Endlich hat sich der SV Würzburg 05 zu den Vorwürfen im Fall Stefan Lurz geäußert. Es sei unmoralisch und unsensibel den Opfern gegenüber, einen verurteilten Sexualstraftäter weiter im Verein zu beschäftigen, waren sich zahlreiche Menschen einig, nachdem über das Anstellungsverhältnis des ehemaligen Trainers in einer vielbeachteten ARD-Dokumentation über Missbrauch im Schwimmsport berichtet worden war.
Die Kritik ist verständlich. Wer sexuelle Übergriffe – egal in welcher Form – erlebt hat, der leidet vielfach unter psychischen Folgen, die man niemandem wünscht. Angstzustände, Essstörungen und ein Abspalten der eigenen Gefühle können Auswirkungen solcher Vergehen sein. Gleich ob schwere Form des sexuellen Missbrauchs oder verbale sexuelle Anspielungen und Anzüglichkeiten – unterschieden wird die Schwere der Tat nur im juristischen Sinne. Die Folgen für die Betroffenen sind so oder so gravierend. Ihnen gebührt der höchstmögliche Schutz. Sie Situationen auszusetzen, in der sie einem Täter immer wieder über den Weg laufen müssen, ist nicht zu verantworten.
Stefan Lurz ist für den sexuellen Missbrauch einer Schutzbefohlenen in zwei Fällen rechtskräftig verurteilt worden. Er hat die Chance, sich zu bewähren. Dies hatten die SVW-Verantwortlichen wohl bei seiner Einstellung im Sinn. Sicher ist: Eine Tätigkeit an anderer Stelle, abseits des Wolfgang-Adami-Bads und außerhalb des Vereins, wäre das richtige gewesen. Hier hat sich der SV Würzburg 05 falsch entschieden.
Der SV Würzburg 05 hat zu spät auf die in der ARD-Dokumentation erhobenen Vorwürfe reagiert
Verhängnisvoll für die Nullfünfer sind zwei Dinge: Dass SVW-Präsident Thomas Lurz der Bruder des Verurteilten ist und sich somit den Vorwurf der familiären Klüngelei gefallen lassen muss, und dass der Verein so spät auf die in der ARD-Dokumentation erhobenen Vorwürfe reagiert hat. Es war das Mindeste, sich wenigstens jetzt zu Wort zu melden.
Im Sinne der eigenen Glaubwürdigkeit hätte es den Verantwortlichen aber noch besser zu Gesicht gestanden, mittelbar nach Ausstrahlung der Dokumentation Stellung zu beziehen. Und sich sofort klar gegen jegliche Form der Gewalt, vor allem sexuelle, zu positionieren. Es gab ausreichend Möglichkeiten, die eigenen Präventionsbemühungen zu erklären. Dass die Verantwortlichen dies nicht getan haben? Es lässt sich womöglich – wie auch das Verhalten von Thomas Lurz – mit Überforderung und einer groben Fehleinschätzung der Lage erklären.
Die Verantwortlichen haben die moralische Wucht des Themas unterschätzt
Vereinsvorstand und Präsident arbeiten ehrenamtlich, leiten die Geschicke eines der größten Vereine in Würzburg in ihrer Freizeit und ohne professionelle Strukturen, die eine schnelle Abstimmung und Reaktion leichter möglich machen. Die Verantwortlichen waren sich offenbar nicht im Klaren, dass es eben nicht ausreicht, das Arbeitsverhältnis von Stefan Lurz im rechtlichen Sinn sauber "abzuwickeln". Sie haben schlicht die moralische Wucht, das Signal nach außen und erwartbaren Folgen unterschätzt. Und: Sie haben es an Fingerspitzengefühl missen lassen.
Wollen sie das Ansehen des Vereins retten, bleibt den Verantwortlichen nur, ab jetzt offen zu kommunizieren und die am Freitag angekündigte Aufarbeitung der vergangenen Jahre konsequent und ehrlich voranzutreiben.
Er hört sich aus Ihrem Mund aber tatsächlich wohlfeil an. Wäre es nicht Ihre Aufgabe gewesen, da schon viel eher kritisch nachzuhaken? Erst recht, wenn Sie schon seit Monaten davon wussten?
Ganz im Gegenteil: Sie haben bereits wenige Stunden, nachdem besagte Doku online abrufbar war, einen Bericht online gehabt. Mitsamt verteidigender Stellungnahmen aus dem Verein. Mindestens im Subtext, teilweise aber auch direkt, kritisieren sie selbst dort vor allem die Dokumentation und den Zeitpunkt der Ausstrahlung, nicht den Verein! Sich nun mehr als eine Woche später nun so zu äußern, ist irgendwie sehr unglaubwürdig. Journalisten sollten nicht Ihr Fähnchen einfach nur in den Wind halten, auch nicht Sportjournalisten.
Ich persönlich habe von der Anstellung von Stefan Lurz tatsächlich erst durch die Dokumentation erfahren. Ich fand es aber anständig darzustellen, dass der Verein eine andere Redaktion über die Anstellung informiert hatte, weil es nicht gerecht wäre, dem SVW05 in diesem Punkt mangelnde Transparenz vorzuwerfen. Dass wir nicht direkt im April nachgehakt haben ist definitiv ein Versäumnis.
Was meine Meinung zu dem Beitrag über den SVW05 in der ARD-Dokumentation betrifft: daran hat sich nicht viel geändert. Ich finde, dass hier sensationslüstern gearbeitet wurde. Es wurde suggeriert, das Anstellungsverhältnis sei im gesetzlichen Sinn unrechtmäßig. Erst am Ende wurde aufgelöst, dass es das nicht ist. Was sich aber natürlich stellt ist die moralische Frage. Zu der habe ich eine klare Meinung, die aber in einem Artikel, der kein Meinungsbeitrag ist, nichts zu suchen hatte und die Sie nun eben hier nachlesen können.
Warum hat die MP dann nicht gleich reagiert, wenn der Vorgang so skandalös ist (bei "Layla" ging's doch auch ganz schnell)? Dem Verein wird für Gleiches Säumigkeit vorgeworfen.
Mussten also jetzt erst die KollegInnen von der ARD einspringen und darauf aufmerksam machen, weil die Würzburger Presse es nicht von allein gemerkt hat?
So im Nachklapp den moralischen Zeigefinger zu heben, finde ich wenig überzeugend.
Diese Kehrtwende der Main-Post wirkt auf mich nun eher anbiedernd und geschäftstüchtig (schlechte Nachrichten machen Auflage also muss die Story am Leben gehalten werden).
oftmals einseitige berichterstattung bei der mp!
Mit freundlichen Grüßen
Ralf Zimmermann, Main-Post Digitales Management
Ivo Knahn
Wir sind hier nicht bei ProSieben. Wenn die ARD einem ein Mikro vorhält, dann wird das wohl auch gesendet. Die haben geniale Redaktionen, die Doku wurde bis zur Online-Veröffentlichung echt gut getarnt.