Eines steht fest: Für Frauen, die Gewalt erfahren, gibt es generell zu wenig Plätze in Frauenhäusern. Die beiden Möglichkeiten in Würzburg sind eigentlich immer voll. Zwischen 90 000 und 140 000 Frauen sind bayernweit laut einer Bedarfsermittlung des Ministeriums für Familie, Arbeit und Soziales von häuslicher Gewalt betroffen. Wie viele Frauen es tatsächlich sind, lässt sich schwer feststellen. Die Dunkelziffer ist zu groß.
Im Würzburger Frauenhaus, das vom Sozialdienst katholischer Frauen (SKF) geführt wird, gebe es aktuell sechs Plätze für Frauen und sechs für Kinder. "Drei Viertel der Frauen könnten nicht aufgenommen werden", sagte Frauenhausleiterin Franziska Boes am Montag im Kreistag des Landkreises Würzburg. Im zweiten Frauenhaus, das die Arbeiterwohlfahrt unterhält, können seit Februar dieses Jahres zehn Frauen und zehn Kinder Schutz finden. Immer noch zu wenige, denn das bayerische Sozialministerium sieht für die Region zwei - dazu gehören die Stadt und der Landkreis Würzburg, sowie Main-Spessart und Kitzingen - einen Bedarf von 19,44 Plätzen.
Bietet ein sichtbares Frauenhaus den Betroffenen ausreichend Schutz und Sicherheit?
In Randersacker hat sich nun der Kreistag am Montag intensiv mit der Frage beschäftigt, ob ein weiteres, ein sichtbares Frauenhaus im Landkreis Würzburg, möglich und politisch gewollt ist. In Giebelstadt, auf dem nicht mehr genutzten Areal des Kreisbauhofs, könnte eine solche Möglichkeit für Frauen, die in Not sind, entstehen. Allerdings als sichtbares Frauenhaus, das anders als die beiden Häuser in Würzburg, im Ort als solches bekannt ist. Ist damit die Schutz- und Sicherheitsfunktion, die Betroffene in einem Frauenhaus suchen, überhaupt noch gegeben?
Franzsika Boes meint ja, denn für die objektive Sicherheit der Bewohnerinnen und ihrer Kinder würde gesorgt. Frauen ohne hohes Risiko könnten hier gut unterkommen, meint Boes und sieht den Vorteil darin, dass sich Frauen und Kinder nicht mehr verstecken müssten und auch ältere Söhne könnten in den Apartments mit untergebracht werden. Freundschaften könnten bestehen bleiben, Besuch wäre möglich und die Frauen hätten eine Meldeadresse, die sie für die Eröffnung eines Bankkontos bräuchten.
"Gewalt gegen Frauen muss nicht zwangsläufig versteckt werden", meinte die Frauenhausleiterin. Landrat Thomas Eberth sieht einen weiteren Vorteil: "Vielleicht können wir Frauen so eine Möglichkeit geben, aus ihrem Martyrium heraus zu finden."
Polizei sieht ein sichtbares Frauenhaus in Giebelstadt eher skeptisch
Um die Sicherheit der Frauen besorgt ist Johannes Streib, stellvertretender Leiter für Kriminalitätsbekämpfung beim Polizeipräsidium Unterfranken. Für ihn stünde ein sichtbares Frauenhaus im Widerspruch zu einem anonymen Frauenhaus, denn "Schutz lebt durch Anonymität." Für eine polizeiliche Bewertung komme es darauf an, wo steht das Frauenhaus und wer nimmt die individuelle Gefährdungsbewertung vor.
Beschäftigte des künftigen Trägers, im Gespräch ist die SKF, möchten nach einem standardisierten Verfahren die Gefährdungslage der Frauen einschätzen. Betroffene mit hohem Risiko würden nicht in das mögliche Frauenhaus in Giebelstadt aufgenommen. Aber, wenn diese Einschätzung mal daneben liegt, "könnte es eng werden", so Streib. Anders sei dies beispielweise bei einem ähnlichen Modell in Lübeck. Dort seien über 80 Prozent der Bewohnerinnen nicht aus der Region und in der unmittelbaren Umgebung würden sich drei Polizeidienststellen befinden. "Da kann regelmäßig eine Streife vorbeifahren, in Giebelstadt ist das eher schwierig."
Gemeinde Giebelstadt "reißt" sich nicht um das Frauenhaus, will es aber mittragen
Offen gibt Giebelstadts Bürgermeister Helmut Krämer zu, dass sich die Gemeinde "ganz sicher nicht um das Frauenhaus reißen wird". Auch, weil es eine zusätzliche Belastung für Kindergarten und Schule sei und niemand absehen könnte, wie sich das Pilotprojekt entwickeln wird. Und auch, weil die Polizeiinspektion Ochsenfurt große Bedenken habe. Aber, "unter der Voraussetzung, dass es eine gemeinsame Aufgabe ist", sei der Gemeinderat dafür offen.
Und was sagen die politisch Verantwortlichen? Volkmar Halbleib (SPD) sieht einen "signifikanten Mangel an Frauenhausplätzen" und glaubt, den Weg eines sichtbaren Frauenhauses gehen zu können. Es muss aber der Verbund in der Region zwei und damit eine gemeinsame Finanzierung erhalten bleiben und, "es ist wichtig, dass sich der Freistaat Bayern an den Betriebskosten beteiligt". Der Neubau wird mit 90 Prozent aus Bundesmitteln gefördert.
Große Mehrheit für ein sichtbares Frauenhaus
Auch die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen "steht voll hinter dem Projekt", sagte Karen Heußner. Auch ihren Kolleginnen und Kollegen sei wichtig, dass der Konsens zwischen den Kostenträgern nicht ins Wanken gerät. Sollten sich die Stadt Würzburg und die Landkreise Main-Spessart und Kitzingen aber nicht beteiligen wollen, "dann sollte das Konzept vom Landkreis alleine weitergeführt werden", sagte sie. Ähnlich sieht es Hans Fiederling, Fraktionschef der UWG/FW. "Wenn wir die Diskussion offen führen, kann daraus auch für viele Frauen Hilfe erwachsen."
Nicht ganz so einig war sich die CSU-Fraktion. Björn Jungbauer, schilderte seine Bedenken, die er als ehemaliger Polizist hat. "Ein sichtbares Frauenhaus in Giebelstadt ist ein gutes Konzept, aber ist es nach den Ausführungen der Polizei auch der richtige Standort?" Er räumte aber auch ein, dass die Mehrheit seiner Fraktion dafür sei. Er würde viel lieber Wohnraum für die Frauen schaffen, damit sie nicht so lange in den Frauenhäusern bleiben müssten. "Wohnprojekte wären sinnvoller als ein sichtbares Frauenhaus", stimmte Matthias Henneberger (ÖDP) zu.
Bei sieben Gegenstimmen schließlich stimmten die anwesenden 57 Kreisrätinnen und -räte für den Neubau eines Frauenhauses in Giebelstadt, allerdings unter der Bedingung, dass der Bau und die Betriebskosten gefördert und sich alle Kostenträger in der Region zwei beteiligen werden. Und, wie ist die Tendenz bei den Kostenträgern? "Bei einem anonymen Frauenhaus würden sie eher nicht mitgehen. Die Fachleute in den Ämtern sind eher für das neue Konzept, die Diskussion in den Gremien ist noch offen", schätzt Landrat Eberth die Situation ein.
Hilfe bei Gewalt gegen Frauen: Das Frauenhaus der AWO bietet telefonische Sprechzeiten, montags bis donnerstags von 10 bis 16 Uhr und freitags von 10 bis 14 Uhr unter der Rufnummer (0931) 61 98 10. Das Frauenhaus im SkF e.V. Würzburg ist erreichbar von Montag bis Donnerstag 10 bis 16 Uhr und freitags bis 14 Uhr unter (0931) 45 007 77. Das Nottelefon "Gewalt gegen Frauen" ist unter der Rufnummer (0800) 011 60 16 durchgängig erreichbar.