Angefangen hat es nachts: Sonja Liebig vermutet zuerst eine harmlose Erkältung, hat Halskratzen und fühlt sich schwach. Mitte März war das, noch bevor die Ausgangsbeschränkungen erlassen wurden. Die vermeintliche Erkältung will sie mit genügend Schlaf und Tee auskurieren. Am nächsten Morgen fühlt sich die 50-Jährige aus Randersacker (Lkr. Würzburg) jedoch wie gerädert: "Es war mir gleich klar, dass das keine normale Grippe ist. Ich dachte, das ist heftig – wie wenn man Glasscherben schluckt."
Liebig telefoniert mit ihrem Hausarzt, eine persönliche Untersuchung ist nicht möglich. Unsicherheit und die Angst vor Ansteckung, vermutet sie. Letztendlich verschreibt ihr der Arzt Schmerzmedikamente und ein Mittel gegen Husten. Auch mit dem Gesundheitsamt nimmt Liebig Kontakt auf. "Die haben gemerkt, dass ich Redebedarf habe." Sie bittet mehrmals um Rat, doch auch den Kontakt mit dem Amt empfindet sie als keine große Hilfe: Es kommt ihr so vor, als ob sie nur von Arzt zu Arzt verwiesen wird, erzählt sie im Telefonat mit dieser Redaktion.
Die 50-Jährige will Sicherheit, will sich auf das Coronavirus testen lassen. Ein Unterfangen, das sich jedoch als schwierig erweist. Sie müsse nachweislich Kontakt zu jemandem gehabt haben, sei ihr mitgeteilt worden, "der bereits positiv getestet ist". Sie ist sich zwar sicher, sich im privaten Bereich angesteckt zu haben. Das nachzuweisen sei allerdings schwierig, da keiner ihrer Kontakte Testergebnisse gehabt habe. Doch Liebig bleibt hartnäckig, besteht auf den Test an der Uniklinik in Würzburg. Der erfolgt schließlich fünf Tage nach Ausbruch der ersten Symptome, einen Tag später dann die Gewissheit: Sie ist mit dem Coronavirus infiziert.
Schüttelfrost und extreme Kopf- und Gelenkschmerzen
Und wie fühlt es sich an, wenn man an Covid-19 erkrankt ist? Fieber hat die zweifache Mutter nur am ersten Tag ihrer Corona-Erkrankung, berichtet sie. Danach wechseln die Symptome: Liebig bekommt extreme Kopf- und Gelenkschmerzen, dazu Schüttelfrost. Sie fühlt sich schwach, erzählt sie weiter, verliert Geruchs- und Geschmackssinn. Nachts kann sie sich nicht erholen, es fällt ihr schwer einzuschlafen. "Ich musste andauernd husten." Die ersten Tage verbringt Liebig in einem Dämmerzustand. Schon der Weg vom Bett ins Badezimmer ist anstrengend. "Nach dem Duschen hätte ich gleich wieder duschen können", sagt sie: "Schweißausbruch." Die Schwere der Symptome ist ein Schock für sie. "In über 20 Jahren Arbeit kann ich an einer Hand abzählen, wie oft ich krank war."
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Manchmal geht es der alleinerziehenden Mutter so schlecht, dass sie kurz davor ist, das Krankenhaus aufzusuchen. Doch Liebig geht nicht. "Ich habe dann gedacht, ich schaffe es daheim und möchte auch niemandem, der es nötiger braucht, den Platz wegnehmen. Das wurde in vielen Berichten auch immer wieder gesagt, dass es schwierig sein wird, alle zu versorgen", erklärt sie.
Anfangs hat Liebig nicht nur um sich Angst, sondern fürchtet auch, ihre Arbeitskollegen angesteckt zu haben. Ihre Sorge erwies sich mittlerweile als unbegründet – nicht zuletzt, weil ihre Vorgesetzten die empfohlenen hygienischen Maßnahmen ergriffen hatten, um die Mitarbeiter zu schützen.
Als extrem belastend empfindet sie die soziale Isolation, in der sie nun lebt. Dass Sonja Liebig nicht nach draußen gehen darf, zehrt an ihren Nerven. "Es macht psychisch was mit einem, man bekommt das Gefühl, dass sich der Horizont verkleinert", erklärt die Erkrankte. Der einzige Lichtblick ist die Unterstützung ihrer Freunde. Mehrmals täglich erkundigen sich diese nach ihrem Gesundheitszustand, stellen frische Lebensmittel vor ihrer Haustür ab.
Tagesablauf von etlichen Pausen geprägt
Vor dem Ausbruch der Infektion arbeitete Liebig als Beraterin für den Krisendienst Würzburg. Gerade jetzt verspürt sie ein Gefühl der Ohnmacht – nicht helfen zu können, in Zeiten, in denen vor allem durch das Virus viel Hilfe benötigt wird. "Ich weiß aber, dass ich nur helfen kann, wenn ich auch fit bin", sagt sie.
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Aktuell befindet sich Sonja Liebig auf dem Weg der Besserung. Sie klagt noch über "ein Engegefühl in der Brust" und kämpft gegen den Husten an. Bis die 50-Jährige jedoch genug Energie hat um aufzustehen, dauert es bis in den Vormittag hinein, denn wegen der Hustenanfälle ist abends ans Einschlafen lange nicht zu denken. Ihr Tagesablauf ist von etlichen Pausen geprägt, zwischendurch erledigt sie leichte Hausarbeiten, um sich nach über zwei Wochen in häuslicher Isolation zumindest etwas bewegen zu können.
Sohn wird in Quarantäne bleiben müssen, wenn die Mutter wieder gesund ist
Als genesen gilt Liebig, wenn die ersten Krankheitssymptome 14 Tage zurückliegen und sie 48 Stunden symptomfrei bleibt. Sie hofft, dass sie in spätestens zwei Wochen wieder komplett gesund ist. Die Krankheit belastet nicht nur die zweifache Mutter, sondern auch ihre gesunden Familienangehörigen, beispielsweise Liebigs jüngsten Sohn. Denn wenn die 50-Jährige die Krankheit überstanden hat, wird er für zwei Wochen in Quarantäne bleiben müssen. Eine Vorsichtsmaßnahme, um auszuschließen, dass er sich bei seiner Mutter angesteckt hat.
Sorgen macht sich Liebig um ein Stigma, dass ihr nach der Krankheit anheften könnte: Dass ihre Mitmenschen Angst davor haben, sich bei ihr anzustecken, auch wenn sie wieder gesund ist.
Gibt es denn Hinweise auf den Infektionsweg?
Wo könnte sich Frau Liebig angesteckt haben?
War Frau Liebig in den Wochen vor der Erkrankung in einem Risikogebiet?