
In Würzburg suchten zwei Kinder ein neues Zuhause, da ihre Mutter mit Krebs auf der Palliativstation liegt - darüber hatte diese Redaktion vor Kurzem berichtet. Zahlreiche Menschen hatten auf den Artikel reagiert und in Mails ihre Unterstützung angeboten. Nun sei für die Geschwister eine geeignete Pflegefamilie gefunden worden, berichtet Heike Richardt, Fachabteilungsleitung Soziale Dienste bei der Stadt Würzburg. Für viele weitere Kinder aber seien sie auf der Suche nach einem Zuhause. Doch wie einfach ist es überhaupt, Pflegefamilie zu werden? Und was passiert, wenn das Kind nicht mit der Pflegefamilie klarkommt? Heike Richardt gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen. Sie betont zudem, dass das Jugendamt immer auf der Suche nach geeigneten Pflegeeltern ist.
Heike Richardt: Grundlegende Voraussetzungen sind die persönliche Eignung und Stabilität (sowohl finanziell, als auch emotional), die Bereitschaft, sich auf die Bedürfnisse eines Pflegekindes einzulassen, und ein einwandfreies Führungszeugnis. Darüber hinaus gibt es die Kooperationsbereitschaft, da Pflegeeltern mit dem Jugendamt eng zusammenarbeiten müssen und die regelmäßige Teilnahme an Qualifikationsmaßnahmen. Pflegeelternbewerber werden in intensiven Gesprächen geprüft, mit dem Ziel sicherzustellen, dass die Bedürfnisse des Kindes erfüllt werden können. Auch körperliche und psychische Gesundheit und ein Alter, das für die Lebensperspektive des Kindes passt, sind wichtige Faktoren.
Richardt: Auch Einzelpersonen können Pflegekinder aufnehmen. Hierbei ist das soziale Netzwerk besonders wichtig. Wer könnte das Kind betreuen, wenn die Pflegeperson eventuell krankheitsbedingt ausfällt? Wer übernimmt, wenn die Pflegeperson länger arbeiten muss, das Kind aber von der Kita abgeholt werden muss? Mit wem kann sich die Pflegeperson über die psychische Belastung austauschen? Wenn ein Kreis aus Familie und Freunden hinter der Pflegeperson steht, gibt es aber keinen Grund gegen eine Aufnahme. Zudem muss auch der finanzielle Aspekt bedacht werden, da zwar Pflegegeld bezogen wird, eine Vollzeittätigkeit in den meisten Fällen aber nicht mehr leistbar sein wird. Eine Belastung, die als Einzelperson oft schwerer zu leisten ist.
Richardt: Als Pflegeeltern muss man neben guten Nerven, viel Geduld, Nachsichtigkeit, Flexibilität, Optimismus und Einfühlsamkeit, auch eine stabile Psyche und Offenheit gegenüber diversen Personengruppen mitbringen. Die Pflegekinder, als auch deren leibliche Familien, kommen oft aus anderen sozialen Schichten als die Pflegefamilien, teilweise auch aus anderen Kulturen. Wer da Berührungsängste oder Vorurteile mitbringt, erschwert den Beziehungsaufbau zur Herkunftsfamilie, der wichtig für die positive Entwicklung der Kinder und des Pflegeverhältnisses ist. Zudem ist ausreichend Platz und Zeit für das Pflegekind wichtig sowie eine ausreichende finanzielle Aufstellung der Familie. Auch ein gutes soziales Netzwerk, verbunden mit einer hohen Belastbarkeit, ist hilfreich.
Richardt: Die einzubringende Zeit ist etwas sehr Individuelles. Abhängig vom Alter und der Anzahl der Kinder, aber auch von deren Rucksack an Themen, den sie mitbringen. Als Faustformel kann man sagen, je jünger das Kind ist, umso mehr Zeit braucht es, wie jedes andere jüngere Kind auch. Und auch Kinder, die lange in den Herkunftsfamilien waren, brauchen in der Regel länger, bis sie sich in das neue Familiensystem und die für sie neue Normalität einfinden können. Wie alle berufstätigen Eltern können auch Pflegeeltern auf Hort, offene Ganztagsschule etc. zurückgreifen. Spezielle Angebote für berufstätige Pflegeeltern gibt es bislang noch nicht.
Richardt: Pflegebewerber durchlaufen einen Überprüfungsprozess, im Rahmen dessen finden mehrere Gespräche, Hausbesuche und auch ein Wochenendseminar statt. In der Gesamtheit wird versucht, die Bewerber möglichst umfassend für ihre Aufgabe als Pflegeeltern zu qualifizieren und ihnen ein realistisches Bild dessen zu vermitteln, was sie erwartet. Auch im Anschluss werden die Pflegefamilien durch Supervision, Fortbildungen und Beratung durch die Fachkräfte des Pflegekinderdienstes weiter geschult. Wenn das nicht ausreicht oder ein Kind einen speziellen Förderbedarf hat, gibt es zusätzliche Hilfen zur Erziehung oder Eingliederungshilfen.
Richardt: Pflegeeltern erhalten Pflegegeld für das Kind, abhängig und gestaffelt nach Alter des Kindes. Darüber hinaus gibt es einmalige Beihilfen.
Richardt: Wenn es zu Spannungen innerhalb der Pflegefamilie kommt, weil entweder das Kind mit der Familie nicht zurechtkommt oder andersherum, finden zunächst Gespräche mit der fallzuständigen Fachkraft des Pflegekinderdienstes statt. Hierbei wird versucht herauszuarbeiten, wodurch die Spannungen entstanden sind und was die einzelnen Beteiligten bräuchten, um diese wieder aufzulösen. Zusätzlich können auch ambulante Hilfen eingesetzt werden, die die Familien engmaschig beraten und begleiten können. Auch Beratungsstellen sind gute Anlaufstellen, teilweise auch Therapeuten. Wenn dies alles nicht hilft, überlegen wir gemeinsam mit den Beteiligten, welcher Weg für das Kind der Beste ist. Dies kann ein Wechsel in eine andere Pflegefamilie sein oder auch in eine Wohngruppe. Eine Rückführung zur Herkunftsfamilie kann auch in Betracht kommen.