Seit vier Jahren ist Kerstin Celina hauptberuflich Politikerin. Hat sich die Kürnacherin in dieser Zeit vom "normalen Leben" entfremdet? "Nein." Die 50-jährige Landtagsabgeordnete des Stimmkreises Würzburg-Land ist sich sicher. Sie habe zum Glück Menschen, für die sie keine Politikerin ist, sondern Freundin, Nachbarin oder Familienmitglied. Auch bei der Freiwilligen Feuerwehr oder der Ortsgruppe des Bund Naturschutzes sei sie "ganz normales Mitglied und zum Glück mal nicht die Chefin."
Solche Kontakte sind der Volkswirtin wichtig. Denn die Gefahr, dass man sich als Berufspolitiker nur unter seinesgleichen in geschlossenen Kreisen bewegt, ist groß. "Nach einer Legislaturperiode vielleicht noch nicht, aber auf Dauer schon."
Dass Celina noch länger im Münchner Maximilianeum arbeitet, ist angesichts der aktuellen Umfragewerte sehr wahrscheinlich. Auch eine Koalition der Grünen mit der CSU könnte möglich werden. "Mitregieren würde ich schon gerne", sagt die Kreisvorsitzende der Würzburg-Land-Grünen. "Aber nur, wenn wir Partner auf Augenhöhe wären und soziale und ökologische Ziele durchsetzen."
160 Anfragen vom Biber bis zur Zwangsprostitution
Denn aus der Opposition heraus ist Politik mühsam. Das hat Celina die vergangenen vier Jahre im Landtag erlebt. 160 Anfragen hat sie zu verschiedensten Themen gestellt. Mit diesem Mittel können Abgeordnete, Zahlen und Fakten nachfragen und ein Thema setzen. Manchmal passiert dann auch etwas.
Drei Beispiele aus den vergangenen Wochen: Mit der Anfrage zur Ansiedlung von Bibern will Celina höhere Ausgleichszahlungen für Landwirte erreichen. Dass man mehr tun muss, um Zwangsprostitution zu verhindern, soll eine andere Anfrage zeigen. Und eine weitere, die Einrichtung von Naturschutzgebieten im Spessartvoran bringen. Lokale Themen, in denen Celina sich eingebracht hat, sind zum Beispiel der Erhalt der Mittelschule in Rimpar oder die Verhinderung eines geplanten Hotels am Main in Volkach.
"Diese Breite liegt mir", sagt Celina. Als sozialpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion beschäftigte sie sich in den vergangenen Jahren mit dem Steuerrecht für Alleinerziehende, staatlicher Unterstützung für Gehörlose und der Finanzierung von Pflegeeinrichtungen. "Es macht mir unglaublich Spaß, mich immer wieder in neue Themen einzuarbeiten. Ich habe einfach einen richtig tollen Beruf."
Momentan noch mehr Spaß macht der grünen Politikerin der Wahlkampf. Zwar hat sie bis zum Wahltag am 14. Oktober kaum noch eine ruhige Minute. Aber die Stimmung im Team sei super und der Zuspruch groß.
Großes Interesse am Thema Klimawandel
Der Rechtsruck der Gesellschaft, ein weiterer bayerischer Nationalpark und vor allem Klimawandel bewege viele Bürger. "Gerade dieser Sommer hat viele Leute nachdenklich gemacht", sagt Celina. "Dass ohne uns Grünen in diesem Bereich nichts voran geht, wissen die Menschen." Die CSU habe in Bayern den Nationalpark Steigerwald verhindert und den Ausbau von Windenergie und anderer erneuerbarer Energien ausgebremst.
Könnte eine Landwirtschaft ohne Chemie die Menschheit ernähren? Wie viele Flüchtlinge kann Deutschland aufnehmen? Das sind weitere Fragen, die Würzburger mit Celina an Infoständen der Grünen diskutieren. Dabei erleben diese eine gut informierte, sachliche aber auch leidenschaftliche Politikerin.
Bei Podiumsdiskussionen oder Vorträgen argumentiert Celina ruhig aber mit deutlichen Worten. Dass sie zu solchen Veranstaltungen von vielen verschiedenen Initiativen, Verbänden oder Schulen eingeladen wird, freut sie. So ist sie zum Beispiel an einer Mittelschule in Marktheidenfeld Patin des Projekts "Schule ohne Rassismus".
Vegetarisch aber nicht dogmatisch
Begegnungen mit Jugendlichen machen der Mutter zweier Töchter Freude. Denn entgegen der gängigen Vorurteile schwärmt sie häufig "total motivierte junge Leute, die sich politisch engagieren". Überhaupt ist Celina Optimistin: "Gerade in Würzburg sieht man, dass etwas voran geht." Von der Dichte an vegetarischen Angeboten in der Gastronomie bis zur Ausweitung verkehrsberuhigter Zonen.
Sie selbst fährt, wenn irgendwie möglich, mit dem Rad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln. "Sonst wäre meine Politik auch unglaubwürdig." Sie ist Vegetarierin. Aber keine strenge. Dogmatisch ist sie nicht. "Wenn es sich nicht vermeiden lässt, benutze ich auch das Flugzeug, versuche das aber auf maximal einmal im Jahr zu begrenzen."