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Würzburg
Jubiläum: Warum seit 15 Jahren Kinderstimmen die Haltestellen in Würzburgs Straßenbahnen ansagen
Die Premiere war 2008: Seitdem sagen in Würzburgs Straßenbahnen und Bussen in Stadt und Landkreis Würzburg Kinderstimmen über 1000 Haltestellennamen an. Wie es dazu kam.
Seit 15 Jahren werden in Würzburgs Straßenbahnen die Haltestellen von Kinderstimmen angesagt. Am Sanderring trafen sich einige der damaligen Initiatoren des Projekts ( von links):  Sophia Steegmüller, Maria Kauczok (Lehrerin), Antonia Höhn, Sarah Brenner, Johannes Breu und Simon Sacher.
Foto: Thomas Obermeier | Seit 15 Jahren werden in Würzburgs Straßenbahnen die Haltestellen von Kinderstimmen angesagt. Am Sanderring trafen sich einige der damaligen Initiatoren des Projekts ( von links):  Sophia Steegmüller, Maria ...
Catharina Hettiger
 |  aktualisiert: 10.02.2024 20:20 Uhr

Die Geschichte der Kinderstimmen-Ansagen in Würzburgs Straßenbahnen und Bussen begann bereits 2005. Erstklässler der Grundschule Heuchelhof beschwerten sich damals bei der Stadt: Die Computerstimme in den Straßenbahnen würde die Haltestellen falsch betonen.

"Ideengeber für das Projekt waren die Kinder", bestätigt Maria Kauczok, die damals die Lehrerin besagter Erstklässler war und diese auch die gesamte Grundschulzeit als Klassenlehrerin begleitete. Zu außerschulischen Aktionen war Kauczok mit den Kindern immer wieder mit der Straßenbahn unterwegs. "Meine Schüler sind bei den Fahrten über die komische Betonung der Haltestellen durch die Computerstimme gestolpert", sagt Kauczok. "Das könnten wir besser", so die Überzeugung der Kinder.

Projekt lag immer wieder auf Eis

Nachdem klar wurde, dass die Kinder ihre Idee wirklich in die Tat umsetzen wollten, wurden sie aktiv: Sie nahmen eine Demo-Version der Straßenbahn-Stationen der Linie 5 auf Kassette auf und überlegten sich zu jeder Haltestelle eine kleine Geschichte. So hatte zum Beispiel die Station "Dallenbergbad" den Zusatz "hier musst du aussteigen, wenn du zu den Kickers willst", erzählt Kauczok.

Bis das Projekt tatsächlich ins Rollen kam, vergingen allerdings Jahre. "Die technische Umsetzung war kompliziert", so Kauczok, "und bis die WVV (Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH) die Idee wirklich an sich ranlassen konnte, hat es gedauert – das Ganze war ja auch mit Kosten verbunden".

"Die Kinder waren sehr aufgeregt, es war fantastisch."
Maria Kauczok, ehemalige Lehrerin der Grundschule Heuchelhof

Doch dann kam es zu einem Termin in der Vorstands-Etage der WVV, bei dem die Kinder und ihre Lehrerin Gelegenheit hatten, ihre Idee vorzutragen und ihre Demo-Version auf einem mitgebrachten CD-Spieler vorzuspielen – die Aufnahme auf Kassette war mittlerweile durch eine professionelle Aufnahme im Studio des Bayerischen Rundfunks (BR) ersetzt worden. "Bei der WVV hat man die Kinder ernst genommen, das hat mir gefallen", erinnert sich die mittlerweile pensionierte Lehrerin. In trockenen Tüchern war das Projekt aber noch nicht. Weitere Zeit verstrich, in denen Kinder und Lehrerin nicht wussten, ob und wie es weitergehen würde. Kauczok blieb optimistisch: "Ein WVV-Mitarbeiter hat immer Kontakt zu uns gehalten."

Gegen Ende der dritten Klasse konnten die Schülerinnen und Schüler das Projekt dann endlich in die Tat umsetzen: "Mit Mikrofon, Mischpult, Lautsprecher und Laptop" seien Vertreter der WVV in die Grundschule am Heuchelhof gekommen, erinnert sich Kauczok. Die Aufnahmen fanden im Sekretariat der Schule statt. "Die Kinder waren sehr aufgeregt, es war fantastisch", sagt Kauczok und lacht.

Die eigene Stimme als Haltestellen-Ansage hören konnten Kinder der Grundschule Heuchelhof 2008 bei der  Fahrt mit der Straßenbahnlinie 5 (ganz links: Sarah Brenner, ganz rechts: Sophia Steegmüller).
Foto: Maria Kauczok | Die eigene Stimme als Haltestellen-Ansage hören konnten Kinder der Grundschule Heuchelhof 2008 bei der  Fahrt mit der Straßenbahnlinie 5 (ganz links: Sarah Brenner, ganz rechts: Sophia Steegmüller).

Jeder, der wollte, habe eine oder mehrere Stationen ansagen dürfen – wenn auch ohne die ausgedachten Geschichten zu den Haltestellen, "das Ganze musste standardisiert sein", so Kauczok. Für die Kinder sei es ein aufregender Moment gewesen, als ihre Stimmen wirklich vom Band kamen – "man kennt seine Stimme ja aus dem Alltag, aber aufgenommen klingt sie nochmal ganz anders".

"Ich erinnere mich, dass wir die Haltestellen sehr oft eingesprochen haben, bis wir eine Aufnahme hatten, die genau gepasst hat", sagt Grundschullehramt-Studentin Sarah Brenner, die als damals Neunjährige unter anderem die Stationen "Sanderring" und "Steinbachtal" gesprochen hat. "Wir hatten es zwar geübt, uns vor lauter Aufregung aber immer wieder versprochen." Die richtige Betonung sei eine echte Herausforderung gewesen, sagt Sonderpädagogik-Studentin Antonia Höhn, die sich noch an den Druck erinnert, den sie vor dem Mikro verspürt hat.

"Mir wurde gesagt, dass ich das 'r' nicht so rollen soll."
Johannes Breu, ehemaliger Schüler der Grundschule Heuchelhof, über die Aufnahme

"Alle haben sich ganz still in einen Kreis gesetzt, als die anderen eingesprochen haben", weiß der 24-jährige Informatik-Student Simon Sacher, der sich den "Madrider Ring" und die "Neubaustraße" als Stationen ausgesucht hatte. "Mir wurde gesagt, dass ich das 'r' nicht so rollen soll", sagt Johannes Breu. Der 23-Jährige kam zum Studium der Medienkommunikation zurück nach Würzburg: "Ich hab' mich gefreut, dass unsere Stimmen in der Straba noch da sind."

Die Premiere ihrer Ansagen verfolgten die Kinder live in der Straßenbahn – bei einer Fahrt, zu der sie die WVV eingeladen hatte. "Zuerst war es ein komisches Gefühl, meine Stimme zu hören", sagt Simon Sacher. "Ich war damals sehr schüchtern und habe mich eher dafür geschämt." Das ist heute anders: "Es ist eine Geschichte, die man auf Partys erzählen kann", sagt Sacher und lacht.

Projekt war für die Kinder Lektion in Selbstwirksamkeit

Dadurch, dass sich das Projekt über Jahre gezogen hat, habe es sich zwischenzeitlich unwirklich angefühlt, erzählt Sarah Brenner. "Erst als wir bei der Premieren-Fahrt das erste Mal unsere Stimmen gehört haben, war klar, dass wir es wirklich geschafft haben." Dieser Moment ist Sophia Steegmüller am stärksten im Gedächtnis geblieben. Die 24-jährige Pharmazie-Studentin hat die Haltestellen "Dallenbergbad" und "Dom" eingesprochen.

"Wir haben es geschafft, die Idee der Kinder Wirklichkeit werden zu lassen", zieht Kauczok 15 Jahre später Resümee. Die Erkenntnis "wir können etwas bewirken", sei eine gute Erfahrung für die Schülerinnen und Schüler gewesen. Denn: "Kinder werden oft so schnell untergebuttert."

Mittlerweile werden alle Haltestellen im Stadtgebiet von Kindern gesprochen

Das Kindestimmen-Projekt der Grundschule Heuchelhof inspirierte: "Unseres Wissens war Würzburg Vorreiter und motivierte auch einige andere Städte für eine solche Umsetzung", sagt WVV-Pressesprecherin Susanna Blum. Im März 2016 seien die Stimmen für 155 Haltestellen in Würzburg, im Landkreis und für ausgewählte Haltestellen im Landkreis Main-Spessart neu aufgelegt worden. Diesmal wurden die Kinder-Ansagen in einer vierten Klasse und der Klasse 3aH der Leonhard-Frank-Grundschule am Heuchelhof sowie in zwei dritten Klassen der Grundschule Versbach aufgezeichnet. Mittlerweile werden laut Blum alle Haltestellen im Stadtgebiet – auch auf den Omnibuslinien – über Kinderstimmen ausgerufen.

Wenn es darum geht, neue Haltestellen einzusprechen, besucht ein Kollege der Würzburger Straßenbahn GmbH (WSB) die jeweilige Schulklasse und zeichnet vor Ort die Ansagen auf, erklärt Blum. "Für Baustellen bzw. bei sehr kurzfristigem Bedarf helfen wir uns durch Kollegen aus." Und: "Die Rückmeldungen, die wir auf die Kinderstimmen-Ansagen erhalten, sind durchweg positiv."

 
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  • U. S.
    Mir gefielen die Ansagen von Anfang an. Vielen Dank an die Kinder und die Lehrerin. Und an die WVV.
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  • H. M.
    Danke für den Artikel. Ich freue mich immer, wenn ich die Ansagen der Kinder höre. Schön ist, dass man nun wenigstens ein paar der Kinder zu Gesicht bekommen hat.
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  • F. K.
    Ich muss ehrlich sagen: Als ich sie damals das erste Mal gehört habe, fand ich sie unheimlich nervig - aber mittlerweile finde ich sie echt schön und sympathisch. Als mich mal ein Freund aus Frankfurt besucht hat und wir mit der Straba gefahren sind, hat er mit einem Lachen im Gesicht gesagt, „Das sind ja Kinder hier bei Euch“. Da war ich sogar ein bisschen stolz. Und schön, dass es dir Stimmen von damals immer noch gibt. 👌🏻
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  • K. F.
    finde es eigentlich sehr schön, wenn man immer wieder kindliche Stimmen hört und nicht die elendlame künstliche Stimme: nächster Halt Talavera,... gute Idee damals vor 15 Jahren, bleibt dabei!
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  • J. N.
    Am schönsten finde ich immer noch die Ansage für die Haltestelle Sieboldmuseum in der Zellerau. Meine Kinder haben, als sie klein waren, den japanischen Text immer begeistert mitgesprochen.
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  • E. B.
    Ich finde, das ist immer noch eine schöne Idee - Danke an die damaligen Kinder.
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