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Würzburg
Freilichttheater an idealem Ort: Das Würzburger Chambinzky spielt den "Jedermann" im Herzen der Stadt
Kai Christian Moritz hat aus dem sperrigen Mysterienspiel zwei kurzweilige Stunden gemacht. Das liegt am Hauptdarsteller, aber auch an einem besonderen Kniff.
Ein Unersättlicher unter Starkstrom – Jedermann (Miro Nieselt) und die Buhlschaft(en): Christina von Gollitschek und Silva Schreiner.
Foto: Heiko Becker | Ein Unersättlicher unter Starkstrom – Jedermann (Miro Nieselt) und die Buhlschaft(en): Christina von Gollitschek und Silva Schreiner.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 25.07.2024 02:47 Uhr

Dieser Ort ist wie gemacht für dieses Stück: Im Schatten der Mutterhauskirche der Würzburger Erlöserschwestern, im sogenannten Zobelhof, spielt das Theater Chambinzky bis 18. August den "Jedermann". Die Pläne des größten Würzburger Privattheaters für eine eigene Freilichtbühne am Main hatten 2022 und 2023 viel Aufsehen erregt, liegen aber derzeit auf Eis. Denn es kamen die Kündigung des Mietvertrags in der Valentin-Becker-Straße dazwischen und der geplante Umzug ins ehemalige Bockshorn.

Jetzt spielt das Chambinzky doch noch Open Air – aber eben anders als geplant. Der rundum geschützte Zobelhof liegt, vom Café Mares aus gesehen, jenseits der neoromanischen Kirche, die nicht nur dank effektvoller Innenausleuchtung ein ideales Bühnenbild für Hugo von Hofmannsthals "Spiel vom Sterben des reichen Menschen" abgibt.

Lauschiger Ort mit natürlichem Bühnenbild: Der Zobelhof auf dem Mutterhaus-Areal der Erlöserschwestern.
Foto: Heiko Becker | Lauschiger Ort mit natürlichem Bühnenbild: Der Zobelhof auf dem Mutterhaus-Areal der Erlöserschwestern.

Auch wenn Regisseur Kai Christian Moritz das Stück nicht als reine Glaubensparabel anlegt. Wobei hier näher zu definieren wäre, was mit Glauben gemeint ist. Denn der bis dato gewissen- und rücksichtslose Macht- und Genussmensch Jedermann entgeht der sofortigen Höllenfahrt ja vor allem, weil er tatsächlich bereut. Weil er einsieht: "War doch meine Menschlichkeit im Exil." Ein zutiefst katholischer Ansatz also. 

Der Teufel zieht unverrichteter Dinge wieder ab

Vorangegangen ist dieser Einsicht freilich eine Menge Überzeugungsarbeit. So haben ihm angesichts des Todes Freunde und Verwandte ebenso die Gefolgschaft aufgekündigt wie sein Mammon. Dass die Reue echt ist, muss sogar der Teufel zugeben, der unverrichteter Dinge wieder abzieht: "Mich ekelt's hier, ich geh' nach Haus."

Rasender Jedermann, wunderschöner Tod: Miro Nieselt und Sarah Béke.
Foto: Heiko Becker | Rasender Jedermann, wunderschöner Tod: Miro Nieselt und Sarah Béke.

In der Fassung von Markus Steinwender und Stefan A. Schulz spielen in stetem Wechsel alle alle Rollen. Kai Christian Moritz hat daraus wiederum eine eigene Fassung geschaffen: Den Jedermann spielt ausschließlich Miro Nieselt, den – hinreißend schönen – Tod ausschließlich Sarah Béke, den – putzig verdrossenen – Teufel Nuria Abels. Alle weiteren Rollen wie Buhlschaft, Gesell, Werke, Verwandte oder Mammon werden auf zwei bis sieben Köpfe verteilt. Auf die von Kurt Egreder, Ursula Bertelmann, Christina von Gollitschek, Silva Schreiner, Harald Baus und Jürgen Keidel.

Das dringend nötige Gegengewicht zum Jedermann

Ein einleuchtender, vom Ensemble hochkonzentriert umgesetzter Effekt, der den Aspekt Mysterienspiel betont: So bekommt die holzschnittartige Handlung Tiefe, so bekommen die wunderbaren Verse der gebundenen Sprache zusätzlichen Nachdruck. Und so bekommt der Jedermann das dringend nötige Gegengewicht.

Ein Berserker der Anmaßung: Jedermann ist von irdischen Widerständen nicht aufzuhalten.
Foto: Heiko Becker | Ein Berserker der Anmaßung: Jedermann ist von irdischen Widerständen nicht aufzuhalten.

Denn Miro Nieselt ist in dieser Rolle eine echte Urgewalt. Ein Unersättlicher unter Starkstrom, ein Berserker des Genusses und der Anmaßung. Beklemmend, wie er alles vereinnahmt, was ihm nutzen kann. Erschütternd, wie er in sich zusammenfällt, nachdem er akrobatisch auf einem Turm aus Bühnenbildwürfeln gegen sein Schicksal angewettert hat.

"Jedermann", ein sperriges Stück mit vermeintlich simpler Moral. Mit dem Ensemble des Chambinzky werden daraus im Zobelhof zwei kurzweilige, mitunter turbulente Stunden (inklusive Pause), die nachwirken.

"Jedermann", Mysterienspiel von Hugo von Hofmannsthal, Theater Chambinzky, Open Air im Zobelhof des Mutterhauses der Erlöserschwestern, Domerschulstraße, Würzburg. Vorstellungen immer Mi. bis So., 19.45 Uhr, bis 18. August. Karten und aktuelle Wetter-Ansage unter www.chambinzky.com

 
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