Kurzarbeit, weniger Aufträge, weniger Kunden: Viele Arbeitnehmer und Selbstständige haben in der anhaltenden Corona-Wirtschaftskrise finanzielle Einbußen hinzunehmen. Bei vielen machen sich allmählich die Sorgen breit: Wie werden die kommenden Monate verlaufen, wenn weiterhin Ebbe auf dem Konto herrscht? Was passiert mit meiner Altersvorsorge? Soll ich jetzt tätig werden und mit dem Sparen beginnen? Finanzberaterin Judit Maertsch vom Verbraucherservice Bayern in Würzburg weiß, welche Anlagen auch in Coronazeiten gut laufen - und sie erklärt, warum Sparen auch in wirtschaftliche schlechten Zeiten wichtig ist.
Judit Maertsch: Selbstverständlich. Die Notfall-Reserven sollten sogar auf drei bis sechs Netto-Monatsgehälter aufgestockt werden, damit die Folgen eines eventuellen Jobverlustes finanziell überbrückt werden können. Wenn Sie in Kurzarbeit sind, können Sie Ihre monatlichen Sparbeiträge reduzieren. Aber hören Sie nicht auf zu sparen. Die gesetzliche Rente ist zwar gesichert und darf nicht sinken. Sie wird aber in den nächsten Jahren kaum mehr steigen. Daher ist es wichtig, privat für das Alter vorzusorgen.
Judit Maertsch: Es ist nicht ratsam, in wirtschaftlich unsicheren Zeiten neue Schulden zu machen. Der Verlust des Arbeitsplatzes oder die Kurzarbeit kann schnell zu Überschuldung und Privatinsolvenz führen. Zahlen Sie lieber alte Kredite zurück. Wenn Sie ihre aktuellen Kreditraten nicht bedienen können, sprechen Sie rechtzeitig mit Ihrer Hausbank. Sie werden gemeinsam eine Lösung finden.
Judit Maertsch: Ja, allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen. Wir raten, die Einlagen auf 100 000 Euro je Kontoinhaber und Geldinstitut zu begrenzen und nur Institute mit europäischer Einlagensicherung zu wählen. Dann hat man einen ähnlichen Schutz wie auch bei deutschen Banken. Sollte es zu einer erneuten Bankenkrise kommen, kann die Einlagensicherung in einigen Ländern unter Umständen an ihre Grenzen stoßen. Dann ist es fraglich, ob und wann Sie ihr Geld wiederbekommen.
Judit Maertsch: Breit gestreute, weltweit angelegte langfristige Wertpapiersparpläne sind auch in der Krise ein sehr geeignetes Geldanlagemittel. Aber: Behalten Sie die Kosten der Geldanlageprodukte im Blick. Wählen Sie keine teuren Fondssparpläne. Für viele Fonds kommen Kosten für Management, Depot, Ausgabeaufschlag und noch vieles mehr auf den Anleger zu. Es gibt teilweise sehr teure Konstruktionen, die die gesamte Rendite aufbrauchen. Besser ist es, wenn Sie in großen, breit gestreuten, börsengehandelten Indexfonds wie zum Beispiel den Weltaktienindex MSCI World investieren. Da haben Sie eine sehr breite Streuung und langfristig eine gute Rendite.
Judit Maertsch: Garantieleistungen einer privaten Rentenversicherung sind nicht in Gefahr. Die Turbulenzen auf den Märkten drücken aber die Überschüsse der Verträge weiter nach unten. Sollte es in Folge einer schweren Rezession zu einer erneuten Bankenkrise kommen, kann man nicht ausschließen, dass auch Garantieleistungen herabgesetzt werden. Aktuell sieht es nicht danach aus, aber die Auswirkungen des Coronavirus sind für uns alle neu. Bei fondsgebundenen Renten- oder Lebensversicherungen sind hingegen auch sehr hohe Verluste möglich. Informationen zur Anlage der Ersparnisse findet man in den jährlichen Standmitteilungen sowie in der Versicherungspolice. Nach wie vor problematisch an den Versicherungsprodukten ist, dass sie mit hohen Abschluss- und Verwaltungskosten verbunden sind.
Judit Maertsch: Riester-Verträge müssen laut Zertifizierung das eingesetzte Kapital inklusive Förderung am Ende der Laufzeit garantieren. Verluste müssen ausgeschlossen sein. Daher versuchen die Anbieter, Risiken zu minimieren. Gehen die Aktienkurse in den Keller, schichten Sie in sichere Anlagen um, meist in Rentenfonds oder Barvermögen. Erst nach Erholung der Märkte kann die Aktienfondsquote wieder erhöht werden. Das ganze Hin und Her zur Risikosteuerung geht aber zu Lasten der Rendite. Unter Umständen kann es sinnvoll sein, Riester-Verträge mit hohen Kosten und niedrigen Renditeaussichten beitragsfrei zu stellen und zu einem anderen Anbieter zu wechseln.
Judit Maertsch: Die Aktienmärkte sind im März in Folge der Corona-Pandemie weltweit eingebrochen. In kurzer Zeit hat sich der Wert der im Deutsche Aktienindex DAX enthaltenen Unternehmen um rund 40 Prozent reduziert. Mittlerweile haben sich die Märkte erstaunlich gut erholt. Aber wir wissen nicht, ob das so bleibt. Trotz der dramatischen Auswirkungen des Corona-Schocks zeigt der Blick in die Vergangenheit, dass die globale Wirtschaft sich nach jeder Krise relativ rasch erholt. Jetzt ist sogar ein sehr guter Zeitpunkt, um in das langfristige Sparen mit Aktienfonds vorsichtig einzusteigen.
Judit Maertsch: Ich empfehle Aktien-ETFs. Exchange Traded Funds (ETFs) sind börsengehandelte, breitgestreute Indexfonds, die die Wertentwicklung eines Börsenindex wie beispielsweise des Euro Stoxx oder MSCI World abbilden. Hier spart der Anleger mit flexiblen Sparraten ab 25 Euro im Monat bereits Kosten, weil es keinen Manager gibt, der die Fonds aktiv verwaltet. ETFs minimieren durch die breite Streuung die Kursrisiken. Die Kursschwankungen fallen moderater aus als bei einzelnen Aktien. Auch die langfristigen Renditen aus Kursgewinnen und Dividenden sind sehr attraktiv.
Judit Maertsch: Führende Pharma- und Medienunternehmen und der Onlinehandel sind möglicherweise Profiteure der Pandemie, genau wie Firmen, die künstliche Intelligenz, Software für Videokonferenz oder Cybercrime-Abwehr produzieren. Deshalb sind deren Kurse auch weniger stark gefallen, bei einigen sogar gestiegen. Aber wie sich die Kurse dieser Branchen entwickeln, können wir nicht genau vorhersagen. Wir sind hier im spekulativen Bereich. Für den Vorsorgesparer sind eher eine breite Risikostreuung über alle Unternehmen, Länder und Branchen sowie geringe Kosten wichtig.
Judit Maertsch: Als Beimischung würde ich Gold empfehlen, aber nur als physisches Gold – also Goldbarren oder Goldmünzen. Es ist ganz wichtig, dass Sie Gold bei namhaften und etablierten Goldhändlern und nicht bei irgendjemand kaufen. Es gibt sehr viel falsches Gold auf dem Markt. Und: Umso kleiner die Anteile, die Sie kaufen, umso teurer ist der Preis.
Judit Maertsch: Vor Produkten am Grauen Kapitalmarkt, geschlossenen Fonds oder Beteiligungen warne ich die Verbraucher ausdrücklich. Diese Geldanlagen sind intransparent, sie bergen hohe Risiken und sind ungeeignet für Kleinanleger oder für die Altersvorsorge.
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