Schauspieler, Tänzer, Sänger, Musiker oder Bühnenbildner – das Mainfranken Theater in Würzburg bietet Heimat für viele unterschiedliche Berufsbilder. Silvia Vassallo Paleologo arbeitet als Solorepetitorin und spielt somit unter anderem am Klavier, wenn Sänger, Chöre, Instrumentalisten, Tänzer oder Schauspieler ein Stück neu lernen oder wiederholen, ihre Rollen einstudieren oder Szenen geprobt werden. Kein alltäglicher Beruf, wie sie selbst sagt, und viele können sich unter dem Begriff zuerst nichts vorstellen. Im Gespräch erzählt die 29-jährige Italienerin, wie der Alltag einer Solorepetitorin aussieht und warum Würzburg nach gerade einmal drei Jahren mehr als eine Heimat für sie geworden ist.
Frage: Sie haben sich für unser Treffen Klein Nizza im Ringpark ausgesucht. Warum?
Silvia Paleologo: Ich liebe Würzburg. Besonders, weil die Stadt so mit der Natur verbunden ist. Vor zwei Jahren, als ich das erste Mal hier war, gab es einen ganz kalten Winter. Und im März kam dann ganz plötzlich der Frühling. Ich war Spazieren und habe dann diesen Platz hier entdeckt. Alles war voller Blüten und überall liefen Enten herum, das war wunderschön. Seitdem komme ich oft hier her, setze mich auf eine Bank und lese und lerne Partituren. Durch diese Naturklänge wirkt alles gleich viel angenehmer. Das hier ist einfach ein Ort des Friedens für mich.
Also ist es auch ein Ort, an dem Sie entspannen können nach einem anstrengenden Tag im Theater?
Paleologo: Auf jeden Fall. Klein Nizza ist auch nicht weit weg von meiner Wohnung, also sehe ich es auch als eine Art Garten für mich. Ich habe das Gefühl, dass der Park allen gehört. Hier fühle ich mich wie Zuhause.
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Sie sind Solorepetitorin am Mainfranken Theater. Viele können sich unter diesem Begriff wahrscheinlich nichts vorstellen...
Paleologo: Das stimmt. Meine Arbeit besteht hauptsächlich darin, Sänger am Klavier zu begleiten. Sei es bei einem Konzert oder bei einer szenischen Probe einer Oper. Ich spiele dann den Orchesterteil am Klavier. Repetieren heißt übersetzt wiederholen, wir arbeiten also zusammen mit dem Sänger an der Partie – sowohl einzeln, als auch zu dritt oder mehr. Außerdem begleiten wir auch die Sänger, die zum Vorsingen kommen. Meine Lieblingsaufgabe ist, bei Vorstellungen von Opern, wo es vorhanden ist, Rezitative, also "gesungene Dialoge" zu begleiten. Die Akkorde sind vorhanden, gleichzeitig soll aber viel improvisiert werden, man muss sich an den Rhythmus der Wörter anpassen. Was ich außerdem liebe sind Orchesterdienste. Ich finde es wunderschön, dass man Teil einer so großen Sache ist. Du bist in diesem Meer von Orchester, man sieht und hört dich vielleicht nicht direkt, aber man hört das Gesamte und du trägst deinen Teil dazu bei. Als Solorepetitor hat man also viele Aufgaben. Es ist ein ganz facettenreicher Beruf, deshalb liebe ich ihn auch so sehr.
In ihrer Beschreibung steht außerdem, dass Sie Dirigierverpflichtung haben. Was bedeutet das?
Paleologo: Das heißt, dass von mir die Fähigkeit erwartet wird, dirigieren zu können. Opern haben meistens viele Vorstellungen und theoretisch könnte ich einige davon dirigieren. Vergangenes Jahr durfte ich zum Beispiel Vorstellungen von Cosi fan tutte und Barbiere nachdirigieren. Das war sehr schön. Dirigieren ist eine schöne Aufgabe: Man kann das Werk aus einer ganz anderen Perspektive sehen. Gleichzeitig ist es aber auch eine große Verantwortung.
Wie sieht ein ganz normaler Tag bei Ihnen aus?
Paleologo: Von 10 bis 14 Uhr laufen bei uns meistens die Proben. Wenn keine szenische Probe ansteht, dann haben wir meistens Repetitionen mit den Sängern. Von 14 bis 18 Uhr habe ich dann Pause und von 18 bis 22 Uhr gehen die szenischen Proben weiter. Ab diesem Jahr habe ich zusätzlich noch einen Lehrauftrag als Repetitorin und Italienischlehrerin an der Musikhochschule. Dies aber nicht im Sinne von einem Sprachkurs, sondern ich versuche gemeinsam mit den Studenten ihre Aussprache zu verbessern, wenn sie beispielsweise eine italienische Arie vorbereiten. Ich bin dann zwei bis drei Mal die Woche nachmittags dort und das macht mir wirklich sehr viel Spaß.
Also ist Ihr Alltag sehr vielfältig...
Paleologo: Genau, kein Tag ist wie der andere. Am Ende einer jeden Woche erhalten wir von unserem Studienleiter einen Plan, dass wir eine ungefähre Ahnung bekommen, was in der nächsten Woche ansteht. Das heißt natürlich auch, dass man langfristig nicht gut planen und organisieren kann. Aber das ist nicht so schlimm, denn im Sommer haben wir immer sechs Wochen Urlaub, da kann ich dann nach Hause fliegen und entspannen.
Also verbringen Sie Ihren Sommer nicht in Würzburg?
Paleologo: Nein. Ich fliege jedes Jahr in den Sommerferien nach Hause zu meiner Familie nach Palermo. Ich bin nicht der Typ, der das Reisen liebt. Ich bin glücklich, wenn ich zu Hause bin und Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden verbringen kann. Außerdem kann ich jeden Tag im Meer schwimmen gehen. Wir sind dann alle zusammen und kochen gemeinsam – mehr brauche ich nicht.
Dies ist Ihr drittes Jahr in Würzburg. Sehen Sie die Stadt als eine zweite Heimat an?
Paleologo: Ja, auf jeden Fall. Ich würde sogar sagen, dass Würzburg mehr als eine zweite Heimat für mich geworden ist. Ich habe hier ganz viele Freunde – auch aus Italien, sie helfen mir noch mehr, mich zu Hause zu fühlen. Außerdem muss ich die Gemeinschaft Sankt Egidio erwähnen, denn sie hat mein Leben verändert. Durch sie habe ich wieder einen Sinn in meinem Leben gefunden. Ich bin sehr gläubig, aber wissen Sie, es geht nicht darum, ob jemand evangelisch oder katholisch oder Atheist ist, das ist heutzutage gar nicht mehr so entscheidend. Es geht darum, zu verstehen, dass sich hinter jedem Menschen ein Schatz verbirgt, es gibt immer etwas Einzigartiges, was man in anderen Menschen finden kann. Man sollte mit jedem Menschen in Freundschaft leben, das habe ich in der Gemeinschaft erlebt. Und in Würzburg fällt mir besonders auf, dass die Menschen bereit sind, andere Menschen in ihre Herzen aufzunehmen. Das ist auch eine weitere Bestätigung, dass hier meine Heimat ist.
Also erfahren Sie Würzburg als sehr weltoffene Stadt? Sie kommen aus Italien, auch viele andere Künstler am Mainfranken Theater kommen aus dem Ausland.
Paleologo: Ja, auf jeden Fall. Würzburg ist eine wunderbare, sehr tolerante Stadt.
Das Leben am Mainfranken Theater ist momentan eine riesige Baustelle. Wie erleben Sie das?
Paleologo: Ich kann mich nicht beschweren. Die Arbeiter sind wirklich sehr rücksichtsvoll und passen auf, dass sie vor allem während der Proben und Vorstellungen nicht laut sind. Was mir eher Sorgen bereitet, ist wie es in zwei Jahren aussehen wird, wenn wir übergangsweise eine neue Spielstätte haben werden (Anmerk. d. Redaktion: Das Theater wird ab der Spielzeit 2020/21 für zwei Jahre auf das Gelände der Firma va-Q-tec neben der Bundesstraße Richtung Veitshöchheim ziehen. Bereits im Herbst 2020 findet der Spielbetrieb für das Musiktheater teilweise auf dem Gelände statt.)
Das heißt aber, Sie haben vor, in zwei Jahren auch noch in Würzburg zu sein?
Paleologo: Ja. Das hängt aber natürlich nicht nur von mir ab, auch der Chef muss sagen, dass ich bleiben darf. Ich bin wirklich sehr glücklich hier und kann mir meine Zukunft in Würzburg weiterhin gut vorstellen.
Sie haben vorher in Salzburg gelebt und in Hagen gearbeitet...
Paleologo: In Salzburg habe ich studiert und noch während meines Studiums habe ich in Hagen meine erste Stelle bekommen. Dort bin ich zwei Jahre geblieben, das war eine wichtige Erfahrung für mich, wofür ich sehr dankbar bin. Zugleich war es aber auch eine harte Zeit, denn ich habe mich plötzlich sehr alleine gefühlt. Wenn ich daran denke, wie ich teilweise gearbeitet habe, schäme ich mich manchmal sogar (lacht). Solche Fehler würde ich heute nie wieder machen. Aber man wächst immer weiter und das muss man akzeptieren – keiner kann sofort perfekt sein.
Haben Sie einen persönlichen Traum, den Sie unbedingt noch erreichen wollen?
Paleologo: Ich versuche einfach meinen Job so gut ich kann zu machen. Ich merke, dass ich noch viel zu lernen habe. Einerseits ist das negativ, andererseits fühlt man sich jung und herausgefordert. Wenn ich denken würde, dass ich nicht mehr lernen muss, dann wäre das das Ende für mich. Deshalb ist mein Traum, immer die Begeisterung zu haben, immer besser zu werden und immer Spaß an meinem Beruf zu haben.