Nothilfe rund um die Uhr: Für psychisch kranke Menschen sollen in den nächsten zweieinhalb Jahren bayernweit Krisendienste entstehen. Damit setzen die Bezirke Vorgaben des umstrittenen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes (PsychKHG) um. Bis zum 1. Juli 2021 würden die Dienste mit zentralen Leitstellen und mobilen Einsatzteams flächendeckend aufgebaut, sagt Franz Löffler, Präsident des Bayerischen Bezirketages. Der Freistaat zahlt dabei 7,7 Millionen Euro pro Jahr für die Leitstellen. Den Rest schultern die Bezirke. Das sei gefährlich, warnen die Grünen. Hängt die Qualität der Krisenhilfe so vom Geldbeutel der Bezirke ab?
Aus Sicht der Grünen-Landtagsabgeordneten Kerstin Celina aus Kürnach (Lkr. Würzburg) ist genau das die Gefahr. "Nur die Leitstellen zu stellen, ist zu wenig", sagt die Sozialpolitikerin. Stattdessen müsse die Staatsregierung "das Gesamtkonstrukt im Auge behalten" und dafür sorgen, dass auch in der Fläche Fachkräfte für die mobilen Teams zeitnah zur Verfügung stünden. Nötig seien einheitliche Standards auf einem möglichst hohen fachlichen Level. Noch, so Celinas Befürchtung, laufe die Umsetzung des Gesetzes in den Bezirken sehr unterschiedlich.
Beschlossen wurde das Gesetz im Sommer 2018. Vorausgegangen waren massive Proteste. Vor allem eine geplante Zentraldatei, die alle zwangsweise in der Psychiatrie untergebrachten Patienten erfassen sollte, löste Empörung aus. Der Vorwurf: Kranke würden stigmatisiert. Die CSU milderte daraufhin ihren Entwurf ab.Statt der Datei gibt es nun ein anonymes Meldeverfahren. Geblieben ist der sogenannte Hilfeteil des Gesetzes. Er sieht den Aufbau der Krisendienste vor, die im Notfall immer erreichbar sind.
Bisher habe es da eine Versorgungslücke gegeben, sagt Bezirketags-Präsident Löffler. Psychisch Kranke, die nachts oder am Wochenende Hilfe brauchten, hätten häufig bei der Polizei angerufen. Die Beamten seien jedoch nicht dafür ausgebildet, Männer und Frauen in psychischen Notlagen zu helfen. Hier sollen die Krisendienste das bestehende Versorgungssystem ergänzen, heißt es aus dem bayerischen Gesundheitsministerium. In Oberbayern und Mittelfranken funktioniere das bereits. Die anderen Bezirke sollen folgen. Wie, das ist allerdings noch unklar. Der Rahmen zur konkreten Ausgestaltung wird "derzeit in Gesprächen zwischen Gesundheitsministerium und Bezirketag abgestimmt", teilt Ministerin Melanie Huml (CSU) auf Anfrage mit.
Laut Bezirketag haben die bestehenden Krisendienste einheitliche Qualitätsstandards vorgeschlagen. Dabei gehe es etwa um die Qualifizierung der Mitarbeiter oder die Vernetzung. Der Vorschlag werde nun geprüft und soll im Mai verabschiedet werden.
Fest steht bisher: Pro Bezirk gibt es eine Leitstelle, in der Fachkräfte wie Psychologen und Sozialpädagogen rund um die Uhr per Notfallnummer erreichbar sind. Die Experten schätzen am Telefon ein, was zu tun ist, und schicken bei Bedarf ein mobiles Einsatzteam zu den Hilfesuchenden. Da aber auch die Teams speziell ausgebildet sein müssen, stehen die Bezirke vor der Herausforderung, genug Fachkräfte zu finden. Und: "Welche finanziellen Belastungen auf die Bezirke zukommen werden, lässt sich noch nicht beziffern", so Löffler.
Das gilt auch für Unterfranken. Wo und wie die Leitstelle in der Region aufgebaut werden soll, wie viele Einsatzteams es geben wird, was das kostet – all das sei noch völlig offen, sagt Bezirkssprecher Markus Mauritz. Zwar wurde eine Projektgruppe "Krisennetzwerk Unterfranken" gegründet, in der unter anderem Vertreter der beiden psychiatrischen Kliniken in Lohr und Werneck sitzen. Die Gruppe plane und steuere die Umsetzung des Gesetzes. Festlegungen gebe es aber noch keine. Ein Grund: "Die Bezirke sind nicht so einheitlich, wie man sich das vorstellt", sagt Mauritz.
Für die Grünen-Bezirksräte läuft die Einrichtung der Krisendienste in der Region schlicht zu schleppend. Und zu intransparent. Klare Antworten auf ihre Fragen an die Sozialverwaltung hätten sie nicht bekommen. "Von einer konkreten Umsetzung sind wir in Unterfranken scheinbar noch weit entfernt", folgert Bärbel Imhof, Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bezirkstag. "Im Vergleich zu anderen Bezirken sind wir einfach hintendran."