Fehlplanung oder Verbesserung für den Radverkehr? Seit in der Frankfurter Straße Radfahrende und parkende Autos die Plätze getauscht haben, gibt es von mehreren Seiten Kritik an der Neuaufteilung des Straßenraums, zuletzt von der AG Radverkehr der Agenda 21 und Mitgliedern des Radverkehrsbeirats. Eine Aufklärungsaktion der Polizei vor Ort brachte allerdings überraschende Erkenntnisse: Viele Radfahrerinnen und Radfahrer fühlen sich auf den neu angelegten Schutzstreifen sicher, obwohl sie von Kraftfahrzeugen häufig ohne den vorgeschriebenen Mindestabstand überholt werden.
Schutzstreifen nicht mehr als Verbesserung angesehen
Im Jahr 2015 hatte der Radverkehrsbeirat die Anlage von Schutzstreifen im gesamten Stadtgebiet noch begrüßt, spätestens seit dem Radentscheid im September 2019 werden die maximal 1,50 Meter breiten Streifen am rechten Fahrbahnrand aber nicht mehr als echte Verbesserung angesehen.
Das gilt besonders für die Frankfurter Straße: Zwar kommen Radfahrende auf den Schutzstreifen in beiden Fahrtrichtungen deutlich flotter voran als vorher auf holprigen Radwegen auf der anderen Seite der parkenden Autos. "Gleichzeitig muss ich aber so weit links fahren, dass mich kein Auto mit dem nötigen Abstand überholen kann. Das sorgt bei den Autofahrern natürlich für Frust, weil sie sich behindert fühlen", sagt Sebastian Goll, der auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz täglich mit dem Rad in der Frankfurter Straße unterwegs ist.
Mit dem Reifen fast auf der gestrichelten Linie fahren müssen Radler, die wegen der sogenannten "Dooring-Zone" einen Abstand von etwa einem Meter zu den am Fahrbahnrand geparkten Autos einhalten wollen – tun sie das nicht, können sie im Falle einer Kollision mit einem aussteigenden Autofahrer vor Gericht eine Mitschuld bekommen. Zusätzlich verschärft wird die Situation dadurch, dass viele parkende Autos nicht innerhalb der markierten Stellplätze, sondern zu weit auf der Fahrbahn stehen.
Polizei zieht positives Fazit
"Es ist insgesamt eine unbefriedigende Situation entstanden. Der Streifen bringt keinen zusätzlichen Schutz für Radler, erweckt bei Autofahrern aber den Eindruck, gefahrlos vorbeifahren zu können", so Goll weiter. Seinen Eindruck hat auch der ein oder andere Pkw-Lenker bei der Polizeiaktion in der Frankfurter Straße bestätigt: "Ohne den Streifen hätte ich nicht überholt", sagte zum Beispiel eine Frau, als sie von den Beamten freundlich aufgeklärt wurde. "Die Pkw-Fahrer haben sehr verständnisvoll reagiert, teilweise war ihnen die Rechtslage auch nicht bewusst", sagte Polizeirat Joachim Hupp vor Ort: "Wir konnten die Sensibilität für die Situation erhöhen, deswegen ziehen wir insgesamt ein positives Fazit."
Die Polizei setzt mit zahlreichen Aufklärungs- und Präventionsaktionen in diesem Jahr einen Schwerpunkt auf die Sicherheit des Radverkehrs in Würzburg. "Es wird aber sicherlich auch eine Kontrollaktion geben, bei der wir Pkw-Fahrer in gravierenden Fällen mit Verwarnungsgeld belegen werden", kündigte Hupp an.
Viele Radfahrer fühlen sich auf Schutzstreifen sicher
Während die AG Radverkehr der lokalen Agenda 21 davon ausgeht, dass sich die Mehrzahl der Radfahrenden auf den Schutzstreifen in der Frankfurter Straße nicht sicher fühlt, ergab sich zumindest bei der Befragung durch die Polizei vor Ort ein anderes Bild. "Wir waren ein Stück weit überrascht, dass sich Radfahrer auf den Schutzstreifen relativ sicher fühlen, obwohl sie mit geringerem Abstand überholt werden", sagte Hupp.
Sicherer fühle sie sich nicht, "aber man kommt schneller voran", sagte die 42-jährige Monika R. im Gespräch mit der Redaktion. Für eine 68-jährige Zellerauerin sind die Schutzstreifen dagegen eine echte Verbesserung: "Ich habe mich vorher auf dem Radweg direkt neben den parkenden Autos unsicherer gefühlt. Die meisten Autofahrer halten den Abstand ein. Nur einige sind rücksichtlos, und das sind fast immer die großen SUVs."
"Gravierende Fälle" Schön! Unsere Helfer in Blau haben also vor Ordnungswidrigkeiten im Amt(!) zu begehen. Nach den einschlägigen Vorschriften - im Gegensatz zur landläufigen Meinung - gibt es den kolportierten "Ermessensspielraum" so wie angewendet gar nicht. Und noch deutlicher: Es gibt Urteile gegen Ordnungsbehörden wegen Unterlassung von Maßnahmen. Liebe Mainpost: Notiert euch das 'mal bitte für später ...
§47(1) OWiG verstehe ich anders. "Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Verfolgungsbehörde."
Wenn Sie Recht haben, hätten Polizisten in der Fußgängerzone viel zu tun. Sie müßten z.B. praktisch jeden Radfahrer wegen Verstoß gegen die Schrittgeschwindigkeit anzeigen. ...
Aber Radfahrende?
können Sie sich mMn sparen - ich würde sagen dieser so genannte Schutzstreifen gaukelt eine Sicherheit vor, die in Wirklichkeit nicht besteht. Sicherheit gäbe es nur, wenn wirklich alle(!!) Rücksicht aufeinander nehmen würden. Die Realität sieht halt leider anders aus...
Nachdem sich inzwischen immer klarer herausstellt, dass die autogerechte Stadt eine tatsächlich nicht zu verwirklichende Utopie (Dystopie?) ist, wären andere Konzepte gefragt, die die Leute zu bewussterem Verhalten bringen. Z. B. "Shared Space"; s. hierzu https://www.svpt.uni-wuppertal.de/fileadmin/bauing/svpt/Publikationen/Sinn_und_Unsinn_von_Shared_Space.pdf
und auch wenn ich mich da zum x-ten Male wiederhole: der ÖPNV in WÜ ist dringend verbesserungsbedürftig insbesondere im Hinblick auf "vernünftiges" Park+Ride sowie familienfreundliche Regelungen!
aber wenn ich das in einem Kommentar schreib und auch noch eine Literaturstelle anführ, können zumindest nicht mehr alle behaupten, davon hätten sie ja noch nie was gehört XD