
Die Zahlen sind alarmieren: An jeder zweiten Grundschule in Deutschland sind mittlerweile Kinder mit Beeinträchtigungen in der emotionalen und sozialen Entwicklung zu finden. "Zu den größten Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen, gehört die wachsende Zahl verhaltensauffälliger Schüler, schon im ersten Schuljahr", sagt Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV).
Warum gibt es immer mehr verhaltensauffällige Kinder und was können Eltern und Schulen tun? Nachfrage bei der Schulpsychologin Silvia Glaser, dem Direktor der Würzburger Kinder- und Jugendpsychiatrie Marcel Romanos, der Leiterin der Erziehungsberatungsstelle beim Sozialdienst katholischer Frauen und Würzburg, Verena Delle Donne, und der BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann.
Wie erkennt man, dass ein Kind verhaltensauffällig ist?
Man spricht von Verhaltensauffälligkeit, wenn sich das Kind dauerhaft anders verhält als seine Altersgenossen. Marcel Romanos, Leiter der Würzburger Kinder- und Jugendpsychiatrie, erklärt: "Wenn ein Kind oder seine Umgebung leidet, wenn das Verhalten über eine längere Zeit auffällig ist und deutlich von den Erwartungen für das Alter abweicht, könnte eine psychische Störung vorliegen."
Er betont jedoch, dass nicht jedes auffällige Verhalten eine Krankheit bedeutet. "Vielleicht gibt es auch pädagogische Probleme? Fehlen den Eltern Erziehungskompetenzen? Und manche Kinder haben einfach Schwierigkeiten, sich in offenen Lehrformen zu regulieren."

Wie viele Kinder haben psychische Probleme?
In Deutschland erkranken jährlich fast 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen an einer psychischen Störung, so die Zahlen der Bundespsychotherapeutenkammer. Am häufigsten treten ADHS, Angststörungen, Depressionen und Verhaltensstörungen, also dauerhaft aufsässiges und aggressives Verhalten auf. Wer als Kind oder Jugendlicher psychisch erkrankt, bleibt auch als Erwachsener stärker gefährdet. Über die Hälfte aller psychischen Erkrankungen beginnt vor dem 19. Lebensjahr.
Wie erkennt man, dass ein Kind psychische Probleme hat?
Warnzeichen sind, wenn Kinder weniger sprechen, sich zurückziehen und Interessen aufgeben. Weitere Anzeichen sind schlechter Schlaf, starke Anhänglichkeit und fehlender Mut. "Manche Kinder reagieren genau gegenteilig, sie sind expansiv, aggressiv und gereizt. Solche emotionalen Beeinträchtigungen sind oft erste Zeichen für eine psychische Belastung", sagt Prof. Marcel Romanos.
Manchmal ist es für Eltern schwierig, die Verhaltensauffälligkeit als solche zu erkennen. Stressbedingte Überforderung tritt meist nicht zu Hause, sondern in der Kita oder Grundschule auf.
Welche Arten von Verhaltensauffälligkeiten gibt es?
"Es gibt Kinder mit einer Angstproblematik, andere sind sehr zurückgezogen und leiden vielleicht an einer Depression und es gibt Kinder mit aggressivem Verhalten", sagt Silvia Glaser. Sie arbeitet im schulpsychologischen Dienst und betreut 2500 Schüler an Grund- und Mittelschulen in Stadt und Landkreis Schweinfurt. Im Zusammenhang mit Leistungsangst und Druck nehme auch die Anzahl der Kinder zu, die den Schulbesuch verweigern.

Warum gibt es immer mehr verhaltensauffällige Kinder in der Schule?
Die Schulen seien heute der zentrale Lebensmittelpunkt der Kinder, sagt Marcel Romanos. Die meisten Schülerinnen und Schüler besuchen Ganztagsschulen und verbringen dort mehr Zeit als zu Hause. "Der Unterricht ist weniger streng und – zum Glück – frei von körperlichen Strafen. Kinder mit Verhaltensproblemen nutzen ihre Freiräume stärker und fallen dadurch mehr auf", sagt der Klinikleiter.
Auch die Familienstrukturen hätten sich verändert, sagt die Schulpsychologin Silvia Glaser. "Viele Kinder sind sehr viel allein. Andere Kinder haben ein Problem, weil ihnen noch nie Grenzen gesetzt wurden, das muss in der Schule dann gelernt werden", sagt Glaser. Aber auch der hohe Medienkonsum, unkontrolliertes Konsumieren von YouTube-Videos und Spielen von Videospielen führe manchmal in der Realität zu schwierigem Verhalten.
Wie kann Familien und Lehrkräften besser geholfen werden?
Wenn ein Kind aus dem Rahmen fällt, habe man als Lehrkraft laut BLLV-Präsidentin Fleischmann gleich mehrere Probleme: "Man hat ein trauriges Kind und viele andere Kinder, die dem Unterricht nicht folgen können." Das größte Problem sei aber, dass es in den Grundschulen viel zu wenig Lehrerinnen und Lehrer gebe. "Wir brauchen mehr Unterstützungspersonal und eine frühere Diagnostik bei Kindern. Oft werden Probleme erst in der Grundschule entdeckt, weil es in Kitas an Personal fehlt", sagt Fleischmann.
"Insgesamt ist die Versorgungslandschaft für verhaltensauffällige Kinder sehr eng", bestätigt auch Verena Delle Donne, Leiterin der Erziehungs- und Familienberatung im Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) in Würzburg. Es fehle eine schulvorbereitende Einrichtung für Kinder mit besonderem Förderbedarf. Viele Kinder hätten auch ein emotionales Thema. Auch sie sieht die Lösung in mehr Personal in Kitas und an Schulen. "Was wir brauchen, ist mehr Geld und damit mehr Fachkräfte, um die Familien zu unterstützen."
Eine weitere Schwierigkeit seien lange Wartezeiten bei Hilfsanfragen. Schulpsychologin Silvia Glaser sagt, dass sie bei Bedarf zum Beispiel an Therapeuten, Fachärzte oder Familienberatungsstellen verweise. Leider sei es allerdings sehr schwer für Kinder, solche Termine zeitnah zu bekommen. "Wir müssen Wege finden, wie sich die Schule besser mit Hilfssystemen wie Therapie und Jugendhilfe vernetzen lässt", bestätigt auch Professor Romanos. Ebenso müsse man Präventionsstrategien entwickeln, um psychische Störungen zu reduzieren.
aber ich glaube, in der Ganztagsschule aktueller Prägung wäre ich auch (noch) auffällig(er) geworden...
Gibt es eigentlich Untersuchungen darüber, was passiert, wenn man Kindern, die z. B. zum Lesen ihre Ruhe haben wollen, dies immer verweigert und sie stattdessen einer permanenten Zwangsbeschäftigung in der Gruppe unterwirft?
Irgendwas kann ja am Ansatz nicht stimmen, wenn die Ergebnisse (s. Pisa-Test) immer schlechter werden (da nützen vmtl. auch die beibehaltenen Religionsstunden nichts).
Hm. Ob vielleicht Kinder auf diese Weise dagegen protestieren, alle über einen Kamm geschoren zu werden? Ernsthaft gefragt worden sind sie soviel ich weiß jedenfalls noch nie (und darauf gegeben hätten die "schlauen alten weißen Männer" im Ministerium wahrscheinlich eh nix).
Quelle: https://www.comcan.de/fileadmin/downloads/Abschlussbericht_CoV_Folgekosten_20230516final.pdf
Die Australische Regierung hat vor Kurzem als Erste reagiert und ein Gesetz beschlossen, das die Nutzung von sozialen Medien unter 16 Jahren gegen Strafe verbietet.
Das ist ein wichtiger und richtiger Ansatz und könnte nach einiger Zeit wieder etwas Ruhe in die Gesellschaft bringen.
Soziale Medien müssen kontrolliert und geregelt werden.
Ich kenne da selber Fälle, wo Grundschulen Kinder in die Förderschule abschieben, weil diese etwas aktiver waren. Wenn sich dann Eltern dagegen gesperrt haben, wird gedroht. Die Fälle, welche mir bekannt sind, sind mittlerweile sogar in höheren Schulen bereiten sich auf das Studium vor. Hier hat sich dann die Dickköpfigkeit der Eltern bezahlt gemacht.
Meiner Meinung nach handelt es sich hier hauptsächlich um gefühlt, überforderte Frauen, die das Studium Lehramt gewählt haben. Vermutlich hat man sich das alles etwas einfacher vorgestellt und jetzt will man eben auf die Schiene Förderbedarf fahren, um die Kinder schnell in andere Schulen abzuschieben.
Wie viele Kinder haben wohl eine verbaute Zukunft wegen einem überforderten Lehrer die dann eben in andere Einrichtungen abgeschoben wurden.
Johannes Bullmann, MPA
Defizite in der Erziehung (siehe Grenzen aufzeigen) können nicht mal nebenbei nachgeholt werden.
Ob es für das eine Kind besser ist als eine Förderschule- die wie der Name schon sagt- viel besser fördern kann, sei dahingestellt.
Ganz sicher ist es schlechter für 29 andere Kinder. Die bleiben nicht nur im Lehrplan zurück und verzichten auf eigenen-viel geringerern Förderbedarf. Viele haben Angst vor dem agressiven Kind und verlieren jede Freude an der Schule.
Die dickköpfigen Eltern sind weiter nicht bereit, selbst Erziehungsarbeit zu leisten. "Das Kind ist halt krank, da können wir nichts machen".
Das ist dann verbaute Zukunft.