Die Euphorie war groß. Wie bei vielen, die etwas zur Energiewende beitragen wollen und eine Photovoltaik-Anlage auf dem Hausdach installieren. Das Ehepaar Melzer aus Würzburg freute sich darauf. Dann kam die Bürokratie: Anmeldungen, Prüfungen, Steuerfragen. Und nach der Installation das lange Warten auf den Zählerwechsel.
Erst nach dem Ersatz von älteren, analogen Zählern kann der eingespeiste Solarstrom überhaupt gemessen werden. Die Melzers warten noch immer – und sind ein Beispiel, wie aus ökologischer Begeisterung Frust werden kann. Bei vielen Privatleuten vergehen Monate, bis ihre fertige Solaranlage endlich ans Netz darf.
Beispiel aus Würzburg: Mit kleiner Anlage auf dem Dach den eigenen Strombedarf decken
Hausbesuch bei Andreas und Christina Melzer, die 17 Solarmodule auf dem Altbaudach glänzen in der Sonne. Davor war hier eine Solarthermie für das Warmwasser installiert. Doch nach dem Ausfall des Kältemittels fand sich kein Betrieb für eine Reparatur. Dazu die Energiekrise und das eigene Umweltbewusstsein: Vor etwa einem Jahr entschied sich das Paar aus Würzburg für eine Photovoltaik-Anlage.
Mit einer Leistung von 6,6 kWp zwar nicht besonders groß, soll sie immerhin rund 7000 Kilowattstunden Strom pro Jahr liefern – mehr als genug für den eigenen Haushalt. Um möglichst viel davon selbst zu nutzen, bestellten die Melzers einen Speicher dazu. In Bayern gab es in den vergangenen Jahren ein Förderprogramm dazu, es wurde zum 22. April 2022 eingestellt.
Was der Haushalt an eigenem Solarstrom nicht verbraucht, soll ins Netz eingespeist werden. Mit derzeit 8,2 Cent pro Kilowattstunde lässt sich damit zwar nicht viel verdienen – aber besser als nichts. "Vor allem ist es ein gutes Gefühl, wenn man etwas zur Energiewende beitragen kann", meint Statiker Andreas Melzer.
Schon die Installation der Anlage habe sich um Monate verzögert, weil der beauftragten Firma Personal fehlt, sagt Melzer. Man finde keine Azubis mehr, habe es geheißen. Corona-Ausfälle kamen dazu. So dauerte es neun Monate von der Bestellung im Mai 2022 bis zur Fertigstellung Ende Februar 2023.
Auskunft des Netzbetreibers: Sechs Monate warten auf den Zählerwechsel
Die Genehmigung durch den Netzbetreiber – die Mainfranken Netze (MFN) unter dem Dach der Würzburger Versorgungs- und Verkehrsbetriebe (WVV) – lag den Melzers bereits im August 2022 vor. Am 1. März 2023 schließlich habe die Solarbaufirma ordnungsgemäß die "Inbetriebsetzung" an die MFN gemeldet, sagt Melzer. Heißt: Die Anlage ist startklar, kann nach dem notwendigen Zählerwechsel sofort ans Netz gehen und der überschüssige Strom eingespeist werden.
"Wir bekamen null Reaktion", sagt Melzer verärgert. "Keine Bestätigung, keinen Termin für den Zählerwechsel, nichts." Auf seine telefonische Nachfrage bei den Mainfranken Netzen zweieinhalb Wochen später habe er die Auskunft erhalten: Man habe keine Leute und kein Material, mit dem Zählerwechsel sei erst in einem halben Jahr zu rechnen. Ernüchterung und Frust machten sich bei dem Ehepaar breit.
Wartezeiten von drei Monaten waren schon in den vergangenen Jahren keine Seltenheit, zeigen Recherchen dieser Redaktion. Christina und Andreas Melzer verstehen nicht, warum überhaupt der Netzbetreiber den Zähler tauschen und dafür Termine mit den Installationsfirmen ausmachen muss. "Das könnte man doch den Solarfirmen übertragen", meint Andreas Melzer.
Auf Nachfrage der Redaktion kann man sich beim Netzbetreiber MFN die angekündigte Verzögerung in dem konkreten Fall nicht erklären. Normalerweise werde der Zähler innerhalb von zwei bis sechs Wochen nach der Meldung der Fertigstellung gewechselt, sagt Konzernsprecherin Susanna Blum. Die Wartezeiten hätten sich nicht verlängert. Zwar sei die Zahl der gemeldeten PV-Anlagen bei den Mainfranken Netzen drastisch gestiegen – von 237 im Jahr 2018 auf 1890 im vergangenen Jahr. Doch dies habe man durch zusätzliche Mitarbeitende kompensieren können, versichert Blum.
Boom bei privaten Photovoltaik-Anlagen in Unterfranken
Eine Umfrage bei den Netzbetreibern in Unterfranken zeigt: Überall boomen die privaten PV-Anlagen. Beim Bayernwerk verdoppelte sich 2022 in einzelnen Monaten die Zahl von Anträgen, sagt Sprecher Maximilian Zängl. Von sieben befragten Netzbetreibern räumen nur drei ein, dass sich durch den starken Zuwachs bei privaten PV-Anlagen die Wartezeiten für Zähler und Anschluss verlängern. Sie schwanken nach Aussagen der Unternehmen zwischen einer Woche und zwei Monaten.
Ginge das schneller, wenn die Solar- bzw. Elektrofirmen selbst die Zähler wechseln und ans Netz anschließen dürften? Gesetzlich gibt es Regelungen dazu, sie werden von den Netzbetreibern aber unterschiedliche genutzt. Fakt ist: Für digitale Zähler ist der Messstellenbetreiber zuständig – in der Regel sind dies die Netzbetreiber selbst. Manche von ihnen lagern diese Aufgabe an beauftragte Unternehmen aus.
In Unterfranken ist es üblich, dass die Netz- bzw. Messstellenbetreiber zum Zählerwechsel einen gemeinsamen Termin mit der Installationsfirma der PV-Anlage vereinbaren. Dies habe sich bewährt, heißt es etwa von den Stadtwerken Schweinfurt und der "N-ERGIE" als Netzbetreiber. So könnten eventuell auftretende Probleme gleich vor Ort abgestimmt werden.
Doch gerade die Terminfindung zwischen Messstellenbetreiber und Solar- bzw. Elektrofirmen scheint teils für gehörigen Zeitverzug zu sorgen. Im Falle der Melzers heißt es nun von den Mainfranken Netzen: Der Installateur habe noch nicht angerufen, um einen Termin zu vereinbaren. Er sei per automatischer Mail nach der Fertigstellungsmeldung darum gebeten worden.
Umgekehrt klagen Installationsfirmen, sie bekämen keinen Termin beim Betreiber. Man zeigt mit dem Finger aufeinander – und die privaten Anlagenbetreiber warten. Die Auftragslast ist hoch, Solarfirmen und Netzbetreiber haben alle Hände voll zu tun. Dennoch: "Die Kommunikation muss klappen", findet Roland Göpfert, Geschäftsführer des Überlandwerks Rhön. Dort hat man mit direkten Mails an die Installateure eine Verbesserung erreicht. Andere, wie das Bayernwerk und "N-ERGIE" gehen noch weiter: Sie wollen die Zähler künftig durch geschulte und bei den Netzbetreibern eingetragene Installateure wechseln lassen, damit sich die Wartezeiten verkürzen.
Dem Verdacht, die Verzögerungen könnten schon heute mit Engpässen im Leitungsnetz zusammenhängen, treten die unterfränkischen Betreiber entgegen: Für kleinere private PV-Anlagen gebe es hier aktuell keine oder nur geringfügig Probleme. Doch trotz Netzausbaus wollen die Betreiber nicht ausschließen, dass es in naher Zukunft zu so genannten Abregelungen kommt: Anlagen dürften dann zeitweise nicht mehr die volle Leistung ins Netz einspeisen.
Vor allem in Zeiten niedrigen Verbrauchs – etwa an Sommerwochenenden, Feier- oder Brückentagen – könnte dies der Fall sein, sagt Überlandwerk-Chef Göpfert. Voraussichtlich würden solche Maßnahmen aber kaum die kleinen privaten PV-Dachanlagen treffen. "Wir würden wahrscheinlich eher wenige große Anlagen abregeln", sagt auch Susanna Blum für die Mainfranken Netze.
Tipp vom Fachmann: Möglichst frühzeitig mit Netzbetreiber sprechen
Grundsätzlich sichert das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) den Anschluss privater PV-Anlagen: "Besteht schon ein Netzanschluss, so hat der Kunde hat ein Recht darauf", erklärt Stefan Schinagl, kaufmännischer Leiter der Energieversorgung Lohr-Karlstadt. Er rät allen Interessenten, sich vor der Installation einer privaten PV-Anlage frühzeitig zu melden: "Häufig wird zu spät mit dem Netzbetreiber gesprochen." Dies führe dann zum Zeitverzug.
Die Melzers hatten alle Schritte rechtzeitig unternommen. Nun warten sie darauf, endlich die erste Kilowattstunde von ihrem Dach ins Netz einspeisen zu können. Was sie lange nicht wussten: Zur reinen Eigennutzung ist der Betrieb der PV-Anlage schon vor dem Zählerwechsel möglich. Inzwischen produzieren ihr Dachmodule – wenigstens für den Eigenverbrauch und zum Füllen des Speichers.
Wie es bei Familie Melzer weiterging, lesen Sie hier:
(In einer früheren Version dieses Beitrags hieß es, dass es das bayerische Förderprogramm für PV-Speicher noch gibt. Dies ist nicht korrekt, das Programm wurde zum 22. April 2022 eingestellt.)
Hat selbst keine auf dem Dach.
Viel zu überteuert.
Merke jede Förderung greift sich der Hersteller und der Handwerker ab.
In ca. 5 Jahren fallen die Preise.
https://echtsolar.de/preisentwicklung-photovoltaik/
"Merke jede Förderung greift sich der Hersteller und der Handwerker ab."
Das haben wir auch wieder schön beim Tankstellenrabatt gesehen. So ist das halt mit der Marktwirtschaft.
Allerdings wenn jetzt durch die AKW-Abschaltung vermehrt Stromausfälle kommen, dann vielleicht doch noch ein 2tes Notstromaggregat bereitstellen
So sollte ja auch zum Jahresbeginn die 70%-Drosselung für die Einspeisung in kommunale Netze wegfallen. Das war aber in aller Form bei den Kommunalunternehmen zu beantragen, und das habe ich auch - mit Rückmeldung - vorgenommen.
Ich warte aber immer noch, auch nach mehrmaligen Rückfragen, auf einen Bescheid. Und darf nach wie vor nur maximal 70% der Nennleistung (4 kWp) einspeisen.
So arg viele Tage hat es im neuen Jahr ja noch nicht geben wo die " 70% der Nennleistung" überschritten wurde. Aber ärgerlich ist es schon wenn es so lange dauert. Ich vermute mal die Strombreisbremse hat bzw. macht den Stromunternehmen doch viel zusätzliche Arbeit.
Es wäre eine Kleinigkeit für die Politik gewesen, hier für Privatleute mit kleinen Anlagen Erleichterung zu schaffen. Nur war das wohl nicht gewünscht. Wirtschaftspolitik war in Deutschland schon immer Konzernpolitik. Warum also sollte man kleine, dezentrale Stromerzeugung fördern, die in Summe doch nur den Konzern Amigos, in deren Aufsichtsräten sich unsere Politiker tummeln, die Bilanz verhageln?
Da man aus Imagegründen nicht einfach zugeben kann, dass man das nicht will, macht man es den Leuten eben schwer. So ist sichergestellt, dass nicht die breite Masse einen Großteil des eigenen Stroms selber erzeugt, sondern lediglich ein paar Idealisten, die sich nicht abschrecken lassen.
Wetten, dass es dann ganz plötzlich auch schneller geht?
Klasse! Wenn Sie einen Facharzt brauchen und keinen Termin in absehbarer Zeit erhalten, dann setzen Sie dem Arzt sicher auch eine Frist. Nach Ablauf der Frist behandeln Sie sich dann selbst?
Die Platten und Wechselrichter waren mindestens 1/3 billiger, die Vergütung 3 mal so hoch wie jetzt. Da haben viele geschlafen damals. Ich habe selber bei Freunden Werbung gemacht, aber ohne Erfolg. Jetzt wird gejammert über Preise und Verfügbarkeit.
Manchmal hilft allein die Androhung des Wechsels, dass der Zählertausch schneller geht.
Bitte Quelle dazu angeben.
Meine besagt, dass es nicht (mehr) stimmt: https://www.freistaat.bayern/dokumente/leistung/4497264052149
PV-Speicher-Programm seit dem 22. April 2022 eingestellt. Die bis zur Schließung des Programms ordnungsgemäß eingegangenen Anträge werden von den Bewilligungsstellen so schnell wie möglich abgearbeitet.