Die in Bayern geltenden Ausgangsbeschränkungen zur Eindämmung des Coronavirus sorgen für Diskussionen. Nicht nur zahlreiche Details zur Frage, was man darf und was nicht, beschäftigen die Bürger. Auch die rechtlichen Grundlagen werden immer heftiger diskutiert.
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Was unsere Leser sagen
"Mich erschreckt", schreibt etwa ein Leser auf mainpost.de, "der bedingungslose Gehorsam der Mehrheit und die absolute Unterordnung unter eine Maßnahme, die zwar oberflächlich betrachtet plausibel ist, aber bei genauerer Betrachtung (...) auf äußerst löchrigen gesetzlichen Grundlagen steht." Ein anderer fragt gar: "Leben wir seit dem 13. März", dem Tag, an dem die Ausgangsbeschränkungen verkündet wurden, "in einem Polizeistaat?" Einige Leser können da nur mit dem Kopf schütteln: "Kann man nicht einfach mal Rücksicht auf Risikogruppen nehmen?", fragt zum Beispiel einer. "Mensch, haltet euch einfach mal ein paar Wochen dran und diskutiert hier nicht über irgendwelche Gesetze."
Was die Politiker sagen
Wir haben zwei Politiker aus der Region gefragt, ob sie die rechtliche Grundlage für die Ausgangsbeschränkungen für gegeben halten. Hier ihre Antworten:
CSU-Landtagsabgeordneten Steffen Vogel aus Theres (Lkr. Haßberge): "Freiheiten da einschränken, wo das Leben anderer gefährdet wird!"
Die Ausgangsbeschränkungen der Bayerischen Staatsregierung waren und sind notwendig und verhältnismäßig, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen und damit das Leben der Menschen in Bayern zu schützen. Natürlich gehen mit diesen Maßnahmen ganz erhebliche Einschränkungen von Grund- und Freiheitsrechten einher. Das Robert-Koch-Institut bestätigte am 17. März ein hohes Gesundheitsrisiko für die bayerische Bevölkerung und eine drohende Überlastung des medizinischen Systems, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden würden. Ministerpräsident Markus Söder und die Staatsregierung mussten schnell und konsequent handeln! Bayern hat die schärfsten Regeln aller Bundesländer beim Kampf gegen das Virus beschlossen. Dies liegt auch darin begründet, dass Bayern durch die Nähe zu Österreich und Italien derzeit in Deutschland am stärksten von Infektionen betroffen ist.
Es ist aber besser, dass wir uns alle zurücknehmen und eine Zeit lang weitgehend zuhause bleiben, bevor in unseren Krankenhäusern entschieden werden muss, dass aus Kapazitätsgründen über 70-Jährige keine Beatmungsplätze mehr bekommen. Nur Geduld, Beharrlichkeit und Konsequenz retten Leben! Deshalb musste die Staatsregierung zwischen einer "vorübergehenden Beschränkung der Freiheit" und dem "Schutz des Lebens" abwägen und hat dem Schutz von Gesundheit und Leben oberste Priorität eingeräumt. Die Freiheit des Einzelnen muss da vorübergehend eingeschränkt werden, wo das Leben anderer gefährdet wird.
Nicht erlaubt sind deshalb auch Motorradausflüge zum Start in die Saison. Es ist richtig, dass man allein auf einem Motorrad wohl niemanden anstecken kann. Die Frage ist aber, ob der Staat von seinen Vorgaben einzelne Ausnahmen zulässt, die dann wieder als Präzedenzfall für andere dienen, sodass am Ende doch der notwendige Schutz der Bevölkerung durch die Vermeidung sozialer Kontakte und damit die Eindämmung der Infektionen gefährdet wird.
Die Verhältnismäßigkeit der Ausgangsbeschränkungen wird auch deshalb gewahrt, weil die Regelungen Ausnahmen zulassen. In Bayern gilt eine Ausgangsbeschränkung und keine starre Ausgangssperre wie in Italien. So kann ich mit meiner Familie an Ostern spazieren gehen oder eine Radtour unternehmen. Der Grund für diese Ausnahme liegt darin, dass Bewegung an der frischen Luft die Gesundheit fördert, was bei Ausfahrten mit dem Motorrad eben nicht der Fall ist.
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Der Bayerische Verfassungsgerichtshof musste sich bereits mit der Rechtmäßigkeit der Maßnahmen der Staatsregierung befassen, da ein Bürger diese Maßnahmen als unverhältnismäßige Grundrechtseingriffe gerügt hat. Der VGH hat in seiner Entscheidung deutlich gemacht, dass der "Schutz von Leben und Gesundheit der möglicherweise Gefährdeten" eine "überragende Bedeutung" habe und die zeitweise einhergehenden "Einschränkungen der Grundrechte im Rahmen der Folgenabwägung ein geringeres Gewicht" zufalle. Ob die Rechtsgrundlagen das Maßnahmenpaket bis ins letzte Komma decken oder nicht, ist für mich zweitrangig: Das Wichtigste ist der Schutz von Leben und Gesundheit der Menschen in Bayern!
Letztlich gibt der Erfolg der Staatsregierung Recht: Derzeit steigen die Neuinfektionen in Bayern unter 5 Prozent pro Tag. Die Fachleute des Landesamtes für Gesundheit gehen davon aus, dass durch die Maßnahmen rund 50 000 Infektionen in Bayern vermieden werden konnten. Hätte die Staatsregierung nicht so entschlossen gehandelt, wäre unser Gesundheitssystem in Bayern kollabiert. Wir sind noch lange nicht über dem Berg. Deshalb bleiben Sie solidarisch zu Hause und beschränken Sie das Verlassen der Wohnung auf ein Minimum.
Grünen-Bundestagsabgeordneten Manuela Rottmann aus Hammelburg (Lkr. Bad Kissingen): "Der Bürger darf auch in Pandemie-Zeiten nicht Untertan werden!"
Die Corona-Pandemie ist ernst und sie muss ernst genommen werden. Die Übertragung des Virus so zu verlangsamen, dass wir unsere Krankenhäuser nicht über ihre Kapazitätsgrenze treiben, ist unser aller Verantwortung. Es geht um das Kostbarste, was wir haben: um Menschenleben. Und auch darum, Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte nicht in Situationen zu bringen, die ethisch untragbar sind. Das geht nicht nur auf Basis von Appellen und Freiwilligkeit, wir brauchen Regeln. Es sind nicht alle von sich aus vernünftig in dieser Lage.
Gleichzeitig müssen wir die Fundamente des Rechtsstaats wahren. Die Prinzipien achten, die uns unsere Verfassungsmütter und -väter 1949 gegeben haben. Diese Prinzipien sind in keiner einfachen Zeit entstanden. Sondern in einer Zeit des Hungers, des Mangels, als Millionen von Flüchtlingen und Kriegsversehrten zu versorgen waren. Sie sind gezogen aus den Lehren des Dritten Reichs. Es sind keine Schönwetterprinzipien. Sondern Regeln, die zu missachten wir teuer bezahlen würden. Der Bürger darf auch in Zeiten einer Pandemie nicht zum Untertan werden.
Eine der fundamentalen Säulen unseres Rechtsstaats ist, dass Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, eine gesetzliche Grundlage brauchen. Diese muss umso konkreter sein, je tiefer der Grundrechtseingriff ist. Deutschland ist eine parlamentarische Demokratie. Die Regierung kann nicht die Rechte ihrer Bürger beschneiden, ohne dass das Parlament dafür den Rahmen und die Bedingungen klar definiert hat.
Außerdem müssen die Maßnahmen geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein. Geeignetheit heißt, dass die Maßnahme den Zweck des Gesetzes, auf dessen Grundlage sie ergeht, fördert. Weder die Regierung noch ihre Vollzugsbehörden dürfen irgendetwas für vernünftig erklären und zu diesem Zweck die Rechte der Bürger beschneiden, ohne dass sie dafür eine vom Parlament beschlossene Rechtsgrundlage haben. Wie ist das bei Corona? Die Bayerische Verfügung einer vorläufigen Ausgangsbeschränkung verordnet nicht nur ein Verbot von Kontakten, bei denen der Virus übertragen werden kann. Sondern erlaubt das Verlassen der eigenen Wohnung nur noch bei Vorliegen eines triftigen Grunds.
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Die gesetzliche Grundlage dafür ist das Bundesinfektionsschutzgesetz. Dessen Zweck ist es, die Weiterverbreitung von Infektionen zu verhindern. Alle Maßnahmen müssen also geeignet sein, dies zu erreichen. Somit können Maßnahmen nicht auf diese Ermächtigung gestützt werden, die die Landesregierung, die Polizei oder eine andere Behörde vielleicht für wünschenswert halten, die aber nicht dem Schutz vor Ansteckung dienen. Wer alleine mit dem Motorrad oder dem Auto herumfährt, wer alleine auf einer Bank sitzt, der kann niemanden anstecken. Egal, ob er einen triftigen Grund dafür hat oder nicht. Das Parlament hat mit dem Infektionsschutzgesetz eben nicht erlaubt, so etwas zu verbieten.
Mündige Bürger hinterfragen das. Und zu recht. Gerade weil wir kein Polizeistaat sind, können wir das Wichtigste in dieser Situation, das Verständnis der Bevölkerung, nur bewahren, wenn wir sie nicht mit sinnlosen Verboten, Rechthaberei oder Machtgebaren traktieren. Die Gesetze geben ausreichend Spielraum, die Unbelehrbaren in die Schranken zu weisen und Risiken zu reduzieren. Die Polizei steht dabei letztlich an der Front. Wer ihr aber die Aufgabe auferlegt, unsinnige, maßlose Regeln durchzusetzen, tut ihr keinen Gefallen. Und der Pandemiebekämpfung auch nicht.
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