zurück
Würzburg
Kampf gegen psychische Erkrankungen: Wie können Eltern die Psyche ihrer Kinder stärken, Professor Romanos?
Psychische Erkrankungen nehmen zu, gerade bei Kindern. Der Würzburger Psychiater Marcel Romanos erklärt, woran die Prävention hakt und wie Eltern Warnzeichen erkennen.
Prof. Marcel Romanos, Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Uniklinik Würzburg, leitet das neue Deutsche Zentrum für Präventionsforschung und Psychische Gesundheit (DZPP).
Foto: Johannes Kiefer | Prof. Marcel Romanos, Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Uniklinik Würzburg, leitet das neue Deutsche Zentrum für Präventionsforschung und Psychische Gesundheit (DZPP).
Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 15.07.2024 14:48 Uhr

Die Psyche gerät aus dem Takt, der Kopf kann nicht mehr, Ängste machen den Alltag zur Qual. Immer mehr Menschen leiden irgendwann in ihrem Leben an einer psychischen Erkrankung. Bereits Kinder sind betroffen. Dies könne zu Einschränkungen führen, wenn man nicht "frühzeitig gegensteuert", warnt Prof. Marcel Romanos. Der Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Uniklinik Würzburg leitet das neue Deutsche Zentrum für Präventionsforschung und Psychische Gesundheit (DZPP) in Würzburg. 

Im Interview spricht Romanos über Warnzeichen für Eltern und vulnerable Phasen im Leben -  und sagt, wie Prävention für die Psyche bringen kann. 

Frage: Warum braucht es Prävention für die Psyche?

Prof. Marcel Romanos: Wir wissen, dass ein Drittel der Bevölkerung im Lauf des Lebens mindestens einmal eine psychische Erkrankung haben wird. Das sind Volkskrankheiten. Viele Probleme, die im Erwachsenenalter auftreten, haben Vorläufer in der Kindheit und können zu Einschränkungen führen, wenn man sie nicht erkennt und frühzeitig gegensteuert. Schon heute ist der häufigste Grund dafür, dass ein Kind in Deutschland stationär in ein Krankenhaus aufgenommen wird, eine psychische Erkrankung. Das ist häufiger als Blinddarm- oder Lungenentzündungen.

Gibt es Anzeichen, dass bei einem Kind eine Gefahr für eine psychische Erkrankung besteht? 

Romanos: Warnzeichen sind, wenn Kinder weniger sprechen, sich zurückziehen und Interessen aufgeben. Oder wenn sie schlecht schlafen, sehr anhänglich sind und sich nicht trauen, Dinge allein zu machen. Manche Kinder reagieren genau gegenteilig, sie sind expansiv, aggressiv und gereizt. Solche emotionalen Beeinträchtigungen sind oft erste Zeichen für eine psychische Belastung. Im Alltag ist das für viele Eltern nicht einfach zu erkennen. Vieles wird mit der Entwicklung oder dem Alter erklärt. Und leider muss man ehrlich sagen, dass wir alle manchmal schlicht zu beschäftigt sind, um zu registrieren, was mit unseren Kindern los ist.

Wie können Eltern die Psyche ihres Kindes stärken?

Romanos: Studien haben gezeigt, dass bestimmte Persönlichkeitseigenschaften und Umstände einen guten Schutz vor psychischen Erkrankungen nahelegen. Ein Beispiel sind Kinder mit einer guten Selbstwirksamkeitserwartung: Solche Kinder gehen davon aus, dass ihnen Dinge gelingen und dass sie Herausforderungen gut meistern werden. Sie haben eine optimistische Herangehensweise an Probleme, eine gewisse fröhliche Widerstandsfähigkeit. Daneben ist es wichtig, dass sich Kinder auf ihr soziales Umfeld verlassen können und jemanden haben, den sie in schwierigen Situationen um Rat fragen können.

Immer häufiger werden psychische Erkrankungen bei Kindern diagnostiziert. Was Präventionsprogramme bringen, ist bislang noch kaum erforscht.
Foto: Symbolbild: Nicolas Armer, dpa | Immer häufiger werden psychische Erkrankungen bei Kindern diagnostiziert. Was Präventionsprogramme bringen, ist bislang noch kaum erforscht.
In manchen Entwicklungsphasen gehen Kinder aber bewusst auf Distanz zu ihren Eltern.

Romanos: Oft ist es so, dass Eltern klagen, ihre Kinder würden nichts mehr aus der Schule und ihrem Alltag erzählen. Aber wie oft erzählen wir unseren Kindern denn aus unserem Leben, davon, was bei uns bei der Arbeit los war? Wenn man damit anfängt und über positive Erlebnisse berichtet, passiert es oft, dass auch Kinder bereitwilliger erzählen. Eine offene Kommunikationsebene ist wichtig. Wenn die Erziehung hingegen sehr strafend ist oder die Erwartungen zu hoch gesteckt werden, vermeiden Kinder es häufig, mit ihren Eltern zu reden.

Gibt es besonders kritische Phasen im Leben, in denen Prävention am wichtigsten ist?

Romanos: Es gibt vulnerable Phasen im Leben. Wir wissen zum Beispiel, dass Angsterkrankungen sehr häufig in einem bestimmten Alter auftreten, dass Essstörungen mit Beginn der Pubertät häufiger werden und Psychosen sich eher am Übergang zum Erwachsenenalter erstmalig manifestieren. Das heißt, je nach Lebensphase könnte man Präventionsprogramme voranschalten.

Tatsächlich fühlt sich wahrscheinlich jeder irgendwann im Leben einmal ausgebrannt, müde oder rutscht in eine Krise. Ist es sinnvoll, selbst präventiv etwas für sich zu tun?

Romanos: Die Situation, dass man selbst merkt, ich sollte jetzt aktiv werden, kommt fast nie vor. In der Regel sind Menschen erst bereit, etwas zu tun, wenn der Leidensdruck hoch ist. Aber meist ist die psychische Störung dann schon da. Will man Prävention effektiv gestalten und wirklich vorbeugen, muss sich in der Politik und im Gesundheitswesen etwas verändern. Man muss früher ansetzen, etwa in Schulen, Kindergärten oder Vereinen.

Stabilität für die Psyche: Für Kinder ist es wichtig, dass sie sich auf ihr soziales Umfeld verlassen können und jemanden haben, den sie in schwierigen Situationen um Rat fragen können.
Foto: Illustration: Getty Images/Daniel Biscan | Stabilität für die Psyche: Für Kinder ist es wichtig, dass sie sich auf ihr soziales Umfeld verlassen können und jemanden haben, den sie in schwierigen Situationen um Rat fragen können.
Wenn psychische Erkrankungen mittlerweile Volkskrankheiten sind - macht Prävention dann nicht für alle Sinn?

Romanos: Generell gibt es zwei Möglichkeiten. Ein Ansatz ist, Präventionsprogramme flächendeckend einzusetzen, um alle, die erkranken könnten, davor zu bewahren. Allerdings ist das aufwendig, teuer und trifft auch diejenigen, die vielleicht nie erkrankt wären. Ein anderer Ansatz ist die gezielte Prävention. Das heißt, man sucht Risikogruppen und setzt dort an. Wir wissen zum Beispiel, dass psychische Erkrankungen bei Kindern aus bestimmten sozialen Umständen oder von erkrankten Eltern besonders häufig auftreten.

Und wie funktioniert Prävention für die Psyche konkret?

Romanos: Im Prinzip sind bei Präventionsprogrammen zwei Faktoren entscheidend: Resilienz und Disposition. Resilienz ist die Fähigkeit, sich nach belastenden oder traumatischen Situationen zu regenerieren und eine gewisse Widerstandskraft zu haben. Viele Ideen der Präventionsforschung beziehen sich darauf, die Resilienz zu stärken – auch wenn wir die Mechanismen im Detail noch nicht kennen. Ein zweiter wichtiger Faktor ist die Disposition, also eine gewisse Veranlagung für psychische Erkrankungen. So eine Veranlagung beschreibt letztlich eine gewisse Vulnerabilität. Erlebnisse und Lernerfahrungen können bei dem einen Menschen eine psychische Störung auslösen, einen anderen kaum beeinträchtigen. Diese Zusammenhänge sind komplex und bei weitem nicht vollständig geklärt.

Was bringt da dann Prävention für die Psyche?

Romanos: Das ist eine gute Frage und genau hier setzt das neue Deutsche Zentrum für Präventionsforschung und psychische Gesundheit (DZPP) in Würzburg an. Denn wir haben massenhaft Präventionsprogramme in Deutschland – aber die meisten sind nicht gut evaluiert. Wir wissen nicht, ob sie wirken oder nicht. Um den Erfolg von Prävention zu messen, braucht es aufwendige und gut designte Studien. Und davon wollen wir am DZPP ein gewisses Set schaffen.

Deutsches Zentrum für Präventionsforschung Psychische Gesundheit (DZPP)

Am neuen DZPP auf dem Campus Hubland Nord in Würzburg entwickeln und erproben Wissenschaftler interdisziplinär Programme, die psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen präventiv verhindern sollen. Wichtig ist dabei, auch die Effektivität zu evaluieren. Träger sind die Universität und die Uniklinik Würzburg. Das DZPP vereint Experten aus Kinder- und Jugendpsychiatrie, Kinderheilkunde, Psychologie, Psychiatrie, Pädagogik, Allgemeinmedizin, Epidemiologie und Informatik. Ergänzend wurde ein breites Netzwerk zu Schulen, Jugendhilfe und Kommunen, Krankenkassen und Behörden geknüpft.
Aktuelle Projekte sind zum Beispiel "Dude" (Verbesserung der Regulation von Emotionen bei Jugendlichen), das Programm "TooCloseVR" (Prävention von Mobbing im virtuellen Raum) oder das Projekt "Poscor" (optimierter Reha-Zugang für Post-Covid-Betroffene).
 DZPP/UKW
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Susanne Schmitt
Angststörungen
Familienleben
Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Kinder- und Jugendpsychiatrie
Kinderheilkunde
Universitätskliniken
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Waldemar Thurn
    Das Proplem dieser Erkrankungen liegt am Smartphone wenn Kinder schon im Vorschulalter sowas haben damit Eltern ihre Ruhe haben.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Stefan Krug
    das geht doch im Säuglingsalter schon los.
    wenn das Baby beim wickeln nicht still hält
    wird ihm ein Smartphone in die Hand gedrückt
    da laufen dann lustige Videos...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten