Wie werden psychisch kranke Menschen in Bayern betreut? Das soll künftig das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (PsychKHG) regeln. Ziele sind beispielsweise flächendeckende Krisendienste oder eine Reform der Zwangseinweisungen.
Aber es geht auch um eine Gratwanderung: Einerseits dürfen psychisch Kranke nicht per se als potenzielle Straftäter stigmatisiert werden. Andererseits soll die Öffentlichkeit vor Kranken, die andere gefährden könnten, geschützt werden. Der Gesetzentwurf wird von Experten harsch kritisiert.
Daten von Betroffenen werden für fünf Jahre gespeichert
„Es kann nicht im Sinne einer Entstigmatisierung sein, wenn die Krankheitsdaten bei der Polizei und der Kreisverwaltungsbehörde ausliegen“, sagt Josef Mederer, Präsident des Bayerischen Bezirketags. So aber ist es geplant: Wer künftig bei einer Krise in eine Psychiatrie eingewiesen wird, egal wie lange, dessen Daten werden erfasst und fünf Jahre gespeichert. Aus Sicht der Bezirke, deren Kernaufgabe die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen im Freistaat ist, setzt das Kranke mit Kriminellen gleich.
Der Hilfsgedanke gehe verloren, sagt Mederer. Von insgesamt 39 Artikeln des PsychKHG behandeln vier die „Stärkung der psychiatrischen Versorgung“. 35 regeln die öffentlich-rechtliche Unterbringung neu. Nicht nur die Voraussetzungen für Einweisungen. Sondern beispielsweise auch, wann Telefonate oder Besuche überwacht werden dürfen, wann Fixierungen nötig oder Durchsuchungen erlaubt sind.
Entstanden ist ein „echtes Polizeigesetz“
„Hier ist ein echtes Polizeigesetz entstanden, das mit der Unterstützung psychisch Kranker gar nichts zu tun hat“, sagt Professor Dominikus Bönsch, Ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses Lohr (Lkr. Main-Spessart) und des Zentrums für Seelische Gesundheit in Würzburg. Den Gesetzentwurf hält er für eine „Katastrophe“, Psychiatrien sollten damit quasi Polizeiaufgaben übernehmen. „Es ist ein Super-Gau für psychisch kranke Menschen und ein Rückschritt auf allen Ebenen.“
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hingegen hat den Entwurf am Dienstag gegen Kritik verteidigt. „Wir wollen niemanden stigmatisieren und nehmen die Bedenken ernst“, sagte Söder nach einer Kabinettssitzung in München. Der Schutz der Bevölkerung und der Betroffenen seien wichtige Güter, dem solle im Gesetz Rechnung getragen werden.
Zwangseinweisungen sollen vermieden werden
Das PsychKHG soll das bisher in Bayern geltende Unterbringungsgesetz von 1992 ablösen und mehr Transparenz und Rechtssicherheit für die Betroffenen und Kliniken schaffen. Ziel sei es, „die Versorgung von Menschen in akuten psychischen Notlagen zu verbessern“, teilte Gesundheitsministerin Melanie Huml auf Anfrage mit. So sollen stationäre psychiatrische Einweisungen „auf das absolute Mindestmaß verringert werden“.
Im vergangenen Jahr wurden laut Ministerium in den ersten drei Quartalen 1054 öffentlich-rechtliche Unterbringungen in Bayern angeordnet. Zu viele, sagt Mederer. Sie seien ein massiver Eingriff in die Freiheitsrechte. Lasse sich eine Einweisung nicht vermeiden, müssten die Regeln dafür deutlicher von Strafrecht und Maßregelvollzug abgegrenzt werden. Psychisch kranke Menschen dürften keinesfalls generell als Gefahr für die öffentliche Sicherheit betrachtet werden, so Mederer.
Geplant ist ein Krisendienst ähnlich einer Leitstelle
Alternativ fordern die Bezirke, Präventionsangebote auszubauen. Wie die neuen Krisendienste. Diese sollen ähnlich einer Leitstelle rund um die Uhr per Notfallrufnummer erreichbar sein. Ohne lange Wartezeiten würden Termine bei einem Therapeuten vermittelt. „Sollte das nicht ausreichen, gibt es den mobilen Krisendienst, der zu Hilfesuchenden fährt und deeskalierend wirkt“, sagt Mederer. In Oberbayern und Mittelfranken beispielsweise seien solche Dienste bereits installiert. Nur: Wie die Angebote bayernweit finanziert werden sollen, bleibe in dem Entwurf offen, kritisiert Dominikus Bönsch.
In Unterfranken wird die Versorgung nach Angaben des Ärztlichen Direktors momentan häufig von Kliniken und Ambulanzen übernommen. So haben zum Beispiel im Jahr 2017 allein in den Einrichtungen des Bezirks in Lohr und Werneck (Lkr. Schweinfurt) mehr als 9000 psychisch Kranke stationär Hilfe gesucht. Hinzu kommen ambulante Behandlungen. Einen telefonischen Krisendienst gibt es bisher nur in Würzburg.
Bei einer akuten Gefährdung wird die Polizei alarmiert
Dieser funktioniert ähnlich der geplanten Krisendienste: Unter einer Notrufnummer sind Gesprächspartner zu festen Zeiten erreichbar. Etwa 500 Klienten hätten sie pro Jahr, sagt die stellvertretende Leiterin Sonja Liebig. Aber lassen sich so Taten wie die gefährliche Irrfahrt eines Mannes mit einem gestohlenen Lieferwagen in Würzburg verhindern? „Wenn jemand droht, sich umzubringen und andere mitzunehmen, dann wird das an die Polizei gemeldet“, sagt Liebig. Wie konkret eine Gefährdung ist, „muss man aufgrund seiner Erfahrung einschätzen“. Das Problem: Längst nicht alle Verzweifelten suchen Hilfe bei Krisendiensten.
Und folgt man den Argumenten der bayerischen Oppositionsparteien, werden es durch das neue Gesetz eher weniger. Depressive Menschen würden wie Straftäter behandelt, kritisiert etwa die FDP und die Würzburger Grünen-Abgeordnete Kerstin Celina warnt vor „Stigmatisierung pur“. Söder kündigte an, dass die Regierung bei der anstehenden Beratung des Gesetzentwurfs im Landtag „offen für Veränderungen“ sei. Dies gelte für Detailfragen, „aber die Grundrichtung wollen wir erhalten“. Am 24. April findet im Landtag eine Expertenanhörung zu dem Entwurf statt. Die erste Lesung im Parlament ist für diesen Mittwoch geplant.
Man sollte sich wirklich überlegen, ob man es sich leisten kann, nicht zur Wahl zu gehen und man sollte sich sehr genau überlegen, wo man sein Kreuzchen macht.