Ist die Versorgung mit Trinkwasser bis zum Jahr 2035 noch überall in Unterfranken gesichert? Dies war eine zentrale Frage des 16. "Wasserforums Unterfranken", einer virtuellen Fachtagung der Regierung. Knapp 300 Teilnehmer, darunter Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler), Vertreter aus Politik, Landwirtschaft, Weinbau sowie Wasser-Experten hatten sich zugeschaltet. Es sei unabdingbar, Geld in die Hand zu nehmen, um auch in Zukunft die Wassersicherheit in der Region zu garantieren, sagte Unterfrankens Regierungspräsident Dr. Eugen Ehmann.
Wie es heute und bis zum Jahr 2035 um die öffentliche Trinkwasserversorgung in Unterfranken bestellt ist, geht aus der "Wasserversorgungsbilanz 2035" hervor. Die Studie, die 2010 erarbeitet und nun inklusive aktueller Klimaszenarien des Landesamts für Umwelt fortgeschrieben wurde, wird gerade veröffentlicht.
Erste Ergebnisse stellte Axel Bauer, Leiter des Sachgebiets Wasserwirtschaft an der Regierung von Unterfranken, beim Wasserforum vor. Hier seine Antworten auf die größten Fragen.
Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Trinkwasserversorgung aus?
Es klingt alarmierend: Nach 18 zu trockenen Jahren von 2003 bis 2020 fehlen Unterfranken laut Bayerischem Landesamt für Umwelt (LfU) inzwischen mehr als 350 Liter neues Grundwasser pro Quadratmeter. "Es ist ein Defizit, das einzelne nasse Monate nicht ausgleichen können", sagt Axel Bauer. Und es wird noch trockener. Bis 2035 werden die Quellschüttungen in Unterfranken um bis zu 15 Prozent, das Wasserdargebot der Brunnen um fünf Prozent nachlassen. Zu diesem Ergebnis kommen Experten des LfU in der "Fallstudie Rhön".
Ist die Wasserversorgung in Unterfranken schon im nächsten Jahrzehnt gefährdet?
"Nein", sagt Bauer. Insgesamt gesehen gebe es auch 2035 in Unterfranken keinen Mangel an Trinkwasser. Oft sei das Wasser aber sehr ungleich in der Region verteilt. "Wir haben Gebiete, die vor allem von Quellen gespeist werden, da könnte es fallweise schon eng werden." Trinkwasser wird in der Region auf zwei Arten gewonnen: zum einen aus Grundwasser, das aus mehr als 560 Brunnen aus vielen Metern Tiefe hochgepumpt wird, und zum anderen aus über 200, meist oberflächennahen, Quellen.
Wie viel Wasser gibt es in Unterfranken und wie viel wird verbraucht?
120 Millionen Kubikmeter Wasser können heute nach bestehenden Wasserrechten jedes Jahr in Unterfranken gewonnen werden. Der Verbrauch liegt bei etwa 83 Millionen Kubikmeter Wasser. Im Trockenjahr 2018 waren es 86 Millionen. Davon wurden 82,5 Millionen in Unterfranken gewonnen und 3,5 Millionen Kubikmeter Fernwasser in die Region geleitet. Im System ist also aktuell pro Jahr eine Reserve von etwa 31 Prozent, die sich bis zum Jahr 2035 auf 27 Prozent reduzieren werde, so die Berechnungen. "Allerdings sind die Reserven in Unterfranken sehr ungleich verteilt", sagt der Wasser-Experte. Die Herausforderung sei, die Gebiete, in denen Wasser Mangelware ist, mit dem Rest der Region zu vernetzen.
Wo könnte das Wasser in Unterfranken bis 2035 knapp werden?
Kritisch werden könnte es bei Wasserversorgern in Rhön, Spessart und Odenwald, obwohl es dort über das Jahr gesehen mehr regnet als in der Fränkischen Trockenplatte zwischen Würzburg und Schweinfurt. "Das liegt vor allem an der Nutzung von oberflächennahen Quellen, die auf einzelne trockene Monate viel schneller reagieren als tiefliegende Brunnen", sagt Axel Bauer. Kleine Wasserversorger, die auf einzelne Quellen angewiesen sind, könnten Probleme bekommen.
Zu welchen Zeiten könnte das Wasser in Unterfranken bis zum Jahr 2035 knapp werden?
Knapp werden könnte es bis zum Jahr 2035 beim "Tagesspitzenbedarf", also an heißen Tagen, an denen besonders viel Wasser verbraucht wird, weil etwa viele Menschen duschen oder ihre Gärten mit Wasser aus dem öffentlichen Leitungsnetz, also mit Trinkwasser, gießen. Quellen schütten bei Trockenheit sehr schnell weniger Wasser. Es fällt also oft zusammen, dass Menschen einerseits am meisten Wasser verbrauchen, andererseits in der Natur am wenigsten Wasser zur Verfügung steht. An diesen Tagen schrumpft die Wasserreserve in Unterfranken auf sieben Prozent.
In welchen Landkreisen könnte das Wasser bis zum Jahr 2035 an heißen Tagen nicht mehr ausreichen?
Die geringste Wasserreserve im System, gemessen am Tagesspitzenbedarf, haben Wasserversorger im Raum Aschaffenburg und Miltenberg: einzelne Unternehmen sogar ein Defizit von bis zu 60 Prozent. Ein Wasserdefizit von mindestens 20 Prozent gibt es aber auch in einigen Bilanzgebieten in den Landkreisen Main-Spessart, Bad Kissingen, Rhön-Grabfeld, Haßberge, Würzburg, Kitzingen und Schweinfurt. Ein Bilanzgebiet ist das Gebiet, in denen ein Wasserversorger das Wasser über sein Leitungsnetz verteilt - unabhängig von Gemeinde- oder Landkreisgrenzen. In Unterfranken gibt es insgesamt 179 Bilanzgebiete.
Kommt im Extremfall kein Wasser mehr aus dem Wasserhahn?
Im Bayerischen Wald mussten im Trockenjahr 2018 Tankwagen das Trinkwasser von A nach B transportieren. In Unterfranken gab es das bis heute noch nicht, sagt Christian Guschker, Leiter der Aktion Grundwasserschutz in Unterfranken. Dass zu wenig Wasser im System ist, merke "der einzelne Bürger am Wasserhahn als Letzter", sagt Axel Bauer. Jeder Wasserversorger habe Spielräume in seinem Leitungsnetz und halte Reserven vor. Aber: "Man wird es im Extremfall merken, wenn ein Großbrand entsteht und die Hydranten nicht mehr genügend Wasser liefern." Puffer gebe es deshalb, damit im Ernstfall genügend Löschwasser zur Verfügung steht.
Was gefährdet die Versorgungssicherheit noch?
Als wäre der Wassermangel nicht genug, kommt noch ein zweites Problem hinzu, das die Versorgungssicherheit in Unterfranken stark einschränkt: die Infrastruktur. Denn wenn der einzige Brunnen einer Wasserversorgung ausfällt, kommt auch kein Wasser mehr aus dem Wasserhahn. Selbst Wasserversorger, die mehrere Brunnen, aber nur ein Gewinnungsgebiet haben, kämen ins Schwitzen, wenn bei einem Unfall Öl im Wasserschutzgebiet ausläuft, erklärt Christian Guschker. Vor allem kleine Wasserversorger, die nur ein Standbein haben, seien gefährdet. Besonders dann, wenn ihre Anlagen veraltet sind. In Unterfranken gibt es 308 Einzelunternehmen (meist Gemeinden), die die Menschen mit Trinkwasser versorgen.
In welchen Landkreisen ist die Versorgungssicherheit bis 2035 gefährdet?
Betroffen sind vor allem die Einwohner des Landkreises Main-Spessart. Dort gilt die Versorgungssicherheit in 16 Bilanzgebieten als "stark eingeschränkt". Gefährdet ist die Versorgungssicherheit außerdem in einigen Gebieten in den Landkreisen Aschaffenburg, Haßberge, Rhön-Grabfeld, Miltenberg, Würzburg, Bad Kissingen, Schweinfurt und Kitzingen. Selbst wenn es also in einem Gebiet genügend Wasser, aber keine Alternativen bei einem technischem Ausfall der Anlagen gibt, gilt die Versorgungssicherheit als eingeschränkt oder stark eingeschränkt. Dies trifft auf 67 Prozent aller Bilanzgebiete Unterfrankens im Jahr 2035 zu.
Wie viele Menschen in Unterfranken sind betroffen?
Da die 30 großen Wasserversorger in Unterfranken mehrere Standbeine haben und meist zur Not auch Fernwasser beziehen können, ist die Trinkwasserversorgung für etwa drei Viertel aller Einwohner Unterfrankens bis 2035 laut Wasserversorgungsbilanz gesichert. Gebiete gelten als "uneingeschränkt sicher", in denen es entweder mehrere Gewinnungsanlagen gibt oder auch Fernwasser bezogen werden kann und zudem ausreichend Wasserreserven vorhanden sind. Bei einem Viertel der Einwohner Unterfrankens ist die Versorgungssicherheit eingeschränkt oder sogar stark eingeschränkt. Betroffen sind vor allem diejenigen, die ihr Trinkwasser von kleinen Wasserversorgern beziehen.
Was muss getan werden, um die Wasserversorgung in Zukunft zu sichern?
Axel Bauers Rat: Kleine Wasserversorger sollten sich ein zweites Standbein für ihre Wasserversorgung schaffen durch zusätzliche Brunnen und Leitungen, eventuell noch vorhandenes Dargebot (Grundwasser, Quellen) erschließen, sich mit anderen Versorgern vernetzen oder die Beileitung von Fernwasser in Betracht ziehen. Denn die Auswirkungen des Klimawandel würden nach 2035 noch gravierender, sagt der Wasserexperte der Regierung. Die wasserwirtschaftliche Situation könne bis 2050 oder 2100 enorm unter Druck geraten.