zurück
Würzburg
Digital abgehängt: Warum Corona Menschen ohne Computer-Kenntnisse schwer trifft
Was tun, wenn man für den Corona-Test eine Online-Anmeldung braucht, aber nicht weiß, wie das geht? Drei Beispiele aus Unterfranken, wie schwierig der Alltag für "digital Abseitsstehende" sein kann.
In einer immer stärker digitalisierten Welt fühlen sich Menschen ohne digitale Kenntnisse immer stärker an den Rand gedrängt (Symbolbild). Die Pandemie verstärkt die Kluft zwischen 'digital Abseitsstehenden' und 'digital Mithaltenden'.
Foto: Getty Images | In einer immer stärker digitalisierten Welt fühlen sich Menschen ohne digitale Kenntnisse immer stärker an den Rand gedrängt (Symbolbild).
Gisela Rauch
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:47 Uhr

Seit Corona den Alltag verändert und Präsenz durch Distanz ersetzt hat, ist es für eine gar nicht kleine Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern noch schwieriger geworden, mit manchen Anforderungen des Alltags klarzukommen. Gemeint sind jene, die das bayerischen Digitalministerium als "digital Abseitsstehende" oder auch "digital Benachteiligte" bezeichnet. Laut Ministerium, das dazu eine Studie hat erstellen lassen, umfasst diese Gruppe in Bayern zwölf Prozent der Bevölkerung. Macht bei 13 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern rund 1,5 Millionen Betroffene im Freistaat.

Zu ihnen gehören ältere Menschen ab 65 Jahren sehr viel öfter als jüngere, Frauen öfter als Männer, Ungebildete öfter als Gebildete. Sie geraten ins digitale und damit ins soziale Abseits – auch, weil sie von den Verantwortlichen oft nicht mehr mitgedacht und berücksichtigt werden. Ein Blick auf die Hintergründe - und drei Beispiele aus Unterfranken. Die Fälle sind real, die Namen der Betroffenen geändert. 

Fall 1: Wie kommt Doris Klein ohne Mail-Account an die Erstimpfung?

Wenn Doris Klein trotz Vorerkrankung und einem Job mit Publikumskontakt nicht zeitnah geimpft wurde, dann liegt das nicht daran, dass sie die Spritze scheut.  Im Gegenteil: "Ich weiß doch, dass ich mit meinem Asthma Risikopatientin bin", sagt die 56-Jährige aus dem Landkreis Würzburg. "Ich wollte mich anmelden, aber es ging nicht."

Doris Klein, die mal als Regale-Auffüllerin, mal als Reinigungskraft arbeitet, besitzt nämlich keinen Computer. "Ich habe vorher nie einen Computer gebraucht und wenn ich Geld hatte, dann habe ich das für einen Urlaub in der Sonne gespart." Als im Frühjahr 2021 Impfanmeldungen zunächst nur über das Impfzentrum möglich waren und einen gültigen Mail-Account voraussetzten, fühlte sich die 56-Jährige im Stich gelassen. Rein technisch gesehen hätte Klein auch über ihr Handy einen Mail-Account erstellen können. Aber das sei ihr "zu hoch" gewesen, sagt sie seufzend: "Ich kann das mit den Mails nicht und lerne es nicht mehr." Erst als im Frühsommer dann auch die Hausärzte impfen durften, kam die Frau an den erhofften Piks.

Computerkurse für Einsteiger sind aufgrund der Kontaktbeschränkungen ausgesetzt

Stefan Moos, der Leiter der Würzburger Volkshochschule (VHS), kennt das Problem. Seine Einrichtung sieht es als ihren Auftrag, Menschen wie Klein digitale Basiskenntnisse zu vermitteln. Doch Computerkurse für "Einsteiger", die vor der Pandemie gut liefen, sind wegen der Corona-Kontaktbeschränkungen aktuell ausgesetzt.

"Solche Kurse gehen nur in Präsenz", sagt Moos. Denn für viele ohne digitale Erfahrung sei es schon ein wagemutiger und großer Schritt, sich für einen solchen Kurs überhaupt zu entscheiden: "Da hat es geholfen, wenn so ein Kurs etwa im großen Ratssaal einer Gemeinde stattfinden konnte, mit Snacks und guter Atmosphäre und einem Bürgermeister, der die Teilnehmenden herzlich begrüßt hat."

Senioren als Trainer und Helfer: Seit Jahrzehnten vermittelt Peter Wisshofer (im Bild rechts mit seinen Kollegen Dieter Zellhöfer und Herbert Schmidt Anfang 2020) in und um Würzburg digital Ungeübten Computer-Wissen.
Foto: ArchivAngelika Cronauer | Senioren als Trainer und Helfer: Seit Jahrzehnten vermittelt Peter Wisshofer (im Bild rechts mit seinen Kollegen Dieter Zellhöfer und Herbert Schmidt Anfang 2020) in und um Würzburg digital Ungeübten Computer-Wissen.

Der Würzburger VHS-Leiter fürchtet, dass "digital Benachteiligte" immer weniger am Leben teilhaben können und sich jetzt resigniert zu Hause verkriechen und sozial vereinsamen. Davon geht auch Peter Wisshofer aus, der sich seit Jahrzehnten im Würzburger "Internet-Cafe von Senioren für Senioren" ehrenamtlich engagiert. Der Rentner und PC-Trainer kennt viele Menschen, für die die Erstellung eines Mail-Accounts eine Herausforderung ist und die einen QR-Code für überflüssigen Schnickschnack halten.

Vor Corona, erzählt Wisshofer, habe er versucht, Ältere "mit Spaß" an den Laptop heranzuführen. "Ich habe nichts von Bits und Bytes erzählt, sondern die Leute gefragt, ob sie nicht mal ihr nächstes Urlaubshotel im Netz checken wollen." 

PC-Trainer kämpft dafür, dass Behörden digital Ungeschulte nicht vergessen

Nicht jeder "digital Benachteiligte" habe Lust auf Computerkurse, ist Wisshofers Erfahrung. "Ich hab' mein Leben lang geschuftet, jetzt mag ich nicht mehr", zitiert er einen Satz, den er von Computerverweigern kennt.

Aber es gebe auch Ältere, die gerne lernen wollten, deren Körper aber nicht mitmache. So erinnert sich Wissmann an eine 83-jährige Seniorin, die aufgrund ihrer Parkinson-Erkrankung die gewünschten Computertasten nicht treffen konnte. "Ich kämpfe dafür, dass auch an diese Leute gedacht wird", sagt der Trainer.

Im Eifer der Digitalisierung würden Behörden, Verwaltungen, aber auch Banken oder Krankenkassen viel zu selten beachten, dass ein Teil der Bevölkerung mit dem Computer schlicht gar nicht oder nur schlecht umgehen könne. Seine Forderung: Die Behörden müssen digital Abstinente mehr mitdenken.

Fall 2: Wie beweist Hanne Leistner, dass sie fürs Boostern angemeldet ist?

Als im Dezember 2021 in den Medien nahezu täglich vor der nahenden Omikron-Welle gewarnt wurde, wuchs bei Rentnerin Hanne Leistner die Angst. Sie wollte dringend eine Booster-Impfung, beim Hausarzt aber waren alle zeitnahen Termine ausgebucht. "Gehen Sie ins Impfzentrum", lautete der Rat. Für die 78-Jährige leichter gesagt als getan – denn Termine für eine Booster-Impfung in ihrem Impfzentrum wurden offenbar nicht telefonisch, sondern nur per Mail vergeben.

Was tun, wenn man keinen PC hat und keinen computeraffinen Enkel, der die Anmeldung mal schnell erledigt?  Hilfe suchte und fand Hanne Leistner schließlich im "StadtteilLaden Heidingsfeld".

"Die Dame kam zu uns und wir haben uns hier an die Arbeit gemacht", berichtet Leiterin Petra Neckermann.  Auch sie empfand die Anmeldung beim Impfzentrum als eher umständlich. Gut zwei Stunden habe sie gebraucht, um einen Mail-Account für Leistner anzulegen und der Seniorin auf dem zeitweise widerborstigen Portal des Impfzentrums einen Termin zu sichern, berichtet Neckermann. "Verlangt wurde dann noch ein Ausdruck als Beleg der Impfanmeldung."

Sozialpädagogin: Behörden vergessen, dass manche Leute kein Geld für Geräte haben

Den Ausdruck brachte die "StadtteilLaden"-Chefin ihrer Klientin dann sogar daheim vorbei. Sie ärgert sich über das aufwändige Procedere: "Wie können Impfzentren davon ausgehen, dass jeder Impfwillige einen Drucker zu Hause hat? Das bildet die Realität doch gar nicht ab!" Dabei denkt Neckermann nicht nur an Senioren, sondern auch an viele Migrantinnen und Migranten, die in der Heidingsfelder Einrichtung Hilfe suchen: "Bei denen geht es weniger um Impfungen oder Tests, sondern mehr um den Kontakt mit Behörden", sagt Neckermann.

Ihre Kritik: Ob Arbeitsamt oder Jobcenter, Krankenkasse oder Bank – immer mehr Institutionen setzten bei der Kundschaft elektronischen Kontakt voraus und ignorierten, dass manche Menschen sich notwendige Geräte nicht leisten könnten.

Fall 3: Wie kommt Aada Demir an den Ausdruck ihrer Hausarbeit?

Aada Demir, macht an einer Berufsfachschule in der Region ihre Ausbildung. Die junge Frau lernt gerne und schreibt oft gute Noten, kassierte aber kürzlich ein "Ungenügend", weil sie eine Arbeit nicht ausgedruckt vorlegen konnte. Demir hat keinen Zugriff auf einen Drucker.

"Ich komme nicht zurecht, ich brauche Hilfe" - diesen Satz hört Christiane Fellows, Leiterin des Mehrgenerationenhauses in Schweinfurt praktisch jeden Tag. Die Nachfrage nach digitaler Unterstützung hat sich seit Corona massiv erhöht, sagt Fellows.

Und diese Nachfrage werde immer größer, wenn bei der Digitalisierung keine Rücksicht auf arme Menschen genommen werde: "Und damit meine ich nicht nur Senioren und Migranten, sondern oft auch Kinder und Jugendliche", betont die Leiterin des Mehrgenerationenhauses. Bildung setze inzwischen digitale Geräte voraus, diese aber könnten sich viele nicht leisten. Das Bildungsgefälle zwischen Arm und Reich, warnt Christiane Fellows, nehme zu.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Schweinfurt
Heidingsfeld
Gisela Rauch
Arbeitsämter
Digitaltechnik
Kontaktbeschränkungen
Mobiltelefone
Rentner
Öffentliche Behörden
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • G. K.
    Was mich am meisten ärgert sind die Banken: immer weniger Leistung (Schalter abgeschafft, Personal abgeschafft, bei einem traditionsreichen fränkischen Haus sogar den Auszugsdrucker und demnächst den Geldautomaten) und als Gegenzug immer höhere Gebühren und kaum noch Zinsen, es sei denn Sie wären im Minus, dann dürfen Sie kräftig bezahlen.

    So bestraft man dann eine Stammkundschaft im fortgeschrittenen Alter, die der Hausbank oft genug Jahrzehnte die Treue gehalten hat.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • G. S.
    Stimmt, im persönlichen Umfeld kenne ich auch ein zwei Personen, die als „Jungrentner“, nun die Zeit und auch noch das geistige Vermögen hätten, sich digital zu bilden (z.B. in Seniorenkursen). Aber leider ist es ihnen aufgrund massiver gesundheitlicher Bewegungseinschraenkungen der Hände nicht möglich, ein Tablett, Laptop, Smartphone zu bedienen. Die Sprachfunktion ist zwar okay, aber nicht für alle Funktionen möglich (z.B. Onlinebanking). Eine gewisse Traurigkeit, dass sie nicht „mithalten“ können und von anderen abhängig sind, ist erkennbar.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • U. S.
    Aada Demir, macht an einer Berufsfachschule in der Region ihre Ausbildung. Die junge Frau lernt gerne und schreibt oft gute Noten, kassierte aber kürzlich ein "Ungenügend", weil sie eine Arbeit nicht ausgedruckt vorlegen konnte. Demir hat keinen Zugriff auf einen Drucker.Was ist das bitte für ein Lehrer ? Der weiss das kein Drucker vorhanden ist und dafür eine Schlechte Note vergibt. Schön wäre es gewesen wenn er Ihr Drucken in der Schule erlaubt hätte. Es wird immer schlimmer.Nicht jeder hat das Geld für Rechner Drucker und Co. Und dann noch einen Kurs wir "Doofen" So fühle ich mich dann schon,auch alles richtig machen. Traurig
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • A. N.
    Danke, dass Sie das mal laut aussprechen. Meine Eltern (82 und 72 Jahre) wären ohne meine Hilfe überhaupt nicht an Boosterimpfungen gekommen. Und selbst ich als computeraffiner musste schauen, was wo geklickt werden muss, bis ich zum Ziel komme.
    Barrierefrei ist anders.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten