sehr häufiges Problem. Einsame Menschen verlernen mit der Zeit, Interesse am Gegenüber zu zeigen. Sie fokussieren ihr Denken auf sich und ihre eigenen Probleme. Logischerweise möchte aber jede Person das Gefühl haben, man interessiert sich für sie. Früher oder später führt das dazu, dass sich die sozialen Kontakte, die man besitzt, zurückziehen. Hinzu kommt, dass sich bei einsamen Menschen die Wahrnehmung verzerrt.

Verzerrte Wahrnehmung? Was meinen Sie damit?

Belzner: Eine einsame Person wird sich schwertun, soziale Kontakte zu knüpfen. Sie geht häufig schon mit dem Grundgefühl, dass sie nicht dazu gehört, auf andere Menschen zu und sucht dann nach Signalen, die genau das bestätigen. Wenn ich beispielsweise zu einer Menschengruppe stoße und sich alle weiter unterhalten, dann irritiert mich das nicht. Ich mische mich bei passender Gelegenheit schon ein. Eine einsame Person aber versteht das direkt als Signal, dass die Gruppe sie nicht aufnehmen möchte, zieht sich zurück und versinkt tiefer in der Einsamkeit.

Solche Situationen kommen nicht selten auch bei jungen Menschen vor, oder?

Belzner: Einsamkeit betrifft junge Menschen genauso wie ältere. Es gibt tatsächlich schon Schulkinder, die sich einsam fühlen. Die müssen auch nicht zwangsläufig alleine auf dem Schulhof stehen. Das können Kinder sein, die nicht mit der Sicherheit aufwachsen, dass Mama und Papa für sie da sind, wenn sie sie brauchen. Was wir gerade bei jüngeren Erwachsenen häufig hören ist, dass sie regelrecht Angst vor der Einsamkeit haben. Sie fürchten zum Beispiel, nie einen Partner oder Partnerin zu finden und haben Angst, dass es irgendwas an ihnen gibt, dass das Gegenüber nicht mögen könnte. Und dann gibt es die Älteren, denen soziale Kontakte fehlen, weil sie zum Beispiel verstorben sind.

Würden Sie aus Ihrer Erfahrung bei der Telefonseelsorge sagen, dass sich das Thema Einsamkeit mit den Jahren gewandelt hat?

Belzner: Ja, als ich vor rund 26 Jahren hier angefangen habe die Statistiken zu machen, da war Einsamkeit vielleicht bei zehn Prozent der Anrufenden ein Thema. Das hat über die Jahre stetig zugenommen, vor Corona lagen wir bei circa 20 Prozent. Mittlerweile können wir sagen, dass etwas mehr als jedes vierte Telefonat sich mit dem Thema Einsamkeit beschäftigt. Das liegt natürlich auch daran, dass wir alle sensibler für das Thema geworden sind. Aber ich würde auch sagen, dass Einsamkeit gesamtgesellschaftlich zugenommen hat.

In der Telefonseelsorge sind Telefon, Computer, Notizblock und ein Stift die einzigen benötigten Arbeitsmittel. (Archivbild)
Foto: Gerhard Bauer | In der Telefonseelsorge sind Telefon, Computer, Notizblock und ein Stift die einzigen benötigten Arbeitsmittel. (Archivbild)
Und warum? Gibt es Ursachen dafür, dass Einsamkeit zunimmt?

Belzner: Nun ja, man kann sozialen Kontakten und Interaktionen heute wunderbar ausweichen. Früher war man gezwungen, mit anderen in Kontakt zu treten. Um eine Fahrkarte zu kaufen, musste man zwangsläufig mit dem Busfahrer sprechen. Heute muss man mit fast niemanden mehr sprechen. Und die wachsende Mobilität ist auch ein wichtiger Faktor. Gerade bei älteren Menschen trägt das sehr zur Einsamkeit bei, weil viele Kinder in andere Städte ziehen.

Einsamkeit wird, gerade bei älteren Menschen, oft mit dem Allein-Sein verknüpft. Kann man  einsam sein trotz Freunden und sozialer Kontakte?

Belzner: Ja, das gibt es tatsächlich auch. Das sind dann Personen, die sich nicht zugehörig fühlen und anders, obwohl sie Freunde, Familie oder sogar Kinder haben. Sie empfinden es wie eine Wand zwischen sich und den anderen, die undurchdringlich erscheint. Diese Menschen haben oft das Gefühl, dass sie niemand wirklich versteht oder dass sie ihr wahres Selbst nicht zeigen können. Sie fühlen sich dann einsam, obwohl sie Menschen haben, mit denen sie sprechen und Zeit verbringen.

Was kann man dagegen tun? Haben Sie Tipps, um aus der Einsamkeit zu entfliehen?

Belzner: Ich glaube, wenn die Einsamkeit akut ist, dann hilft es ungemein, erstmal in Bewegung zu kommen – rausgehen, spazieren. Das allein verschafft einem noch keine sozialen Kontakte, hilft aber sich besser zu fühlen. Eine zweite Möglichkeit, die aber ein bisschen Mut erfordert: Einfach mal alte Freunde und Bekannte anrufen und sich wieder melden. Allen, die neu in einer Stadt sind, rate ich zur Ehrlichkeit. Es ist keine Schande zuzugeben, dass man noch niemanden kennt und andere zu fragen, ob man sich anschließen kann. Und, das ist das Schöne an unserer Zeit: Es gibt viele Plattformen und Apps, auf denen man mit anderen Menschen in Kontakt treten kann. Dort kann man Nachbarn kennenlernen oder den Hund von anderen ausführen. Das sind alles wunderbare Möglichkeiten, die man nutzen kann.

Telefonseelsorge Würzburg sucht Nachwuchs

Ruth Belzner sitzt an ihrem Schreibtisch im Würzburger Büro. (Archivbild)
Foto: Patty Varasano | Ruth Belzner sitzt an ihrem Schreibtisch im Würzburger Büro. (Archivbild)
Die Telefonseelsorge Würzburg ist rund um die Uhr zu erreichen, auch am Wochenende und an Feiertagen. Die kostenfreien Telefonnummern: 0800 111 0 111 und 0800 111 0 222.
Wenn man nicht sofort Anschluss bekommt, einfach etwas später noch mal wählen. Man kann auch das Chat-und Mail-Angebot nutzen unter www.telefonseelsorge.de
Anderen Menschen ein offenes Ohr bieten: Die Telefonseelsorge sucht auch in diesem Jahr wieder neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In neun Monaten Ausbildungszeit lernt man u.a. wie man aktiv zuhört und andere Menschen in Ausnahmesituationen begleitet. Man sollte Interesse an anderen Menschen haben und gern für Personen da sein, die jemanden zum Reden brauchen.
Interessierte könnten sich bis 8. Mai melden und bewerben unter www.telefonseelsorge-wuerzburg.de.
Quelle: Ruth Belzner
 
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Kommentare
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  • 1958kosb
    Weniger auf dem Handsy rumdaddeln. Raus gehen und Leute treffen. Ist doch so einfach.
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