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Bergtheim
Fall Maddie: Bergtheims Bürgermeister über den Medienansturm
Bergtheim im britischen Boulevard: Weil der Tatverdächtige im Fall Maddie einst hier gelebt hatte, geriet die Würzburger Landkreisgemeinde plötzlich in den Fokus der Presse.
Als Bergtheim plötzlich für internationale Medien interessant wurde: Bürgermeister Konrad Schlier vor dem Rathaus.
Foto: Thomas Obermeier | Als Bergtheim plötzlich für internationale Medien interessant wurde: Bürgermeister Konrad Schlier vor dem Rathaus.
Torsten Schleicher
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:36 Uhr

Als Bürgermeister ist man ja nie so ganz weg, auch nicht im Urlaub. Konrad Schlier dürfte das inzwischen gewöhnt sein. Seit zwölf Jahren steht der 64-jährige CSU-Politiker an der Spitze von Bergtheim, jener 3900-Einwohner-Gemeinde im Landkreis Würzburg, die ziemlich genau in der Mitte zwischen Würzburg und Schweinfurt liegt.

Im Urlaub klingelt das Telefon

Anfang Juni ist Schlier an der Ostsee im Urlaub, als das Telefon klingelt. Im Rathaus gebe es Anfragen von Journalisten. Den Fall, um den es geht, kennt Bergtheims Bürgermeister wie viele Deutsche aus den Medien: Im Mai 2007 war das dreijährige britische Mädchen Madeleine "Maddie" McCann aus eine Ferienanlage in Portugal verschwunden und tauchte nie wieder auf. Nun, 13 Jahre später, gibt es mit dem 43-jährigen Deutschen Christian B. erstmals einen Tatverdächtigen. Dessen Spur führt unter anderem nach Unterfranken – und eben auch nach Bergtheim. Ende der 80er bis Anfang der 90er Jahre hatte Christian B. hier als Jugendlicher bei seinen Adoptiveltern gelebt.

Zunächst habe es eine Anfrage vom Bayerischen Rundfunk (BR) im Einwohnermeldeamt gegeben, erinnert sich Schlier. "Wir haben erst mal abgeklärt, ob wir verpflichtet sind, Informationen aus dem Register herauszugeben. Dann haben wir mitgeteilt, wie lange der Mann in Bergtheim gelebt hat."

Dem Bürgermeister geht nicht nur durch den Kopf, welche Informationen die Gemeinde herausgeben muss und welche nicht. Schlier ist in Bergtheim aufgewachsen, er kennt hier fast jeden Winkel. Es beschäftigt ihn, dass sein Heimatort nun wegen eines internationalen Kriminalfalles in die Schlagzeilen geraten wird: "Warum ausgerechnet wir?", habe er sich gedacht, "was haben wir eigentlich damit zu tun – nur weil der Mann hier mal als Adoptivkind gewohnt hat? Das kann man doch eigentlich nicht mit Bergtheim in Verbindung bringen, hier war doch nur seine Schlafstätte."

Reporter sind im Ort unterwegs

Doch die britische Boulevardpresse ist längst aufgesprungen, Reporter sind in Sachen Christian B. im Ort unterwegs. "Weil seine Pflegemutter noch hier wohnt", vermutet Schlier. Kam ihm der Gedanke, dass man sie vor dem Medienansturm schützen müsste? "Wir haben ja keine Informationen weitergegeben, aber ihre Adresse war dennoch innerhalb von Stunden durch", sagt der Bürgermeister. Sorgen habe er nicht gehabt, er kenne die Frau als robuste Person: "Sie weiß sich schon zu wehren."

Groß auf den Titelseiten: Der Fall Maddie in britischen Zeitungen.
Foto: Montage/Screenshots Main-Post | Groß auf den Titelseiten: Der Fall Maddie in britischen Zeitungen.

Was in der britischen und überregionalen deutschen Presse erscheint, erfährt Schlier zunächst über WhatsApp, Bergtheimer Bürger schicken ihm die Artikel. Wie ihr Bürgermeister sind sie bisweilen erstaunt über die Klischees, die der Ort in Würzburgs Norden verpasst bekommt. "'Verträumt' oder 'verschlafen' hieß es da über Bergtheim, das konnte man sich dann aussuchen", sagt Schlier. Er wunderte sich: "Die haben doch überhaupt keine Kenntnisse über uns."

Abgesehen von den WhatsApp-Nachrichten tritt fast niemand aus Bergtheim wegen des Themas an den Bürgermeister heran. Beschwerden über die Journalisten im Ort habe es ihm gegenüber nicht gegeben, sagt Schlier. Die meisten hätten sich einfach gewundert, was die Reporter eigentlich in Bergtheim herausfinden wollten. Dem Bürgermeister stellt sich diese Frage auch. "Ein Fernsehteam war an dem Haus, in dem die Familie damals in Miete gewohnt hat. Da kann man doch gar keine Rückschlüsse ziehen."

Nicht nur "Daily Mail", "Mirror" und "Sun" interessieren sich plötzlich für die Landkreisgemeinde, auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk von der Insel klopft an, als Schlier aus dem Urlaub zurück ist: "Wir hatten auch die BBC hier im Haus, mit der Korrespondentin aus Berlin. Die waren aber relativ fair und haben gesagt, dass sie die Adoptivmutter nicht angehen und befragen werden."

Der Bürgermeister kann sich an Christian B. nicht erinnern 

An den Tatverdächtigen Christian B. kann sich Konrad Schlier nicht erinnern. "Ich bin gebürtiger Bergtheimer und habe auch immer hier gewohnt. Aber der war nicht präsent hier im Ort, war in den Vereinen nicht aktiv. Selbst wenn ich Leute anspreche, die etwa in seinem Alter sind, kann sich keiner so richtig an ihn erinnern. Der ist in den Köpfen nicht vorhanden." Dass wegen Christian B. ein Makel an Bergtheim kleben bleibe, glaubt er nicht: "Was anderes wäre es, wenn er zwischenzeitlich hier noch seinen Wohnsitz gehabt hätte. Aber er ist doch schon seit 1993 nicht mehr hier." 

Was das Medieninteresse an Bergtheim betrifft, bleibt der 64-Jährige ohnehin gelassen – er hat da Erfahrung. 2008, bei seiner ersten Bürgermeisterwahl, war es um eine Stimme gegangen, die sein  Mitbewerber zunächst mehr hatte. Dann war eine Stimme aber doch ungültig, es musste gelost werden. "Damals waren vier oder fünf Fernsehanstalten im Rathaus", erzählt Schlier, "da war das Medieninteresse sogar noch stärker als jetzt". Er gewann den Losentscheid – und war Monate nach der kuriosen Wahl mit seinem Mitbewerber zu Gast im ZDF, bei Johannes B. Kerners Sendung "Menschen des Jahres".

Ob es in Bergtheim in Sachen Christian B. jetzt wieder ruhiger wird? "Das wird sich verlaufen", sagt der Bürgermeister, "außer, er wird wirklich überführt".  

 
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