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Würzburg
Wohin mit der Sorge? Beratung und Seelsorge in Corona-Zeiten
Die Corona-Krise bringt nicht nur psychisch vorbelastete Menschen an ihre Grenzen: Telefonische Seelsorge und Beratung boomt. Gespräch mit zwei Expertinnen aus Würzburg.
Wenn alles zu viel wird: Die Corona-Krise und damit verbundene Ängste und Einschränkungen sind für viele extrem belastend. Ein Anruf bei einem Seelsorge- oder Beratungsangebot kann helfen.
Foto: gpointstudio | Wenn alles zu viel wird: Die Corona-Krise und damit verbundene Ängste und Einschränkungen sind für viele extrem belastend. Ein Anruf bei einem Seelsorge- oder Beratungsangebot kann helfen.
Catharina Hettiger
 |  aktualisiert: 27.04.2023 09:42 Uhr

Die Corona-Krise dauert an – und damit auch die Beschränkungen im Alltag und in den sozialen Kontakten der Menschen. Dies macht sich auch bei der Telefonseelsorge, dem Krisendienst und anderen Beratungsangeboten in der Region bemerkbar: Die Zahl der Anrufe ist gestiegen, zum Teil stark.

Ruth Belzner, Leiterin der Telefonseelsorge Würzburg/Main-Rhön, steht mit ihrem Team Anrufern rund um die Uhr mit einem offenen Ohr zur Verfügung.
Foto: Pat Christ | Ruth Belzner, Leiterin der Telefonseelsorge Würzburg/Main-Rhön, steht mit ihrem Team Anrufern rund um die Uhr mit einem offenen Ohr zur Verfügung.

„Die Telefonseelsorge kann für jede Situation entlastend sein; einige nutzen sie wie ein soziales Netz“, sagt Ruth Belzner, Leiterin der Telefonseelsorge Würzburg/Main-Rhön. Ein soziales Netz, das in Corona-Zeiten für viele wegbricht. Zahlreiche Unterstützungsdienste sind geschlossen, im Notbetrieb oder nur noch telefonisch erreichbar. Einen Überblick darüber, welche Beratungsstellen sowie Einrichtungen der Obdachlosen- und Gefährdetenhilfe aktuell in welchem Umfang erreichbar sind, hat die Stadt Würzburg auf ihrer Homepage erstellt.

"Viele unserer Mitarbeitenden sind dankbar, rauszukommen und etwas Sinnvolles tun zu können.“
Ruth Belzner, Leiterin Telefonseelsorge Würzburg/Main-Rhön

Das Angebot der Telefonseelsorge, das über Festnetz und Handy gebührenfrei ist, bleibt uneingeschränkt bestehen: Da es als „systemrelevant“ eingestuft wurde, dürfen die Mitarbeiter nach wie vor zur Arbeit kommen. Das Team ist rund um die Uhr erreichbar und arbeitet in fünf bis sechs Schichten pro Tag. „ Viele Mitarbeitende sind dankbar, rauszukommen und etwas Sinnvolles tun zu können“, so Belzner. Von zuhause aus zu arbeiten, sei für ihr Team schwierig – Stichwort „Psychohygiene“: „Bei unserer Arbeit kriegt man viel Belastendes mit, das sollte man aus den eigenen vier Wänden heraushalten.“

Telefonseelsorge arbeitet an Kapazitätsgrenze

Im Augenblick drehe sich ein Großteil der Anrufe um Corona: „Bei manchen steht die massive Sorge um die eigene Gesundheit im Mittelpunkt, bei anderen das Leiden, nicht aus den eigenen vier Wänden herauszukommen, wieder andere ärgern sich darüber, dass die Bagatellversorgung in Krankenhäusern ausgesetzt wurde – oder über Mitmenschen, die nicht den vorgeschriebenen Abstand einhalten“, erklärt Belzner. Es sei wichtig, dass die Anrufer in ihren Befindlichkeiten gehört würden. Ziel der Telefonseelsorge sei nicht, jemanden von einer anderen Sichtweise zu überzeugen, sondern, dass der Hilfesuchende in einem besseren Zustand auflegt, als er sich anfangs gemeldet hat.

„Etwas wie Corona kann dazu führen, dass eine Situation eskaliert – gerade, wenn Familien als Ganzes zu Hause sitzen."
Waltraud Stubenhofer, Leiterin Krisendienst Würzburg

Die Hälfte der Anrufer ist zwischen 50 und 70 Jahre alt, etwa 30 Prozent aller Gespräche werden mit Menschen geführt, die eine diagnostizierte psychische Erkrankung haben. Die Zahl der Seelsorgegespräche ist laut Belzner von etwa 35 täglich auf über 50 gestiegen. Dabei handelt es sich nicht immer um neue Kontakte, sondern auch um Menschen, die mehrmals täglich anrufen. „Manche kennen wir so gut, als wären sie Teil unsere Familie“, sagt Belzner. "Bei uns darf man sich auch mehrmals am Tag melden." Ihr Team sei aber auch dazu angehalten, sinnvoll mit den eigenen Ressourcen umzugehen. „Wir arbeiten an der Kapazitätsgrenze“, so Belzner. 

Zahl der Anrufe beim Krisendienst steigt stark an

Für Menschen in akuten Krisen steht der Krisendienst Würzburg, eine Fachstelle für Krisenintervention, telefonisch zur Verfügung. Ein Team aus psychologischen und sozialpädagogischen Fachkräften unterstützt Hilfesuchende montags bis freitags von 14 bis 18 Uhr, ehrenamtliche Fachkräfte sind täglich von 18.30 bis 0.30 Uhr erreichen.

“Wir haben im Tagdienst pro Woche normalerweise etwa zehn neue Klienten, und in der Nacht zwei bis drei Anrufe“, sagt Waltraud Stubenhofer, Leiterin des Krisendienstes. „Die Zahl der Anrufe ist inzwischen stark gestiegen.“

Waltraud Stubenhofer, Leiterin des Krisendienstes Würzburg, verzeichnet inzwischen eine stark steigende Zahl an Anrufen.
Foto: Thomas Obermeier | Waltraud Stubenhofer, Leiterin des Krisendienstes Würzburg, verzeichnet inzwischen eine stark steigende Zahl an Anrufen.

Das Thema "Corona" spiele dabei für die Gesamtsituation der Anrufer eine Rolle. „Krisen haben viele Aspekte“, erklärt Stubenhofer. „Etwas wie Corona kann dazu führen, dass eine Situation eskaliert – gerade, wenn Familien als Ganzes zu Hause sitzen. Was vorher gerade noch händelbar war, ist es jetzt vielleicht nicht mehr.“ Wie wird sich die Situation weiter entwickeln, auch im Hinblick auf häusliche Gewalt? „Das hängt davon ab, wie lange wir noch unter diesen Umständen leben müssen“, so Stubenhofer.

Die Leiterin des Krisendiensts ermutigt ausdrücklich dazu, anzurufen und Hilfe zu suchen - auch wenn es oft schwer falle, sich zu öffnen und zu sagen: "Mir geht’s gerade nicht gut." Der erste Schritt der Krisendienst-Mitarbeiter sei immer eine Screening: „Was ist das Anliegen, was braucht der Anrufer?“ In vielen Fällen erschließt der Krisendienst für den Hilfesuchenden ein weiterführendes Angebot. „Bei einer nicht ganz akuten Situation, wie zum Beispiel seit Jahren bestehenden Ehestreitigkeiten, würden wir den Anrufer an eine Beratungsstelle verweisen“ erklärt Stubenhofer. Diese ist, wie die Suchtberatung und andere Beratungszentren, auch aktuell telefonisch erreichbar. Auch Anrufe wie „Mein Sohn ist weggelaufen und hat gesagt, er springt von einer Brücke“ erreichen den Krisendienst immer wieder. „In diesem Fall verweisen wir an die Polizei, die denjenigen suchen kann.“

In akuten Krisen, etwa in der Partnerschaft sowie bei Suizidgefahr bietet das Team des Krisendiensts selbst bis zu zehn Beratungstermine an. „Es gibt zwar eine riesige Beratungslandschaft, aber oft lange Wartezeiten“, so Stubenhofer.

Hilfsangebote für Menschen in der Krise
Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr unter  Tel.: 0800-1110111 und 0800-1110222 (gebührenfrei von Handy und Festnetz) erreichbar. Im Chat oder per Mail gibt es im Internet unter online.telefonseelsorge.de Hilfe.
Der Krisendienst in Würzburg ist montags bis freitags von 14 bis 18 Uhr unter Tel.: (0931) 571717 erreichbar. Unter der gleichen Nummer steht täglich von 18.30 bis 0.30 Uhr ein telefonischer Bereitschaftsdienst zur Verfügung.
Der Gesprächsladen in Würzburg ist montags bis freitags von 10 bis 13 Uhr sowie von 16 bis 18 Uhr unter Tel.: (0931) 55800 oder per Videotelefonie mit Google Duo unter Tel.: (0160) 6991230 erreichbar.
Einen Überblick darüber, welche Beratungsstellen sowie Einrichtungen der Obdachlosen- und Gefährdetenhilfe aktuell in welchem Umfang erreichbar sind, hat die Stadt Würzburg auf ihrer
Homepage erstellt.
 
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