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Würzburg
Interview mit Würzburgs Noch-OB Schuchardt: "Neugierig, wer einen nach dem Abschied aus dem Amt nicht mehr grüßt"
Für seinen Rücktritt gibt es laut OB-Schuchardt (CDU) einen "Kranz voll Gründen". Eine Entfremdung von der CSU-Fraktion sei allerdings keiner.
'Es gab einen ganzen Kranz aus Gründen': Oberbürgermeister Christian Schuchardt bei der Bekanntgabe seines Rückzugs vom Amt am 28. November 2024.
Foto: Daniel Peter | "Es gab einen ganzen Kranz aus Gründen": Oberbürgermeister Christian Schuchardt bei der Bekanntgabe seines Rückzugs vom Amt am 28. November 2024.
Manuela Göbel
 und  Torsten Schleicher
 |  aktualisiert: 14.03.2025 02:39 Uhr

Dass Oberbürgermeister Christian Schuchardt in der laufenden Amtszeit zurücktritt, kam vor drei Monaten überraschend. Der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder meinte danach, der Würzburger OB habe "keine Lust mehr". Die Redaktion hat den 56-jährigen CDU-Politiker, seit 2014 im Amt, im Interview nach persönlichen und politischen Gründen für seinen Rücktritt gefragt.

Frage: Vor knapp drei Monaten hatten Sie bekanntgegeben, vom Amt des Oberbürgermeisters zurückzutreten. Wie haben die Würzburger auf Ihre Ankündigung reagiert, vor Ende ihrer Amtszeit aufzuhören?

Christian Schuchardt: Es war alles dabei: Bedauern, Gratulation und Verständnis. Aber vor allem haben viele Bürger ihre Anerkennung mir gegenüber geäußert.

Als Grund für Ihre Entscheidung, ab Juli Geschäftsführer des Deutschen Städtetags zu werden, haben Sie den Wunsch nach einer beruflichen Veränderung genannt. Spielen persönliche Gründe keine Rolle?

Schuchardt: Es gibt einen ganzen Kranz an Gründen, auch im Privaten. Wesentlich ist, dass man sich mit 56 Jahren fragt, ob man noch zu einer dritten Amtszeit antritt oder sich noch einmal einer anderen beruflichen Herausforderung stellt, die mir überparteilich angetragen wurde. Nach langem reiflichem Nachdenken habe ich mich für die neue Aufgabe entschieden.

Es gibt ja wesentliche Veränderungen in Ihrem Privatleben…

Schuchardt: Ja, aber privat bleibt privat, das habe ich gelernt. Es gibt aber nicht das eine ausschlaggebende Argument.

Als Oberbürgermeister können Sie in Würzburg nicht unerkannt auf die Straße gehen. Welche Auswirkungen hatte das auf ihr Privatleben?

Schuchardt: Wenn man nicht erkannt werden will, muss man schon 80 Kilometer weit fahren. Aber ich freue ich mich immer über die Begegnungen mit Menschen. Dabei ist es natürlich so wie überall: Es gibt anstrengendere Zeitgenossen und sehr angenehme. Angestrengt hat es mich nicht, eine öffentliche Person zu sein. Das ist Bestandteil des Amtes und ich wusste, was auf mich zukommt.

Zum Amt des Oberbürgermeisters gehören auch viele Veranstaltungen – am Abend, am Wochenende. War die große zeitliche Belastung auch ein Grund für Sie, über einen Berufswechsel nachzudenken?

Schuchardt: Natürlich ist man viele Stunden in der Woche unterwegs und vor allem immer in Alarmbereitschaft, denn es kann immer etwas Schlimmes passieren. Es ist auch wichtig, dass man sich entscheidet, welche Veranstaltungen ich als OB selbst wahrnehme und welche meine Stellvertreter. Denn wenn man alle Termine selbst übernimmt, besteht die Gefahr, dass man nirgendwo mehr richtig persönlich präsent ist, keine Ausstrahlung hat. Außerdem muss man im Tagesgeschäft eine große Behörde führen und unzählige Entscheidungen treffen, das darf auch nicht liegen bleiben. Aber ich habe den richtigen Modus für mich gefunden und mich auch immer für kleine und große Herzensangelegenheiten einsetzen können. Klar werde ich es in Zukunft wahrscheinlich genießen, Veranstaltungen einfach als Teilnehmer privat besuchen zu können. Mal nicht in der ersten Reihe zu sitzen, ist auch schön.

Der OB als öffentliche Person: Christian Schuchardt bei einer Rede auf einer Demokratie-Kundgebung im Juni 2024.
Foto: Patty Varasano | Der OB als öffentliche Person: Christian Schuchardt bei einer Rede auf einer Demokratie-Kundgebung im Juni 2024.
Ministerpräsident Markus Söder hatte öffentlich gesagt, der Würzburger OB Schuchardt habe "keine Lust mehr". Haben Sie sich darüber geärgert?

Schuchardt: Nein. Eine spitze Bemerkung muss man verkraften können, auch wenn sie falsch ist. Söder musste es aber auch verkraften, wenn ich einen Buddha aufstelle, wenn er Kreuze hängt. Letztere hatte ich aber bereits 2014 in den Besprechungsräumen wieder angebracht.

Wir haben von vielen Seiten gehört, dass das Verhältnis zwischen der CSU-Fraktion und Ihnen nicht mehr so gut ist. Woran liegt das?

Schuchardt: Dass ein OB hin und wieder anders unterwegs sein muss als eine Fraktion, ist normal. Ein OB muss immer einen weiteren Blickwinkel haben, auch im Hinblick auf mögliche Mehrheiten. Thematische Diskussionen gibt es da immer wieder. Ich weiß aber, dass ich bei einer dritten Kandidatur von der CSU unterstützt worden wäre.

Und wie ist Ihr Verhältnis zur Würzburger CSU? 

Schuchardt: Mir ist die Bindung in der Unionspartei wichtig und ich freue mich sehr, dass Judith Roth-Jörg als OB-Kandidatin für die CSU antritt.

Ein Mitglied des Stadtrats hat uns gesagt, Sie würden sich sehr verantwortlich für Würzburg fühlen und nur gehen, wenn Sie die Stadt "in guten Händen wissen". Ist das richtig wiedergegeben?

Schuchardt: Natürlich ist mir wichtig, dass sich die Stadt weiter gut entwickelt. Ich will das Haus gut bestellt übergeben. Ich finde, Würzburg hat sich gut entwickelt, auch angesichts der großen gesellschaftlichen Veränderungen.

Parallel mit Ihnen verlassen aber weitere Führungskräfte das Rathaus: Sozialreferentin Hülya Düber wechselt in den Bundestag, Kämmerer Robert Scheller in den Landkreis, Umwelt- und Klimareferent Martin Heilig oder Sport- und Schulreferentin Judith Roth-Jörg eventuell in das OB-Amt und Ordnungsreferent Wolfgang Kleiner geht nächstes Jahr in den Ruhestand. Entsteht da kein Vakuum in der Führungsriege?

Schuchardt: Ein Generationswechsel findet immer wieder mal statt. Wir haben in der Vergangenheit die Referate immer hochkarätig nachbesetzen können und ich gehe davon aus, dass das auch in Zukunft so sein wird. Die Verwaltung ist auch auf der nächsten Ebene sehr qualifiziert aufgestellt. Daher wird das laufen.

Gibt es etwas, was Sie bis Ende Juni noch erledigen wollen?

Schuchardt: Ein paar Themen habe ich noch in der Pipeline. Zum Beispiel den Erwerb der Faulenberg-Kaserne oder den Flächenankauf für die Multifunktionsarena, und weitere – auch kleinere – Pflöcke möchte ich auf jeden Fall noch einschlagen.

Ihre Abschiedstournee hat schon begonnen. So wurden Sie zum Beispiel bei Ihrer letzten Eröffnung des Filmfestivals mit einer launigen, aber auch emotionalen Dankesrede verabschiedet. Rührt Sie so etwas?

Schuchardt: Das bewegt einen schon. Auch wenn ich lieber selber ehre, als geehrt zu werden: Jeder hört ja gerne etwas Positives. Aber ich habe auch kein Problem, wenn jemand Kritik äußert. Neugierig ist man natürlich darauf, wer einen nach dem Abschied aus dem Amt nicht mehr grüßen wird. Und ich freue mich auf diejenigen, die einen ansprechen und sagen: In Ihrer Amtszeit war es gut.

Ab Juli ist Ihr Dienstsitz in Berlin. Werden Sie trotzdem noch ab und zu in Würzburg sein? 

Schuchardt: Ich werde mir eine Wohnung in Berlin nehmen und dienstlich in ganz Deutschland unterwegs sein. Aber mein Haus in Würzburg behalte ich. Denn ich lebe seit 18 Jahren in der Stadt und bin hier tief eingewurzelt – und das unabhängig von meinem öffentlichen Amt.

 
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Kommentare
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  • Frank Findeiß
    Ja die Sache mit der Demut, das wäre für manchen Vielkommentatoren hier aus der Runde in der Tat manchmal angebracht (und wünschenswert ...)
    So demütig muss er aber für mich nicht sein, der Herr Schuchardt, denn er hat seinen Job ordentlich gemacht, und das ohne große öffentliches Getöse. Wer immer von ihm übernimmt, ihm oder ihr drücke ich die Daumen, dass es eine ähnlich fruchtbare und unaufgeregte Arbeit im und mit dem Stadtrat geben wird.
    Dem scheidenden OB aber: Respekt, vor allem für seine klaren Worte bei den Demonstrationen gegen Rechts (-> auch hier hat er sich angenehm unterschieden von den anderen "christlichen" Brüdern und Schwestern, die ihrer Partei oft einen Behrendienst erwiesen haben und immer noch erweisen) und seine buddhistischen Streiche -> Für uns alle sollte gelten: "Bitte ein bißchen mehr Gelassenheit".
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  • Frank Stößel
    Lieber Herr Schuchardt,
    Sie haben als OB - den speziellen Gegebenheiten im vielfältig besetzten Stadtrat entsprechend - Ihr Möglichstes getan und Ihr Bestes gegeben. Für jene Menschen, die Sie nach Ihrem Abschied als OB tatsächlich nicht mehr grüßen sollten, hilft vielleicht der gute Rat unseres bayerischen National Kabarettisten Karl Valentin: "Nedd a mal ignorier'n." Jeder Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städteverbandes sollte genügend Praxis aus der kommunalen Arbeit in Politik und Stadtverwaltung mitbringen. Das ist bei Ihnen unbestreitbar der Fall. So kann Würzburg von Ihrem beruflichen Engagement in Berlin dann auf indirektem Weg profitieren, auch wenn Sie dann mal die meiste Zeit weg sein werden.
    Alles Gute also in Berlin.
    Frank Stößel, ein alter Würzburger aus Zell am Main
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  • Christopher Dorbath
    Insgesamt bleibt schon der Eindruck, daß Herr Schuchardt sein Amt umsichtig und verantwortungsbewußt wahrgenommen hat. Als Person wirkte er angenehm und nahbar.
    Danke für die Ausübung des Amts, das sicherlich mit sehr vielen Kontroversen verbunden ist!
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  • Harry Amend
    Er war nie ein Würzburger und das merkte man ihn deutlich an, warum man ihn damals zum OB gewählt wird bleibt mir bis heute ein Rätsel.
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  • Dietmar Eberth
    Die Mehrheit der Würzburger haben ihn gewählt
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  • Roland Rösch
    So ein Schmarren. Es ist schon allein eine Leistung das man mit den Stadträten Würzburg (Familienunternehmen) überhaupt effektiv zusammenarbeiten kann als Oberbürgermeister der nicht einheimischen war . Ohne einen guten Stadtratsarbeit ist auch ein guter Oberbürgermeister mehr oder weniger machtlos. Als Oberbürgermeister war Herr Schuchardt gut und in den Städtetag zu gehen ist seine Entscheidung die gut und zu respektieren ist. Alles gute auf jeden Fall.
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  • Martin Deeg
    Auch Sie sind offembar jemand, der nur „grüßt“, wenn jemand Status oder Amt hat oder sonstwie „wichtig“ scheint, nicht wahr? Man projiziert ja gerne…

    Unter dem Strich wäre bei Ihnen ein bißchen mehr Demut und weniger Selbstlob angebracht!

    …“Aber ich habe den richtigen Modus für mich gefunden und mich auch immer für kleine und große Herzensangelegenheiten einsetzen können.“…

    Ist das so? Keine Ahnung, was Sie mit „Herzensangelegenheiten“ meinen, Herr Schuchardt.

    Fakt ist jedoch, dass Sie Anliegen von „einfachen“ Menschen und konkrete Anfragen zu Versäumnissen in nachgeordneten Behörden vollkommen ignoriert haben!

    Antworten von Ihnen hat es nie gegeben. Fehleranalyse offenbar auch nicht.
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