Der Zuspruch und Beifall während der Corona-Krise genügt nicht. Für Pfleger, Ärzte und all diejenigen, die gegen das Virus kämpfen, war er symbolische Anerkennung. Aber: "Der Applaus wird schnell verhallen", sagt Walter Herberth, Oberpflegeamtsdirektor der Würzburger Stiftung Juliusspital. Die Pandemie habe auch in der Region deutlich gezeigt: Die Krankenhausversorgung braucht Reformen – und zwar dringend.
Genau darum geht es an diesem Abend beim ersten "Klinikschoppen" in den Weinstuben des Juliusspitals. Vertreter von zwölf unterfränkischen Krankenhäusern unter öffentlich-rechtlicher und frei-gemeinnütziger Trägerschaft sind gekommen. Ein Querschnitt durch die Kliniklandschaft - von Schweinfurt bis Ochsenfurt, von Würzburg bis in die Haßberge. Mit dem "Klinikschoppen", der mehr sein soll als ein Stammtisch-Treffen, "wollen wir unseren Häusern eine Stimme geben", sagt Herberth. Ziel sei es, durch das Gespräch mit Politik, Verwaltung und Krankenkassen Veränderungen zu bewirken. Hier in der Region, vor Ort.
Finanzierungssystem und Personalmangel als Hauptprobleme der Kliniken
Die Fenster der Weinstuben stehen weit offen, draußen rattern Straßenbahnen vorbei, Passanten lachen. Auf dem Corona-Höhepunkt herrschte rund um das Juliusspital Stille. Das ist überstanden, die Region habe die Pandemie bisher gut gemeistert. "Wir haben gezeigt, dass wir die wichtige Versorgung für die Bevölkerung leisten können", sagt Jürgen Winter, Geschäftsführer des Leopoldina-Krankenhauses Schweinfurt. Zeit also, in die Offensive zu gehen.
Konkret benennen die Kliniken an diesem Abend vier Punkte, an denen das System aus ihrer Sicht krankt. Zuallererst die Finanzierung der Krankenhäuser, die in der Krise kaum die Kosten habe decken können. Aber auch den Personalmangel, die Rolle der privaten Träger und den Einfluss der Krankenkassen.
"Es stellt sich die Frage, was kann und will sich die Gesellschaft an stationärer Versorgung leisten – gerade in der Fläche", sagt Alexander Schraml, Vorstand des Kommunalunternehmens des Landkreises Würzburg und Geschäftsführer der Main-Klinik Ochsenfurt. Es geht ums Geld: Die Kliniken dringen unter anderem darauf, dass Investitionen vollständig refinanziert werden und das Fallpauschalen-System reformiert wird.
Neu ist diese Forderung nicht, bundesweit wird seit vielen Jahren über die Fallpauschalen gestritten. Wenn aber der Dachverband, die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) solche Probleme diskutiere, sei das oft zu abstrakt, sagt Karsten Eck, Krankenhausdirektor des König-Ludwig-Hauses in Würzburg. Beim "Klinikschoppen" wolle man Schwierigkeiten greifbar machen und lokale Entscheidungsträger direkt ansprechen. "Nicht immer im Schmusekurs", warnt Main-Klinik-Chef Schraml.
Beispiel Pflegekräftemangel. "Das Lob, das wir in den letzten Wochen gehört haben, muss umgesetzt werden", mahnt Jürgen Winter vom Leopoldina. Vor allem, indem man den Arbeitsalltag der Pflegekräfte erleichtere, Bürokratie abbaue, das Hamsterrad stoppe.
Beispiel zwei: die Notfallversorgung. Auch hier hake es, bei der Finanzierung wie der Zuständigkeit. Besonders die geplanten integrierten Notfallzentren sorgen in Unterfranken für Unmut. Diese Zentren sollen unter Leitung der Kassenärztlichen Vereinigungen stehen – aber die Hoheit im eigenen Haus aus der Hand geben, will keine Klinik. "Wir sind der Meinung, wir können das besser", sagt Winter.
Deutliche Kritik an privat getragenen Krankenhäusern in der Corona-Krise
Ebenso deutlich ist die Kritik an der Rolle der privat getragenen Krankenhäuser in der Corona-Pandemie. Intensivbetten seien dort beispielsweise teils nur zögerlich frei gehalten worden, heißt es in der Runde.
Generell habe die Krise den großen wirtschaftliche Druck auf Kliniken offenbart, sagt Jürgen Winter. Etwa beim Thema Schutzausstattung. Kein Geschäftsführer könne es sich leisten, große Lagerbestände in seinen Bilanzen zu haben. Jetzt sei der richtige Zeitpunkt, diese Bedingungen zu hinterfragen. Ähnliches hatte zuletzt auch der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, gefordert. Krankenhäuser seien keine Unternehmen, in denen man nur die Auslastung optimiere. Stattdessen müsse es einen ständigen Krisen-Puffer bei den Kliniken geben.
Tatsächlich tauge das bestehende Finanzierungssystem nicht, um Krankheiten wie Covid-19 abzubilden, sagt Volker Sauer, Geschäftsführer des Klinikums Würzburg Mitte. "Eine Fallpauschale für Corona wird nie das auffangen, was wir tatsächlich brauchen."
Lösungen für diese Probleme bereits auf regionaler Ebene anzustoßen, darum soll es künftig regelmäßig beim Klinikschoppen gehen. Die Hoffnung: Dass sich so mehr verändert, als durch symbolischen Applaus.