Die Corona-Krise hat zu einem massiven Anstieg von Home-Office und Kurzarbeit geführt. Unternehmen müssen neue Wege gehen, die Mitarbeiter sowieso. Was wird das über die Krise hinaus mit unserem Arbeitsalltag machen? Was sollten Unternehmer daraus lernen? Welche Rolle kommt dabei den Gewerkschaften und Betriebsräten zu? Frank Firsching (55), Unterfrankens Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Schweinfurt, gibt Antworten.
Frage: Home-Office, Video-Konferenzen, Kurzarbeit: Die Corona-Krise hat das tägliche Arbeiten verändert. Wie beurteilen Sie das?
Frank Firsching: Eine generelle Aussage, ob das alles gut oder schlecht ist, ist nicht möglich. Die Digitalisierung verändert unsere Arbeitsweisen ohnehin schon. Durch die Corona-Krise haben digitale Anwendungen an Schwung gewonnen, weil auch die Arbeitgeber die Möglichkeiten und Vorteile erkennen, die digitalisiertes Arbeiten bietet. Auch die Beschäftigten sehen vielfach Vorteile, wenn sie sich den Arbeitsweg sparen und von zuhause aus arbeiten können.
Begrüßen Sie das als Gewerkschafter?
Firsching: Jetzt kommt das Aber. Insbesondere diejenigen, die im Handwerk, in der Fabrik oder Produktion arbeiten, werden das nie von zuhause aus tun können. Deswegen muss man differenzieren. So lange die Rechte der Beschäftigten nicht negativ tangiert sind, also zum Beispiel durch Überwachung, sehen wir das digitale Arbeiten positiv. Positiv ist auch, wenn die Beschäftigten an der Gestaltung ihrer Arbeit beteiligt sind und die Arbeitsform nicht aufgedrängt bekommen.
Was sollten die mainfränkischen Unternehmer aus der Corona-Krise lernen?
Firsching: Sie lernen aktuell, dass sie Mitarbeitern vertrauen können. Wir haben ein hohes Maß an Home-Office. Das wurde bislang hier und da aus Misstrauen nicht eingesetzt.
- Immer aktuell: Unser großes Extra zur Corona-Krise in Mainfranken
Wenn die Corona-Krise vorüber ist, wie wird Mainfrankens Wirtschaft dann dastehen?
Firsching: Sie wird genauso dastehen wie andere Wirtschaftsregionen in der Republik. Die große Aufgabe wird dann sein, das Wirtschaftsleben wieder in Schwung zu bringen.
Welche Rolle werden dabei die Gewerkschaften und Betriebsräte haben?
Firsching: Sie haben aktuell die Rolle, die Arbeitsplätze und perspektivisch die Löhne zu sichern. Wir sind auch jetzt in Tarifverhandlungen. Dabei geht es in erster Linie um Arbeitsplatzsicherheit und in zweiter Linie um die Sicherung des Lohnniveaus, damit wir nach der Corona-Krise keinen Konsumeinbruch erleben müssen.
Auf der einen Seite wollen Ihre Gewerkschaften das Lohnniveau sichern, auf der anderen Seite hängen die Unternehmen wegen Corona in den Seilen.
Firsching: Die Unternehmer wissen, dass die Binnennachfrage wesentlich ist, um die Produkte an die Kunden zu bringen. Ohne gute Löhne werden wir unsere schönen Autos auch nicht verkaufen können.
In Folge von Corona hat die Kurzarbeit in Mainfranken massiv zugenommen. Im Herbst ist zudem eine Welle von Insolvenzen zu erwarten. Haben Sie Angst vor dem, was da noch kommt?
Firsching: Angst ist immer ein schlechter Ratgeber. Wir haben einen Sozialstaat, der gerade seine Stärke beweist. Beim Blick auf Länder wie die USA, die einen Sozialstaat nicht kennen, kann man den Unterschied feststellen. Unser Sozialversicherungssystem kann Instrumente bereitstellen wie Kurzarbeit und andere staatliche Hilfen für alle möglichen Gruppen. Das zeigt mir, dass die soziale Marktwirtschaft der freien Marktwirtschaft weit überlegen ist. Deswegen bin ich zuversichtlich, dass wir mit einer gemeinsamen Anstrengung von Politik, Arbeitgebern und Gewerkschaften diese Krise bewältigen können.
Was bedeutet der 1. Mai in Corona-Zeiten? Wird dieser Tag der Arbeit überhaupt noch seinen ursprünglichen Geist behalten?
Firsching: Der 1. Mai hat ja seinen Ursprung im 19. Jahrhundert. Damals ging es um die faire Gestaltung der Arbeitsbedingungen. Wir haben auch noch heute zum Beispiel Menschen, die im Niedriglohnbereich tätig sein müssen. Wir haben viele Kolleginnen und Kollegen, die befristet oder unsicher beschäftigt sind. Bei all denen geht es auch in Zukunft darum, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Dort, wo die Gewerkschaften stark sind, sind die Arbeitsbedingungen besser und die Löhne höher. Wir müssen daran arbeiten, dass wir die gesellschaftliche Bedeutung der Gewerkschaften nicht verlieren. Wenn wir schwächer werden, ist es schlechter für alle. Das sieht man im Gegenzug daran, dass unsere aktuellen Forderungen nach höherem Kurzarbeitergeld so langsam in der Politik ankommen.
Wie feiern Sie heuer den 1. Mai?
Firsching: Ich werde ihn zuhause verbringen wie andere auch. Ich werde meine DGB-Fahne ins Fenster hängen, ganz traditionell. Um 11 Uhr werde ich mit meiner Frau den DGB-Livestream auf Facebook oder der DGB-Homepage anschauen. Dazu werde ich uns Würste grillen, ein Bier aufmachen und auf die internationale Solidarität anstoßen.