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Würzburg
Nach Messerangriff in Würzburg: Kritik an fehlender Vernetzung der Behörden
Sicherheitsbehörden und psychiatrische Einrichtungen sollen miteinander Informationen austauschen. Das forderten Experten bei einer CSU-Wahlkampfveranstaltung in Würzburg.
Terrorismus-Experte und Laschet-Berater Peter Neumann sprach am Dienstag bei einer Wahlkampfveranstaltung des CSU-Bundestagsabgeordneten Paul Lehrieder (links) im Bürgerspital in Würzburg.
Foto: Daniel Peter | Terrorismus-Experte und Laschet-Berater Peter Neumann sprach am Dienstag bei einer Wahlkampfveranstaltung des CSU-Bundestagsabgeordneten Paul Lehrieder (links) im Bürgerspital in Würzburg.
Benjamin Stahl
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:50 Uhr

Seit dem Messerangriff Ende Juni in Würzburg mehren sich Stimmen, die einen engeren Informationsaustausch von Behörden und psychiatrischen Einrichtungen fordern. So auch bei einer Wahlkampfveranstaltung des Bundestagsabgeordneten Paul Lehrieder (CSU) am Dienstagabend in Würzburg, an der neben Oberbürgermeister Christian Schuchardt (CDU) der Terrorismusexperte Peter Neumann teilnahm.

Neumann, der im Wahlkampf CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet unterstützt, erklärte mit Blick auf den Messerangriff: "Wir brauchen eine bessere Vernetzung von Psychiatrien und Sicherheitsbehörden." Schuchardt bedauerte, dass es hier "eine Lücke" gebe, "die wir als Kommune nicht schließen können".

Früherer Polizeipräsident: Polizei erfährt nichts von Freilassungen

Der 24-Jährige, der am 25. Juni in der Würzburger Innenstadt drei Frauen getötet und mehrere Menschen teils schwer verletzt hatte, war laut Recherchen dieser Redaktion drogenabhängig, hatte wahnhafte Störungen und war in den vergangenen drei Jahren bereits fünf Mal zur Behandlung in der Psychiatrie, zuletzt kurz vor der Tat in Würzburg. Jedes Mal kam er wieder auf freien Fuß, da er nach Einschätzung des Klinikpersonals keine akute Gefährdung für sich oder andere darstellte.

Bemerkenswert war in diesem Zusammenhang eine Wortmeldung des ehemaligen unterfränkischen Polizeipräsidenten Gerhard Kallert, der an der Veranstaltung als Zuhörer teilnahm. "In Unterfranken gibt es pro Jahr über 2100 Einweisungen in Bezirkskrankenhäuser, das sind etwa sechs pro Tag", rechnete er vor. Meistens würden die Betroffenen von der Polizei in die Einrichtungen gebracht und würden wenig später wieder entlassen.

"Wenn die Personen aber wieder freigelassen werden, erfährt das weder die Polizei noch das Ordnungsamt", so Kallert weiter, der kurz nach dem Messerangriff altersbedingt in den Ruhestand verabschiedet worden war. Der Datenschutz stehe dem entgegen. Auch ob die Patientinnen und Patienten verordnete Medikamente einnehmen oder nicht, werde nicht kontrolliert. "Man müsste alle paar Monate schauen, wie es den Leuten geht", forderte Kallert.

Neue Täterprofile zu spät erkannt

Experte Neumann wies auf ein weiteres Versäumnis hin. Sicherheitsbehörden hätten "nicht schnell genug neue Tätertypen erkannt": etwa Einzeltäter mit schweren psychischen Vorerkrankungen oder Rechtsextremisten mit Migrationshintergrund und psychischer Vorbelastung, wie der Attentäter des Anschlags im Münchener Olympia-Einkaufszentrum 2016. Dabei seien solche "Phänomene schon seit bis zu sieben Jahren in der Wissenschaft bekannt", so Neumann.

Auf die Frage einer Zuhörerin, welche Rolle Frauenhass bei dem Messerstecher von Würzburg gespielt haben könnte, erklärte der Extremismusforscher: Frauenhass sei "Teil der islamistischen Ideologie", vor allem in den USA beobachte man aber auch, dass "frustrierte Männer, ihren persönlichen Frauenhass in eine Ideologie einbetten". Solche Männer seien oft "sehr aggressiv und gewaltbereit".

Unterdessen ist das Motiv des 24-jährigen Somaliers weiter unklar. Zuletzt hieß es vonseiten der Generalstaatsanwaltschaft München, es gebe keine neuen Hinweise, die den Verdacht eines extremistischen Hintergrunds erhärten. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erklärte gegenüber dieser Redaktion: Im Zuge der Ermittlungen werde noch "zu klären sein, ob die von Zeugen bestätigten islamistischen Ausrufe religiösen Überzeugungen oder psychischen Problemen zuzuordnen sind".

 
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  • U. S.
    Die Tat die hier als Grund zu den Überlegungen benutzt wird hätte vermieden werden können wenn man den Täter ordnungsgemäss abgeschoben hätte als sein Antrag auf Asyl abgelehnt wurde statt ihn weiter im Land zu lassen und mit unseren Steuergelder zu finanzieren. Da sollte man ansetzen!
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  • D. E.
    Vor allem wird die Tat von der CSU benutzt, um Migrationshintergrund mit Islamismusgefahr gleichzusetzen und auf diese Weise Angst und Ablehnung zu schüren. Auch bald ein Vierteljahr nach dem Messerangriff gibt es keinerlei Hinweise, die auf einen islamistisches Motiv hindeuten; gleichwohl wird der Innenminister nicht müde, immer wieder genau das ins Spiel zu bringen. Was soll das?
    Gleiches beim Thema "Frauenhass". Warum tut Hr. Neumann so, als wäre das ein Problem nur von Nicht-Bio-Deutschen? Sogenannte "Incels" tummeln sich in Deutschland zuhauf!
    Von einem Experten erwarte ich, neutral die Fakten zu beschreiben, und nicht partei-konform das Unerwünschte wegzulassen. Oder ist so etwas Voraussetzung dafür, in Laschets Zukunfts-Team zu kommen?
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  • S. T.
    was macht herr lehrieder da?
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  • H. M.
    "Jedes Mal kam er wieder auf freien Fuß, da er nach Einschätzung des Klinikpersonals keine akute Gefährdung für sich oder andere darstellte." Genau hier liegt das Problem und dieses Problem ist zumindest in WÜ riesengroß!! Gefahren für sich und andere werden nicht erkannt! Wie soll das auch gehen, wenn die Patienten nach kurzer Zeit wieder entlassen werden. Das haben wir vor rund 20 Jahren in der Familie selbst erlebt. Andererseits benötigen die Gutachter mehrere Monate für ein entsprechendes Gutachten. Bis das fertig ist, dürften die Patienten die Einrichtung gar nicht verlassen! Man kann sich sehr leicht vorstellen, dass gerade Patienten, bei denen es erhebliche Probleme mit der Sprache gibt und daher Dolmetscher nötig sind, viel zu schnell wieder entlassen werden.
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  • J. G.
    Wer regiert denn in Bayern seit ewigen Zeiten?
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  • W. G.
    Hiermit wird die Rückkehr zum ersten Entwurf des Polizeiaufgabengesetzes vorbereitet, der aus gutem Grund zurückgewieden wurde. Es geht weder die Polizei noch den Staat etwas an, wer psychisch krank ist oder auch nur an einer psychischen Episode leidet. 42 Prozent der Menscheit erleidet wenigstens einmal im Leben eine behandlungsbedürftige psychische Episode, so die WHO.
    Hier darf über Einzelfälle kein Überwachungsstaat eingeführt werden, wie ihn sich manche Sicherheitsfanatiker und selbsternannte Sheriffs v.a. in der Union wünschen. Datenmissbrauch öffentlicher Datensätze hat es ja erst kürzlich wieder gegeben. Ich erinnere mich an Hessen und die Datenherausgabe aus der Polizei heraus.
    Finger weg Ihr Populisten. Eine hundertprozentige Sicherheit wird es niemals geben, auch wenn Ihr das immer wieder versprecht und damit nur weitere Ängste erzeugt.
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  • R. B.
    Reinster Aktionismus, selbst wenn der Datenschutz bei entlassenen Patienten ausgebelt werden würde, was nicht passieren wird, wie will die Polizei bei hunderten von psychisch kranken Menschen kontrollieren, ob eine Gefahr für die Öffentlichkeit besteht oder nicht. Dazu müsste sie erweiterte Kenntnis vom behandelnden Arzt erhalten, was an der ärtzlichen Schweigepflicht scheitert. Vielmehr sollte man sich endlich der Situation stellen, dass viele Flüchtlinge bereits auf Grund ihrer Religion und/oder Kultur schwer integrierbar sind. Die Kriminalität innerhalb der Einwanderungsgesellschaft ist erheblich (https://mediendienst-integration.de/desintegration/kriminalitaet.html). Um jenen Menschen gerecht zu werden, welche Anspruch auf Asyl hätten, wäre bereits eine Mammutaufgabe. Über 2 Millonen Menschen ins Land zu holen ohne diese auch entsprechend versorgen zu können (Unterkunft, Schule, Beruf, Integration usw), ist völlig unmöglich; massive Probleme sind vorprogrammiert.
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