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Würzburg
Fit, gesund, verrentet: Warum in Unterfranken die Rente ab 63 boomt
Früh in Rente zu gehen, ist beliebt. Doch gerade wer in einem belastenden Beruf arbeitet, hat oft keine Chance auf Frührente. Professor Thomas Zwick erklärt warum.
Viele Deutsche träumen davon, sich möglichst zeitig aus dem Job zu verabschieden. Im vergangenen Jahr bewilligte die Rentenversicherung 260 932 Anträge auf den abschlagsfreien Ruhestand.
Foto: Getty Images | Viele Deutsche träumen davon, sich möglichst zeitig aus dem Job zu verabschieden. Im vergangenen Jahr bewilligte die Rentenversicherung 260 932 Anträge auf den abschlagsfreien Ruhestand.
Claudia Kneifel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:53 Uhr

Die "Rente ab 63" erlebt in Deutschland weiter eine Rekordnachfrage: Dabei sind es keineswegs Menschen, die in psychisch oder körperlich anstrengenden Berufen gearbeitet haben, die früher in den Ruhestand gehen."Erstaunlicherweise gehen viele Beschäftigte mit hohen Rentenansprüchen, die gesund und fit sind, früher in Rente", sagt Professor Thomas Zwick. Der Lehrstuhlinhaber für BWL, Personal und Organisation an der Universität Würzburg hat in einem Forschungsprojekt die Daten der Bundesagentur für Arbeit von 1,8 Millionen Menschen ausgewertet und untersucht, wann sie den Arbeitsmarkt aus welchen Gründen verlassen haben.

Nicht alle können früher in Rente gehen

"Viele ältere Erwerbstätige mit hoher Arbeitsbelastung kommen nicht in den Genuss der Frühverrentungsmöglichkeit. Obwohl für sie die Rente mit 63 vornehmlich gedacht war", sagt Zwick. Der Grund: Beschäftigte in anstrengenden Berufen wie in der Pflege haben häufiger Lücken in ihrer Erwerbsbiografie und können deshalb nicht 45 Jahre in die Rentenkasse einzahlen. "Diese Beschäftigten können nur noch in die viel weniger attraktive Erwerbsunfähigkeitsrente oder Erwerbsminderungsrente wechseln, wenn sie es nicht bis zur regulären Rente schaffen", sagt der BWL-Professor. "Oder sie müssen die Zähne zusammenbeißen und bis zum regulären Rentenalter durchhalten."

Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung (DRV) wurden im vergangenen Jahr rund 260 000 Anträge für Rente ab 63 genehmigt. Im Jahr zuvor waren rund 257 000 Anträge gestellt worden. Versicherte bis zum Geburtsjahr 1953, die mindestens 45 Versicherungsjahre in der gesetzlichen Rentenversicherung hinter sich haben, können diese Altersrente ab einem Alter von 63 Jahren ohne Abschläge in Anspruch nehmen. Bislang nutzten 1,7 Millionen Deutsche die Rente ab 63.

Thomas Zwick, Lehrstuhlinhaber für BWL, Personal und Organisation, erforscht seit fünf Jahren, wer früher und wer später in Rente geht und warum. 
Foto: Patty Varasano | Thomas Zwick, Lehrstuhlinhaber für BWL, Personal und Organisation, erforscht seit fünf Jahren, wer früher und wer später in Rente geht und warum. 

Auch die Unterfranken gehen gerne früher

Auch die Unterfranken verabschieden sich gerne früher: Im vergangenen Jahr gingen 15 188 Menschen in der Region in Rente – davon 6284 regulär. Die anderen gingen früher in den Ruhestand. 5324 Menschen nutzten die "Altersrente für besonders langjährig Versicherte", also die Rente ab 63.

"Mit der abschlagsfreien Rente ab 63 werden die Menschen belohnt, die mit ihrer Lebensarbeitsleistung das Rentensystem stützen", schreibt die DRV. Die neuen Forschungsergebnisse aus Würzburg zeigen jedoch die Schattenseiten. "Unsere Frühverrentungsregelungen tragen nicht dazu bei, dass Menschen in belastenden Berufen früher in Rente gehen können, wenn sie es nicht bis zur Verrentung schaffen", sagt Zwick. Dies zeigten die Erfahrungen nach der Abschaffung der sogenannten Frauenrente (Frührente für Frauen ab 60 Jahren) im Jahr 2012.

Als Folge der Reform stieg die Beschäftigung der Frauen über 60 Jahren stark an. Und zwar im gleichen Umfang für Frauen in belastenden wie in weniger belastenden Tätigkeiten. "Viele Frauen in belastenden Tätigkeiten hatten jedoch wegen Erwerbsunterbrechungen kein Recht auf die Frauenrente", so Zwick. "Falls diese es nicht bis zur Regelaltersrente schafften, glitten sie in die Erwerbsunfähigkeitsrente ab."

Derzeit beziehen rund 1,8 Millionen Menschen eine Erwerbsminderungsrente. Der durchschnittliche Zahlbetrag der Rente liegt laut DRV in den alten Bundesländern zwischen 512 Euro bei teilweiser Erwerbsminderung und 771 Euro bei voller Erwerbsminderung.

Selbst mit dem Renteneintritt können viele Ältere nicht aufhören zu arbeiten, weil ihre Rentenansprüche nicht ausreichen. 2018 waren laut Statistischem Bundesamt 16,1 Prozent der 65- bis 69-Jährigen erwerbstätig. Im Jahr 2007 waren es nur 7,1 Prozent – also nicht einmal halb so viele. Vor allem in den ersten drei Jahren nach dem Übergang in eine Altersrente sind viele noch erwerbstätig: Über ein Viertel der Älteren geht in diesem Zeitraum noch arbeiten. Zwicks Auswertungen haben ergeben: Meist fällt die Entscheidung aus finanziellen Gründen.

Viele Männer arbeiten auch im Rentenalter

"Nur die wenigsten arbeiten weiter, um sich selbst zu verwirklichen", sagt Zwick. Die meisten würden durch die Verdienstmöglichkeiten angelockt. "Insbesondere Männer mit relativ geringen Rentenansprüchen reagieren stark auf finanzielle Anreize." Obwohl viele Rentner nur in Midi- oder Minijobs arbeiten, stocken diese Einkünfte ihr Einkommen um gut zwei Drittel auf.

Dies bedeutet jedoch auch, dass viele Rentner, die auf eine Tätigkeit neben ihrer Rente angewiesen sind, aktuell besonders unter der Corona-Krise leiden. Denn gerade die "Gelegenheitsjobs" im Dienstleistungsbereich sind durch die Pandemie weggefallen. Und viele Ältere haben Angst um ihre Gesundheit und verzichten deshalb auf das Weiterarbeiten – mit gravierenden finanziellen Folgen.

 
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  • T. N.
    Was ist daran erstaunlich das man bei einer guten Rente und guter Gesundheit aufhört zu arbeiten. Gerade deswegen,dann hat mach doch was davon. Kann jeden nur raten wenn es finanziell möglich ist es zu machen. Ich habe mit 53 aufgehört und mir geht's blendend. Und irgendwann bekomm ich dann auch meine Rente, dauert aber noch ein bisschen. Ist mir aber erstmal egal , ich hatte einen gut bezahlten Job und kann es überbrücken.
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  • H. W.
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