In Deutschland wählen etwa 4,8 Millionen Menschen bei der Europawahl im Juni zum ersten Mal. Parteien müssen dann mehr Erstwählerinnen und Erstwähler erreichen. Denn wer 16 Jahre alt ist, darf an der Wahl teilnehmen.
Das verändert den Wahlkampf: Austragungsort sind immer häufiger soziale Netzwerke. Zweieinhalb Stunden nutzen Kinder und Jugendliche an einem Wochentag durchschnittlich Social Media, am Wochenende über dreieinhalb Stunden. Das zeigt die Studie Mediensucht der DAK-Krankenkasse.
Soziale Netzwerke sind für die Europawahl bei Jugendlichen aus Sicht der Parteien sehr wichtig
Neben WhatsApp sind zwei soziale Netzwerke besonders unter Jugendlichen verbreitet: TikTok und Instagram. Dort haben mittlerweile fast alle politischen Parteien Accounts.
Auch viele Partei-Jugendverbände produzieren Posts und kurze Videos für die Plattformen. Wie wollen die Parteien vor der Europawahl Jugendliche auf Social Media erreichen?
Junge Liberale - Die Jugendorganisation der FDP
Die Jungen Liberalen Bayern haben sich vor der Wahl dazu entschieden, TikTok zu bespielen. "Wir wollen auf TikTok der AfD nicht mehr das Spielfeld überlassen", sagt Tobias Dutta, Landesvorsitzender der Jungen Liberalen aus Würzburg.
Vor vier Jahren waren die Jungen Liberalen auf Bundesebene noch klar gegen die App. Im Dezember 2023 eröffnete die Jugendorganisation der FDP mit Blick auf die Europawahl ihren TikTok-Account. Mit Europa-Inhalten startete der Account im März. In einem Kurzformat sollen die Europa-News der Woche vorgestellt werden. Insgesamt hat der Account auf TikTok mittlerweile etwa 390 Likes.
Jungsozialisten - die Jugendorganisation der SPD
Auch bei den Jungsozialistinnen und -sozialisten (Jusos) stehen für die Europawahl soziale Medien im Fokus. Annika Küspert, Bezirksvorsitzende der Jusos Unterfranken, sieht Social Media als großen Einfluss für Jugendliche. "Social Media ist wie ein Jugendzentrum ein Raum, den Jugendliche betreten", sagt Küspert.
Die Jugendorganisation der SPD will dort Themen ansprechen, die Jugendlichen wichtig sind. So wollen die Jusos klar die Stärken der EU und auch Kritik an Europa kommunizieren. Konkret: Gutes, wie Erasmus-Möglichkeiten, aber auch auf Schlechtes, wie die Situation an der EU-Außengrenze.
Aber: "Social Media ist am Ende des Tages eine Kapazitätenfrage", sagt Küspert. Hauptsächlich nutzen die Jusos Instagram - vereinzelt auch TikTok. Einen offiziellen und aktiven TikTok-Account haben die Jusos Bayern nicht. Auf Instagram hat ihr Account etwa 2800 Follower.
Junge Union - die Jugendorganisation der CSU/CDU
Im Vergleich zu anderen bayerischen Partei-Jugendverbänden ist die Junge Union Bayern auf TikTok stark vertreten. Der Verband ist seit 2020 auf der App und hat dort mittlerweile etwa 29.000 Likes. "Auch Facebook wird bei uns fast noch genauso bespielt wie andere Plattformen", sagt Thomas Siepak. Er ist Bezirksvorsitzender der Jungen Union Unterfranken.
In sozialen Netzwerken wolle die Jugendorganisation von CSU/CDU einen Fokus auf politische Bildung in kurzen Videos setzen, sagt Siepak. Denn er befürchtet zu wenig politisches Verständnis bei den Jugendlichen. "Das Begreifen ist noch mit einem großen Fragezeichen versehen", sagt der Bezirksvorstand. Die Absenkung des Wahlalters sei ganz klar eine Herausforderung.
Grüne Jugend - Die Jugendorganisation des Bündnis 90/Die Grünen
Jannik Nörpel, Sprecher der Grünen Jugend in Würzburg, sieht als Hauptziel für die kommenden Monate bis zur Europawahl, den Social-Media-Auftritt der Jugendorganisation der Grünen auszubauen. Fokus seien dabei TikTok und Instagram.
"Was du heute im Feed siehst, darüber sprichst du morgen mit deinen Freunden", sagt Nörpel. Regionales werde vor allem über Instagram gut weitergetragen, meint er. Die Grüne Jugend Bayern hat bisher auch noch keinen offiziellen TikTok-Account. Auf Instagram hat ihr Account knapp unter 5000 Follower.
Außerdem sagt Nörpel: "Es ist wichtig, Themen zu setzen, die junge Menschen schon ansprechen." Zum Beispiel könnten sachliche Videos über Wohnungsnot und Inflation auch Desinformation entgegenwirken. "Die AfD stellt mit Populismus und Lügen Themen sehr einfach dar und schafft so Angst und Wut", sagt Nörpel.
Junge Alternative - Die Jugendorganisation der AfD
Die JA Bayern hat keinen offiziellen TikTok-Account. Auf Instagram hat der Verband etwa 2800 Follower. Was sagt die Junge Alternative (JA) zu ihrem Social-Media-Konzept? Auf eine Mail-Anfrage antwortet Franz Schmid, Landesvorsitzender der JA: Mitglieder der JA seien auf allen Social-Media-Kanälen unterwegs. Denn "natürlich ist es auch wichtig, im Netz das Feld nicht dem Establishment zu überlassen", schreibt Schmid. Mit "Establishment" ist laut Definition eine etablierte Elite gemeint.
2022 sei die AfD nur zwei Mal in großen Talkrunden der ARD und des ZDF zu sehen gewesen, heißt es in der Mail von Schmid. Desto wichtiger sei es, die "Ausgrenzungsspirale" durch Auftritte auf Social Media zu durchbrechen, schreibt er. "Die Leute, insbesondere die neugierigen jungen Leute, wollen wissen, was wir zu sagen haben."
Aktuell prüft der Verfassungsschutz, ob bei einzelnen AfD-Abgeordneten "die rechtlichen Voraussetzungen für eine Beobachtung erfüllt sind", berichtet die Augsburger Allgemeine. Darunter soll laut Medienberichten auch Franz Schmid sein.