So ganz wahrhaben wollen die rund zwei Dutzend Bewohnerinnen und Bewohner der Sanderstraße 39 die schlechten Nachrichten nicht: WGs, Nagelstudio, Architekturbüro und der "Sultan Döner" – sie alle müssen bis Ende nächsten Jahres ihre Mietwohnungen und Gewerbeflächen verlassen, weil die Würzburger Stadtbau, größte Vermieterin der Stadt, einen seit 24 Jahren bestehenden Vertrag nicht verlängert hat.
"Ich kann das nicht wirklich nachvollziehen", sagt Thomas Bieber, Besitzer des gleichnamigen Architekturbüros in der Sanderstraße. "Die Stadtbau spricht immer davon, bezahlbaren Wohnraum schaffen zu wollen und zerstört jetzt bestehenden bezahlbaren Wohnraum." Juristisch sei von Seiten der Stadtbau zwar alles korrekt gelaufen. Sinn ergäbe die Entscheidung und die Vorgehensweise der Würzburger Stadtbau in seinen Augen jedoch nicht.
Areal wurde in 90er Jahren für Hochschule Würzburg Schweinfurt gekauft
Bieber ist seit 1998 Hauptmieter des Areals. Die Stadtbau hatte das Anwesen in den 90er Jahren nach einem Stadtratsbeschluss als Erweiterungsoption für die angrenzende Fachhochschule gekauft. Weil diese zunächst keinen Bedarf hatte, wurde das Anwesen befristet an Thomas Bieber vermietet, der dieses wiederum teilweise untervermietete. Lange Jahre wurde der Mietvertrag wiederholt verlängert – bis die Stadtbau dann im Jahr 2019 einen Schlussstrich zog und eine weitere Verlängerung ablehnte.
Das Areal sei für eine "mittel- bis längerfristige perspektivische Entwicklung" der Fachhochschule angedacht gewesen und sollte auch an diese verkauft werden, erklärt Stadtbau-Geschäftsführer Hans Sartoris auf Anfrage der Redaktion. "Diese Zielsetzung gilt auch heute noch, weshalb die Stadtbau auf Basis aktueller Gremien-Beschlüsse derzeit Verhandlungen mit der Fachhochschule führt." Diese habe gegenüber der Stadtbau "deutliches Interesse" gezeigt.
Diese Argumentation ist für Thomas Bieber hingegen schwer nachvollziehbar, denn die Würzburger Stadtbau GmbH habe mit ihm selbst über Jahre hinweg Verkaufsgespräche geführt. Dabei sei auch ein öffentlicher Verkauf im Rahmen eines Bieterverfahrens an den Meistbietenden thematisiert worden. Seiner Information nach sei sich die Fachhochschule zudem gar nicht sicher, ob sie das Areal kaufen wolle, sagt Bieber. So drohe nach der Kündigung möglicherweise jahrelanger Leerstand des Geländes.
Mailverkehr belegt zwischenzeitlich weit vorangeschrittene Verkaufsgespräche
Mailverkehr, der dieser Redaktion vorliegt, belegt die Verkaufsgespräche zwischen der Stadtbau und Thomas Bieber. Tatsächlich waren die Gespräche Ende des Jahres 2020 schon so weit fortgeschritten, dass die Stadtbau ankündigte, einen Kaufvertrag aufzusetzen und schrieb: "Die Objektübergabe haben wir für das 1. Quartal 2021 eingeplant."
Wenig später revidierte die Stadtbau nach einer Sitzung des Aufsichtsrats ihre Ankündigungen "aufgrund weiterer verschiedener nun zu prüfender Nutzungsüberlegungen". Darauffolgendem Schriftverkehr ist zu entnehmen, dass der Aufsichtsrat der Würzburger Stadtbau offenbar zunächst Eigenbedarf der Stadt Würzburg an dem Areal geprüft und dann – als dieser verneint wurde – ein mögliches Kaufinteresse der benachbarten Hochschule abgefragt hatte.
Die Redaktion hat die Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS) gefragt, ob ein Kauf des Anwesens in der Sanderstraße geplant ist und wann die FHWS dieses gegebenenfalls frühestens nutzen wolle. Laut FHWS-Sprecherin Katja Bolza-Schünemann sind diese Fragen dort immer noch nicht abschließend geklärt. An diesem Dienstag, so Bolza-Schünemann, soll dies jedoch im Rahmen einer internen Besprechung thematisiert werden.
Geschäftsführer der Würzburger Stadtbau signalisiert Gesprächsbereitschaft
Die Würzburger Stadtbau indes signalisiert nun Gesprächsbereitschaft: "Mein nächster Austausch mit unserem Mieter ist im Übrigen nächsten Mittwoch terminiert", so Geschäftsführer Hans Sartoris gegenüber der Redaktion. Hauptmieter Thomas Bieber begrüßt diese Entwicklung. Einem Kauf zu akzeptablen Konditionen stehe er weiterhin offen gegenüber. Idealerweise, so Bieber, behalte die Stadtbau jedoch das Areal, sodass das bestehende Mietverhältnis Bestand habe.
Diese Option erscheint zum aktuellen Stand jedoch unwahrscheinlich: In der Vergangenheit hatte die Stadtbau mehrfach deutlich gemacht, dass sie das Gebäude veräußern wolle. Die Kündigung habe auch Bestand, wenn das Objekt zunächst in den Händen der Stadtbau verbleibe, heißt es in einer der Redaktion vorliegenden Email. Eine Frage der Redaktion, ob es einen aktuellen Anlass für eine Kündigung zum jetzigen Zeitpunkt gebe, ließ die Stadtbau offen.
Und eigentlich geht die Stadtbau mit ihren Liegenschaften immer sehr verantwortungsvoll um, nicht zuletzt durch gute und bis ins Detail durchdachte Renovierungen. Es wäre daher geradezu tragisch, wenn es ausgerechnet hier im Bereich der äußeren Altstadt anders wäre. Immerhin ist im Artikel von einem Abriss keine Rede - „Erweiterungsfläche für die FH“ kann auch bedeuten, dass man dorthin Büros auslagert. I. Ü. wäre für einen funktionalen Neubau das Areal am Sanderheinrichsleitenweg sicher besser geeignet.
Es wäre schön, wenn die Redaktion hier nochmal nachfragen könnte, ob das Gebäude erhalten bleibt!
Wer sicher nicht raus fliegen möchte, muss sich eine Wohnung kaufen.
Wenn rechtlich alles in Ordnung war, dann weiß ich jetzt nicht, warum man berichten muss.
Und dann noch das Bild der Ladenbesitzerin (eröffnet seit 06.11., wie man lesen kann) mit Kind....wenn das mal keine Stimmungsmache ist?!
in dieser Straße würde ich nicht mal für Geld freiwillig wohnen wollen...
Sorry, ich verstehe natürlich, was Sie meinen
Klingt leider nicht so.