
"Hier heißt es nicht: Stell dir mal vor, sondern du bist live in der Situation drin." So fasst Michael Bräuer, Leiter der Würzburger Feuerwehrschule, das Konzept seiner Lehrgänge zusammen. Zu diesem Zweck hat die Schule jetzt ein ganz neues Areal nach deren Fertigstellung offiziell übernommen. Für den Bau verantwortlich war das Staatliche Bauamt Würzburg.

An 17 neuen Stationen können so zahllose Unfall- und Unglücksszenarien von freiwilligen Feuerwehren aus ganz Nordbayern geprobt werden. Von der Lagerhalle mit Gleisen und Gasflaschenlager, über eine Tankstelle bis zum Bauernhof mit Scheune und Haus wurden dafür mehrere Gebäude neu gebaut.

Schulleiter Bräuer spricht von der "modernsten Übungsanlage in Europa". Eine Auswahl von sechs Übungen im neuen Bereich stellte die Feuerwehrschule jetzt bei einem Rundgang vor.
1. Brand in einer Tankstelle mit Werkstatt

Diese Übung ist Teil der Gruppenführer-Ausbildung. Eine Gruppe umfasst die Besatzung eines Löschfahrzeugs und besteht aus neun Personen, wie Bräuer aufzählt: dem Gruppenführer, einem Maschinist, einem Melder und drei Trupps zu je zwei Personen. Im Zentrum aller Übungen steht die Koordination und Führungsaufgabe des Gruppenführers. Das Anlegen von Atemschutz oder das Löschen werden nur angedeutet.
In diesem Szenario wählt der Gruppenführer erst den besten Parkplatz des Fahrzeugs aus. Er verschafft sich einen Überblick über Gebäude und Lage. Er weist verschiedene Aufgaben zu und zwei Personen betreten das Gebäude. Sie bringen eine "bewusstlose Person" ins Freie, bevor der Brand bekämpft wird. "Personenrettung geht vor", sagt Bräuer, "da muss man das Feuer erstmal Feuer sein lassen."
2. Flüssigkeitsbrand auf der Fahrbahn

Dieses Szenario wird mittels kontrolliert entzündetem Gas, das aus Leitungen unter der Straße kommt, simuliert. Wie Bräuer erklärt, könnte hier ein reales Vorbild der Unfall eines Lkw sein. Ein Gastransporter etwa könnte verunglückt sein. Bisher suche man aber noch nach einem passenden Szenario, um diese Station in einen Lehrgang zu integrieren, sagt Bräuer.
3. Feuer in einem Schnellimbiss

Dieses Szenario ähnelt dem Brand in der Tankstelle und ist ebenfalls Teil des Gruppenführer-Lehrgangs. Hier hat der Grill eines Schnellimbiss Feuer gefangen. Wieder erreicht das Löschfahrzeug den Brandort, wo die Gruppe vom Übungsleiter – in der Rolle des Imbissmitarbeiters – begrüßt wird: "Der Kollege ist noch drin", ruft er dem Gruppenführer zu.
Dieser sondiert das Gelände, informiert seine Gruppe und weist Aufgaben zu. Dann wird die Straße abgesichert, Schläuche und Atemschutz werden vorbereitet. Nachdem zuvor schon der "Kollege" gerettet wurde, beginnt jetzt das "Löschen". Durch die digitale Vernetzung des ganzen Geländes kann das Feuer einfach von Außen abgestellt werden, sobald das Löschen angedeutet wurde.
4. Verkehrsunfall am Bahnübergang mit Gasanlage

Bei dieser Übung handelt es sich um einen Teil des Zugführerlehrgangs. Der Zugführer ist für einen Löschzug, bestehend aus drei Fahrzeugen verantwortlich, erklärt Bräuer. In dieser Übung gab es einen Unfall, bei dem ein Autofahrer aufgrund eines medizinischen Notfalls in ein Gaslager gefahren ist. Das Gas im Tank und in Flaschen entzündet sich daraufhin.
Hier wird die taktische Arbeit des Zugführers trainiert. Es komme darauf an, die richtigen Stellplätze der Fahrzeuge auszuwählen und klarzustellen, wer löscht und wer rettet, sagt der Schulleiter. Eine Besonderheit habe das Löschen von Gas: Unter Umständen sei es nicht immer das Beste, brennendes Gas komplett zu löschen. Unkontrolliert austretendes Gas führe zu Explosionsgefahr.
5. Rettung aus gefluteter Unterführung

Hier geht es wieder um die taktische Arbeit des Gruppenführers. Er schätzt die Lage vor Ort ein: Ein Auto steckt im Wasser fest, der Fahrer kann sich offensichtlich nicht selbst befreien. Nach einem ersten Gespräch mit dem Fahrer bespricht der Gruppenführer das Vorgehen mit seinem Team. Eine Einsatzkraft bleibt jedoch beim Fahrer und beruhigt ihn.
Währenddessen holen die Feuerwehrleute eine Trage, auf der die Person dann gerettet wird. Wie Bräuer erklärt, hat die Feuerwehrschule einen geschlossenen Wasserkreislauf. Alles Wasser kommt aus einem eigenen Wasserbecken und fließt über unterirdische Leitungen wieder in dieses hinein.
6. Verkehrsunfall mit Austritt chemischer Stoffe

Bei diesem Szenario handelt es sich um einen Teil einer Spezialausbildung für Freiwillige Feuerwehren, die entsprechende Spezialgeräte zur Verfügung haben. Alle Einsatzkräfte ziehen dafür besonders sichere Schutzkleidung an. Den Ablauf erklärt Bräuer so: Erst werden die Chemikalien direkt am Leck aufgefangen. Dann muss es abgedichtet werden, bevor die Chemikalien letztlich abgepumpt werden.
Währenddessen baut das restliche Team eine Dekontaminationskette auf. Dabei handelt es sich um die verschiedenen Stationen, an denen die Feuerwehrleute, die direkt mit den Chemikalien arbeiten, nach und nach die Schutzkleidung reinigen und sicher ausziehen.