Ist das die spektakuläre Wendung im Fall Maddie? Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt jetzt wegen Mordverdachts gegen einen 43-jährigen Mann, der laut Ermittlern aus Würzburg stammt. Offenbar handelt es sich um Christian B., der bereits als 17-Jähriger hier wegen sexuellen Missbrauchs von zwei kleinen Mädchen zu zwei Jahren Haft verurteilt worden war.
Die damals dreijährige Madeleine McCann, genannt Maddie, war im Mai 2007 aus einer Ferienanlage in Portugal verschwunden. "Wir gehen davon aus, dass das Mädchen tot ist", sagte der Erste Staatsanwalt Hans Christian Wolters am Donnerstag in Braunschweig. Der Verdächtige sei mehrfach wegen Sexualstraftaten, auch an Kindern, vorbestraft.
Drei Jahre lang in Würzburg gemeldet
Dass der Verdächtige bereits als Jugendlicher in Würzburg gegenüber Kindern übergriffig wurde, geht offenbar aus dem Bundeszentralregister hervor, das über Jahrzehnte hinweg Straftaten speichert – wenn ein Täter immer wieder straffällig wird. Gerichtsakten zu dem Würzburger Fall von 1994 mit einem damals erst 17-jährigen Täter sind indes nicht mehr greifbar.
Den Recherchen dieser Redaktion zufolge, lebte ein Mann mit Namen Christian B. und passendem Geburtsjahr tatsächlich zunächst in einer Vorortgemeinde und war dann drei Jahre lang in Würzburg gemeldet. Wohin der damals 19-Jährige dann zog, ist bisher unbekannt. Nach Informationen dieser Redaktion hatte es in den Jahren 1992 bis 1994 mehrfach polizeiliche Ermittlungen samt erkennungsdienstlicher Behandlung gegen Christian B. gegeben – sowie schließlich ein Gerichtsverfahren wegen zweifachen sexuellen Missbrauchs von Kindern.
1994 verurteilte Würzburger Jugendschöffengericht 17-Jährigen
Viele Einzelheiten, die jetzt nach den Mitteilungen der Staatsanwaltschaft Braunschweig über den Tatverdächtigen bekannt werden, passen zu dem Würzburger Fall: Am 18. Oktober 1994 berichtete diese Redaktion über eine Verhandlung vor dem Würzburger Jugendschöffengericht. Demnach stand der angeklagte Auszubildende wegen Diebstahls unter Bewährung, als er sich im September 1993 auf dem Spielplatz einer Gemeinde im Landkreis Würzburg einem Mädchen sexuell genähert hatte. Als die Sechsjährige zu schreien begann, lief er dem damaligen Bericht zufolge davon. Sechs Monate später näherte sich Christian B. einer Neunjährigen und ließ vor ihr die Hosen herunter – nur drei Tage vor dem Gerichtstermin, der wegen des ersten Falls angesetzt gewesen war.
Der Gerichtsbeobachter schilderte den 17-Jährigen als "verstockt, einsilbig" und "sichtlich scheu". Ein Gutachter deutete in dem Prozess dem Bericht zufolge eine problematische Kindheit mit Adoption und Heimaufenthalt an. Dennoch attestierte er dem Angeklagten "volle Schuldfähigkeit". "Offensichtlich kann der Angeklagte nur durch eine fühlbare Jugendstrafe beeindruckt werden", so der Richter damals. Das Gericht verurteilte den Jugendlichen schließlich zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren ohne Bewährung.
Ermittler kamen dem Tatverdächtigen bereits 2013 auf die Spur
Der heute 43-Jährige, der jetzt im Fall Maddie unter Verdacht steht, verbüßt nach dpa-Information derzeit eine Haftstrafe in Kiel. Einem Bericht der "Braunschweiger Zeitung" zufolge "deutet vieles darauf hin", dass es sich bei dem Verdächtigen um einen Mann handelt, den das Landgericht Braunschweig 2019 wegen Vergewaltigung einer damals 72-Jährigen zu einer Haftstrafe von sieben Jahren verurteilt hat. Die Tat soll er 2005 in demselben Ort in Portugal begangenen haben, in der rund eineinhalb Jahre später das dreijährige Mädchen Maddie verschwand.
Auf die Spur des Tatverdächtigen sollen die Ermittler bereits im Oktober 2013 gekommen sein. "Die damaligen Informationen reichten nicht für Ermittlungen aus und schon gar nicht für eine Festnahme", so ein BKA-Ermittler.