Sie kam sehr schnell, die Corona-"Bundes-Notbremse": Am Freitag trat das neue Infektionsschutzgesetz in Kraft, am Samstag galten bereits die neuen Regeln. Für Würzburgs Ladenbetreiber tat sich damit ein Problem auf: Ob sie am Samstag öffnen durften oder nicht, das war einen Tag vorher keineswegs klar.
Der Hintergrund: Bei einer Inzidenz von über 150 an drei aufeinander folgenden Tagen müssen die Geschäfte nach einem Karenztag schließen, erlaubt ist dann nur noch Abholung. Am Freitag lag die Inzidenz in Würzburg bei 137,6 – und damit unter 150. An den drei Tagen davor lag sie aber darüber. Aber welcher Dreitages-Zeitraum war nun beim Inkrafttreten der neuen Notbremse maßgeblich?
Den Würzburger Händlern blieben nur Stunden zum Reagieren
Erst am Freitagabend, nach einer auf der "Verkündungsplattform" der Staatsregierung veröffentlichten Bekanntmachung, war klar: Würzburgs Einzelhandel musste am Samstag schließen. Entscheidend, so viel stand dann endlich fest, seien der 20. bis 22. April, also jene drei Tage, an denen Würzburg über 150 lag.
Wer von den Händlern überhaupt davon erfuhr, dem blieben nur noch ein paar Stunden, um zu reagieren. Viele öffneten am Samstag ahnungslos ihre Läden.
Wolfgang Weier ist Geschäftsführer des Stadtmarketingvereins "Würzburg macht Spaß" (WümS), zu dessen 270 Mitgliedern viele Würzburger Einzelhändler zählen. Er machte noch am Freitagabend in einem Posting auf Facebook seiner Empörung Luft. Im Gespräch mit der Redaktion sagt er, was ihn beim Umgang der Politik mit den Einzelhändlern ärgert.
Wolfgang Weier: Als absolut unbefriedigend. Wir sind als Stadtmarketing-Verband darauf angewiesen, dass wir Informationen bekommen, die wir an die Unternehmer weitergeben können. Wenn dann bis Nachmittag die Internetseite des Gesundheitsministeriums nicht erreichbar ist und die Würzburger Behörden darauf hinweisen, dass es die benötigten Informationen auf dieser Seite gibt, ist das nicht unbedingt stimmungserhellend. Zwar war die Seite des Ministeriums am Nachmittag wieder erreichbar, aber weiterhin ohne die relevanten Infos. Die kamen erst um 18.20 Uhr.
Weier: Ich habe immer wieder auf der Internetseite nachgesehen, andere Händler auch. Und am Abend hat mich dann ein Händler benachrichtigt, dass die Infos jetzt online seien.
Weier: Ich habe nur gedacht: Das darf doch nicht wahr sein! Ich habe dann versucht, diejenigen Ladenbetreiber, mit denen ich tagsüber Kontakt hatte, per Mail, Telefon oder Sms zu erreichen. Aber wir haben mehrere hundert Händler in Würzburg – das war chancenlos. Viele haben es auch nicht mitbekommen. Das hat man auch am Samstag gemerkt.
Weier: Resignation, Enttäuschung, Fassungslosigkeit, Wut – da war das komplette Spektrum dabei.
Weier: Die Läden müssen damit rechnen, dass, wenn jemand vom Ordnungsamt oder der Polizei vorbeikommt, es eine Verwarnung oder auch ein Bußgeld gibt. Und die Bußgelder können drastisch hoch ausfallen. Grundsätzlich gilt zwar, dass Unwissenheit nicht vor Strafe schützt, aber in dem Fall kann man keinem Unternehmer zumuten, dass er am Freitagabend auf eine bayerische Verkündigungs-Webseite schaut. Offenbar erwartet die Staatsregierung, dass Unternehmer nichts anderes zu tun haben. Ich finde das unsäglich. Solche Regelungen am Freitag nach 18 Uhr zu verkünden, ist ein No-Go. Wäre ich in dieser Situation ein Einzelhändler und wäre am Samstag kontrolliert worden, würde ich das Bußgeld nicht bezahlen sondern es auf einen Rechtsstreit ankommen lassen.
Weier: Es ist ja nicht damit getan, den Schlüssel umzudrehen und morgens den Laden aufzusperren. Man hat Mitarbeiter eingeteilt, denen man nicht so kurzfristig absagen kann. Die stehen vor der Tür und wollen trotzdem ihre Arbeitszeit bezahlt haben. Man hat durch das Terminshopping Termine mit Kunden ausgemacht, die man wieder absagen muss. Dann ist der Kunde verärgert. Ein verärgerter Kunde bedeutet in der Zukunft weniger Umsatz, weil er vielleicht nicht wiederkommt. Das zieht einen ganzen Rattenschwanz an Folgen nach sich.
Weier: Nein, noch nie. Bisher gab es bei den Entscheidungen in der Corona-Krise einige Tage Übergangsfrist, in denen die Unternehmen sich auf neue Gegebenheiten einstellen konnten. Dass diese sogenannte Bundesnotbremse innerhalb von so kurzer Zeit umgesetzt wurde und dann diejenigen, die die wichtigen Details verkünden sollten, einen halben Tag nicht erreichbar waren – das ist schon eine ganz krasse Nummer.
Weier: Ich war mein halbes Leben selbstständig und bin dies im Nebengewerbe auch jetzt immer noch. Diese Entscheidungen sind einfach realitätsfern! Von mehreren Unternehmern habe ich gehört: Würden wir unsere Unternehmen so führen, wie die Bundes-und Staatsregierung im vergangenen halben Jahr in der Corona-Krise agiert hat, dann wären wir alle schon längst pleite.
Weier: Ähnlich wie in der Gesamtbevölkerung. Man ist inzwischen 'mütend', also müde und wütend zugleich. 'Würzburg mach Spaß' besteht ja nicht nur aus Handel, sondern es sind auch viele Dienstleister, Veranstalter, Gastronomen und Hoteliers dabei. Von Corona ist jeder Unternehmer betroffen. Am Anfang waren alle geschockt, dass es eine Pandemie gibt. Bis in den Oktober hinein wurden sämtliche Maßnahmen und finanziellen Einbußen von der Unternehmerschaft mitgetragen.
Weier: Den ersten Stimmungsumschwung habe ich im Oktober beobachtet, wobei man da noch die Hoffnung hatte, dass es im nächsten Jahr besser wird. Dann kam der Kaugummi-Lockdown, der als Lockdown light angekündigt und dann zum harten Lockdown wurde. Ab Mitte Januar ist die Stimmung endgültig gekippt. Existenzängste wurden schlimmer und werden von Woche zu Woche konkreter. Die kommende Woche "Click&Collect" bedeutet erneut krasse Umsatzeinbußen – und das, nachdem man mit dem Terminshopping in den letzten Wochen schon niedrige Frequenzen hinter sich hat. Es ist für die Unternehmer fast nicht mehr erträglich. Und ein paar haben schon aufgegeben.
Weier: Man kann nicht in die Kristallkugel schauen und sehen, wen es am Ende trifft. Die Existenznöte werden immer größer. Viele haben ihre private Altersvorsorge aufgelöst oder auf das bereits abbezahlte Haus eine Hypothek aufgenommen und dieses Geld wieder ins Unternehmen gesteckt. Aber auch das ist endlich und die Banken sind bei der Kreditvergabe für den Handel zurzeit nicht gerade risikofreudig. Es wird noch einige treffen. Vielleicht nicht in den nächsten paar Monaten, aber es ist wie ein Sterben auf Raten. Als Spätfolge der Pandemie werden Unternehmer erst im nächsten oder übernächsten Jahr realisieren, dass sie zu viel Hoffnung hatten und man viel eher einen Schlussstrich hätte ziehen müssen. Aber gerade inhabergeführte Geschäfte wurden teilweise über Generationen aufgebaut. Das gibt man nicht so einfach auf.
Weier: Vertrauen! Egal ob in Einzelhandel, Gastronomie oder Veranstaltungsbranche. Nach den Aussagen der Aerosolforscher scheint inzwischen erwiesen, dass Ansteckungen an der frischen Luft so gut wie nicht vorkommen. Ebenso belegen mehrere Studien, dass das Ansteckungsrisiko im Handel geringer ist als im privaten Bereich. Deshalb wäre mein größter Wunsch, dass die Politik sich diesen Erkenntnissen nicht verschließt und das Vertrauen in die Unternehmerschaft wiedergewinnt.
Wir hatten zumindest am Freitagabend um 21 Uhr die relevanten Infos im Internet gefunden.
Leider hat die Stadt Würzburg auf ihrer die Homepage (die ja als offizielle Infoquelle für die inzidenzabhängigen Regelungen dienen soll) bis heute morgen um 8:30 Uhr keine Verlautbarung veröffentlicht. Es stand dort seit Freitagabend, dass die Infos auf Basis des geänderten Infektionsschutzgesetzes noch überarbeitet werden. Hat der OB seine zuständigen MitarbeiterInnen evtl. mit Absicht ins lange Wochenende geschickt oder gar nicht mitbekommen, dass ab Freitag eine neue Gesetzeslage mit Auswirkungen auf Würzburg besteht?
Die finanziellen Mittel sind bei vielen aufgebraucht, nicht wenige Branchen haben seit Frühjahr 2020 null Einkommen und keinerlei Aussicht, dass sich dies ändern wird. Banken prüfen genau ob sie Geld vergeben wollen und auch ein schuldenfreies Haus als Sicherheit besagt nicht, dass man Geld bekommt. Banken sind zur Zeit an der eventuellen Verwertung einer Immobilie nicht interessiert! Wir werden reihenweise Insolvenzen zu beklagen haben mit den entsprechenden Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Wer heute noch ein sicheres Einkommen hat kann sich glücklich schätzen!
hauptsache politiker haben ihre sicheren pauschalen!
Bei den Schuhen verhält es sich genauso, und zwar von Anfang an. Selbst am Ferienende kommen die neuen Informationen regelmäßig mit Vorliebe erst am Freitagabend. Dies ist für alle Beteiligten eine Zumutung. Die vielfachen Versprechungen, dass man es besser machen würde, wurden bislang nicht eingehalten.
Bleibt zu hoffen, dass die Lichter in Würzburg nicht ausgehen werden.
...("ich nehme nicht mehr an diesem Wahnsinn teil") wollen Sie auswandern?