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Würzburg
Verdächtiger im Fall Maddie: Christian B.s Leben in Unterfranken
Der heute 43-Jährige wuchs zunächst im Landkreis, dann im Stadtgebiet von Würzburg auf. Dort begann er eine kriminelle Karriere.
Die Eltern des verschwundenen britischen Mädchen Madeleine 'Maddie' McCann, Kate und Gerry McCann, haben nie aufgehört, nach ihrer Tochter zu suchen.
Foto: Joe Giddens, dpa | Die Eltern des verschwundenen britischen Mädchen Madeleine "Maddie" McCann, Kate und Gerry McCann, haben nie aufgehört, nach ihrer Tochter zu suchen.
Benjamin Stahl
 und  Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:36 Uhr

Wer ist Christian B.? Der Würzburger beherrscht seit zwei Tagen europaweit die Schlagzeilen. Im Jahr 2007 soll der heute 43-Jährige in Portugal die damals dreijährige Madeleine McCann entführt und getötet haben. Seine Spur lässt sich bis in die 1980er Jahre zurückverfolgen. Recherchen dieser Redaktion legen nahe: Christian B., der 1976 als Christian F. geboren wurde, stammt aus schwierigen Verhältnissen und machte im Laufe der Jahre eine dramatische Entwicklung durch.

Im Dezember 2019 verurteilte das Landgericht Braunschweig Christian B. wegen der Vergewaltigung einer damals 72-Jährigen zu einer Haftstrafe von sieben Jahren. Die Tat, die er sogar gefilmt hatte, geschah bei einem Einbruch im Jahr 2005 im portugiesischen Praia da Luz. Dort, wo zwei Jahre später auch Maddie verschwand. Aus Braunschweiger Gerichtsunterlagen, die der Redaktion vorliegen, geht hervor, dass B. als Kind zur Adoption freigegeben worden und in einem Heim aufgewachsen war.

Gemeldet in einer Landkreisgemeinde

Zwischen 1987 und 1992, das belegen weitere Unterlagen, war er in einer Gemeinde im Landkreis Würzburg gemeldet. Das Mehrfamilienhaus in der Ortsmitte ist inzwischen in die Jahre gekommen. Auf den Klingelschildern ist heute weder der Nachname B. noch der Name F. zu finden.

1992 zog Christian B. nach Würzburg um. Unter der neuen Adresse befand sich nach Recherchen der Redaktion eine Einrichtung für schwer erziehbare Jugendliche. Nachbarn dort werden am Freitag das Ziel neugieriger Reporter. Manche können sich nur noch vage daran erinnern, dass sie Angst vor Christian B. und anderen Jungen hatten. Andere wollen sich nicht erinnern oder verlangen vierstellige Summen für Auskünfte. Ein Nachbar sagt unter Angabe seines Namens, er sei damals aus Angst um seine Tochter weggezogen.

Lehre als Kfz-Mechaniker und erster sexueller Missbrauch

In diese Zeit fallen erste ernsthafte Delikte des damals 15-jährigen B., der in schneller Reihenfolge immer wieder ins Visier der Ermittler geriet. Nach der Redaktion vorliegenden Unterlagen wurde der Jugendliche drei Mal innerhalb von zwei Jahren bei der Würzburger Kriminalpolizei erkennungsdienstlich behandelt. Im selben Zeitraum machte B. laut dem Braunschweiger Urteil seinen Hauptschulabschluss und begann eine Lehre als Kfz-Mechaniker.

September 1993: Auf einem Spielplatz in einem Nachbarort seiner früheren Heimatgemeinde im Landkreis Würzburg missbrauchte B. eine Sechsjährige. Sechs Monate später folgte ein weiterer sexueller Übergriff, diesmal war eine Neunjährige das Opfer. Im Oktober 1994 stand, wie diese Redaktion damals berichtete, ein scheu wirkender, inzwischen 17-jähriger B. in Würzburg vor den Richtern. Ein Angeklagter, der offenbar bei erster Gegenwehr die Flucht ergriff. Seine Lehre brach er 1995 ab, "um sich der Vollstreckung" seiner Jugendstrafe "zu entziehen", heißt es im Braunschweiger Urteil. Mit seiner damaligen Freundin zog der Würzburger nach Portugal, pendelte in den folgenden zwei Jahrzehnten zwischen Südeuropa und Deutschland hin und her, beging immer wieder Straftaten.

Haschisch auf Dachboden getrocknet

Belegt sind Aufenthalte bei einer Freundin in Dresden sowie in Hannover, Braunschweig – und Augsburg. Dort lernt "um 2007 herum" Alexander Bischof Christian B. kennen. B. war damals im Obergeschoss eines Backsteingebäudes im Augsburger Schlachthof-Quartier gemeldet, etwa zur selben Zeit, als Maddie in Portugal verschwand. 

"Es ist unvorstellbar für mich, was Christian verbrochen haben soll", sagt der 64-jährige Bischof heute über seinen einstigen Bekannten. Doch es wird dabei auch deutlich, dass die Bekanntschaft nur an der Oberfläche blieb. Denn richtig viel hatte der nun Tatverdächtige aus seinem Leben offenbar nicht preisgegeben. Von einer schwierigen Kindheit habe er mal am Rande etwas mitbekommen, sagt Bischof. Lange dauerte es damals nicht, bis dem Augsburger klar wurde, dass B. Geld auf illegale Weise verdiente: "Er handelte mit Drogen." Auf einem Dachboden habe er Haschisch getrocknet. "Das hat intensiv gerochen."

Hat Christian B. 2015 auch Inga entführt?

Das Strafregister von Christian B. listet zwölf Verurteilungen vom Drogenhandel über Diebstahl und mehrfachen sexuellen Missbrauch von Kindern bis hin zu Vergewaltigung sowie Besitz von Kinderpornos auf. In seinem herunter gekommenen Haus in Portugal finanzierte er seinen Lebensunterhalt mit Gelegenheitsarbeiten und immer wieder mit Einbrüchen. Die Ermittler halten es für denkbar, dass er bei einem dieser Einbrüche von Maddie überrascht wurde – und ähnlich brutal auf sie losging wie zwei Jahre zuvor auf die 72-Jährige im selben Ferienort.

Und nun keimt gegen den gebürtigen Würzburger ein weiterer furchtbarer Verdacht: Hat der 43-Jährige im Jahr 2015 auch die fünfjährig Inga in Sachsen-Anhalt entführt? Das Mädchen war bei einem Familienausflug bei Stendal verschwunden. Im Landkreis Börde, etwa eine Autostunde entfernt, besitzt Christian B. ein Grundstück. Dort fanden Ermittler einen Datenstick mit Kinderpornos – ein Delikt, mit dem B. schon früher aufgefallen war. Das Mädchen wurde bis heute nicht gefunden. Die Staatsanwaltschaft Stendal sagte, sie prüfe nun mögliche Verbindungen zum Fall Maddie.

 
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  • reutjo
    gute Frage... ?

    wer ist " C.F. " ?; der als " C.B. " in den Medien geführt wird. Adoption oder andere Gründe zur Namensänderung. Wann und wo und warum ? ( Herr Schweidler über-nehmen Sie ! )

    Jede noch so alte Spur ist wichtig; denn wenn der derzeitige Häftling "schweigt und von seinen Aussageverweigerungsrecht Gebrauch macht, kommt es auf jedes einzelne
    Haar an, um das "Aufsehenerregende zu bestätigen. Die Justiz braucht einen Voll-treffer = 10er. Nah dran ist leider nicht genug.
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  • haba2908
    Nachdem mein gestriger Beitrag wegen „Verstoß „ gegen die Netiquette nicht veröffentlicht wurde ( was ich nicht nachvollziehen kann), versuche ich es mal anders:

    Wieder mal ein Sexualstraftäter, der aufgrund guter Sozialprognose und Therapierbarkeit weiter ungestört am öffentlichen Leben teilnehmen kann ...... Danke !!!!
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  • Werner12
    Wie kann einer der zwei kleine Mädchen missbraucht hat noch frei rumlaufen ?
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  • Baetz_Johannes@t-online.de
    für mich ist es immer wieder eine nicht nachvollziehbare Argumentation "stammt aus schwierigen Verhältnissen und machte im Laufe der Jahre eine dramatische Entwicklung durch" um damit all das was solche Menschen anderen angetan haben zu verharmlosen bzw zurechtfertigen und anschliessend "mildernde Umstände bekommen bzw dafür auch noch in Anspruch neben wollen und auch bekommen. Was macht unsere "Kuscheljustiz" - - - nichts. Und wie es immer bei sowas ist - die Opfer werden einfach sich selbst überlassen bzw haben einfach "Pech" gehabt und müssen ein lebenlang damit umgehen. Was auch sehr erschreckend ist, ist die Tatsache dass vieles über "Ihn"bekannt war und nichts unternommen wurde um weitere Taten zu verhindern.
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  • ManfredSchweidler
    Leider belegt die Psychologie gerade im Bereich kindlichen Missbrauchs, dass aus Opfern später Täter werden können. Damit ist nichts entschuldigt, nur auf eine Ursache hingewiesen
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  • haba2908
    Das Posting verstößt gegen unsere Netiquette und wurde daher gesperrt.
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  • haba2908
    Das Posting verstößt gegen unsere Netiquette und wurde daher gesperrt.
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  • gladys
    Es ist unglaublich... Wenn das wirklich der Mörder der beiden kleinen Mädchen ist. Schrecklich. Was für eine Menge an Verbrechen hat er schon auf dem Kerbholz, unter anderem den Missbrauch einer Sechsjährigen. Aber er läuft frei herum und pendelt zwischen Portugal und Deutschland. Wahrscheinlich noch mit staatlicher finanziellen Unterstützung. Denn gearbeitet hat er ja offensichtlich nie.
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  • saf.wuerzburg@t-online.de
    ... und vor Gericht schwingt sein Rechtsverdreher dann wieder die Keule der schwierigen Kindheit seines Mandanten ...

    ... Alkohol, Drogen oder schwierige Kindheit, eins von den dreien muss immer herhalten, damit die Angeklagten doch noch "billiger" davon kommen ...
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  • jebusara@web.de
    Den Verteidigern kann man keinen Vorwurf machen, die machen lediglich ihren Job. Der Vorwurf gehört an die Justiz gerichtet die solche "Argumente" bei der Urteilsfindung mildernd einfliessen lässt.
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