Hat Eiskunstlauftrainer Karel Fajfr (75) im Bundesleistungszentrum in Oberstdorf seinen ehemaligen Läufer Isaak Droysen (19) aus Würzburg über Jahre seelisch und körperlich misshandelt? Der Fall, über den diese Redaktion Ende Juli zuerst berichtet hatte, zieht bundesweit Kreise. Die Polizei in Würzburg hat den Fall an die Staatsanwaltschaft weitergegeben. Dort wird nun geprüft, ob ein Ermittlungsverfahren gegen Karel Fajfr eingeleitet wird. Fajfr, der alle Vorwürfe bestreitet, stellte im Gegenzug Strafanzeige gegen Isaak Droysen wegen Verleumdung und vorsätzlich falscher Verdächtigung. Jetzt hat sich der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) in den Fall eingeschaltet.
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Die Deutsche Eislauf-Union (DEU), die seit Monaten gegenüber der Presse Auskünfte zu dem Fall verweigert, und in einer vor vier Wochen auf ihrer Homepage veröffentlichten Stellungnahme Zweifel aufkommen ließ an der Glaubwürdigkeit Droysens, hat nun reagiert. In einer nicht namentlich gekennzeichneten Mitteilung auf der Homepage heißt es, dass die DEU Stellungnahmen von Personen, die am Bundesstützpunkt Oberstdorf in verschiedenen Positionen tätig sind, ausgewertet habe: "Es liegen sowohl für die eine wie die andere Seite stützende Aussagen vor, die jedoch noch keine abschließende Bewertung zulassen." Allerdings verspricht die DEU, nach einer Beratung mit dem Deutschen Olympischen Sportbund, ein umfangreiches Engagement zum Schutz von Kindern. Künftig will der Verband eine "Null-Toleranz-Haltung gegenüber Gewalt in jeder Form" vertreten.
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Das Wohl der Athletinnen und Athleten müsse stets im Vordergrund stehen. Zu dieser Einstellung gehöre auch eine Kultur des Hinsehens und eine empathische Herangehensweise an die Bedürfnisse der Sportlerinnen und Sportler." Noch in dieser Saison will die DEU an allen Bundesstützpunkten Trainer, Eiskunstläufer und Eltern zu Schulungen einladen. Zivilcourage und persönliche Verantwortung von allen Beteiligten im Trainingsprozess sollten dazu führen, "dass alle Aspekte eines menschenwürdigen Umgangs im Sinne von pädagogischen und ethischen Grundsätzen gepflegt werden".
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Der betroffene Eiskunstläufer Isaak Droysen hält die Stellungnahme der DEU für unzureichend. Auf Anfrage dieser Redaktion erklärte er: "Darin steht so ziemlich das Gegenteil von dem, was ich bislang im Umgang mit mir und anderen Betroffenen erfahren habe - und was mir von Zeugen in anderen Fällen aus der Vergangenheit geschildert wurde." Es falle ihm schwer zu glauben, dass sich mit ein paar Schulungen etwas ändern werde. "Wenn diese Stellungnahme alles war, das die DEU zu dem Fall zu sagen hat, ist das ein Witz. Die Funktionäre in der DEU übernehmen damit weiterhin keine Verantwortung." Er habe sich, so Droysen, mehr erwartet von der wochenlangen Aufklärungsarbeit der DEU, die sich jetzt offenbar notgedrungen den Vorgaben des DOSB unterordne.
Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) nimmt Karel Fajfr bis heute aus "ethisch-moralischen Gründen" nicht mit zu den Olympischen Spielen. Der Name Karel Fajfr steht für einen der größten Skandale im deutschen Leistungssport. Der Trainer wurde im Dezember 1995 unter anderem wegen schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und einem dreijährigen Berufsverbot verurteilt. Zuletzt musste Fajfr 2014 sein Olympia-Paar Daniel und Maylin Wende von Deutschland aus coachen. Das Paar arbeitet heute als Co-Trainer von Karel Fajfr in Oberstdorf. Die Mutter von Maylin Wende erklärte im aktuellen Fall gegenüber dieser Redaktion, Fajfr sei ein Trainer "ohne Fehl und Tadel".
Indes haben Recherchen dieser Redaktion ergeben, dass der DEU ein zweiter aktueller Verdachtsfall vorliegt: Eine Läuferin belastet Fajfr ebenfalls schwer.
Nachtrag: Die Staatsanwaltschaft hatte das Ermittlungsverfahren gegen Karel Fajfr wegen der Vorwürfe Droysens von angeblichen Schlägen auf Arme, Beine, Rücken und ins Gesicht mangels Tatverdachts eingestellt. Diese Entscheidung hat die Generalstaatsanwaltschaft München nach Beschwerde Droysens bestätigt. Nun hat das Amtsgericht Sonthofen Karel Fajfr am 8. Februar 2021 von dem noch verbliebenem Vorwurf einer angeblichen Ohrfeige Droysens im Herbst 2016 freigesprochen. Der Freispruch ist rechtskräftig.