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Würzburg
Entschädigung für Opfer sexuellen Missbrauchs: Bistum Würzburg zahlte im Jahr 2022 eine halbe Million Euro
Bischof Franz Jung will der Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der Kirche Priorität einräumen. Was sie die Diözese kostet und wie viele neue Fälle es gibt.
Schatten über dem Kreuz: Um die 'Anerkennung des Leids' geht es nach dem Duktus der katholischen Kirche in der  Aufarbeitung und Entschädigung von Missbrauchsfällen.
Foto: Getty Images | Schatten über dem Kreuz: Um die "Anerkennung des Leids" geht es nach dem Duktus der katholischen Kirche in der  Aufarbeitung und Entschädigung von Missbrauchsfällen.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:27 Uhr

Für Fälle von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche hat die Diözese Würzburg im vergangenen Jahr insgesamt eine halbe Million Euro an Entschädigungen bezahlt. Dies geht aus Zahlen hervor, die das Bistum am Donnerstag bei der Pressekonferenz zum Jahresauftakt bekannt gab. Zur Summe gehören auch noch Fälle aus dem Jahr 2021.

Die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch habe für ihn "höchste Priorität", sagte Bischof Franz Jung, dabei stünden die Betroffenen an erster Stelle. Sie seien die "wichtigsten Partner beim Umgang mit den individuellen und strukturellen Verfehlungen". Man brauche ihre Expertise, um wirkliche Fortschritte zu erreichen. "Ich schätze den respektvollen und vertraulichen Austausch sehr", sagte Jung. Um die Besetzung des mittlerweile fünfköpfigen Betroffenenbeirats hatte es in den vergangenen zwei Jahren Ärger, Kritik und Vorwürfe gegeben – auch gegenüber dem Bischof.

15 neue Entschädigungsanträge im vergangenen Jahr 

15 neue Anträge zur Anerkennung von sexuellem Missbrauch durch Kirchenvertreter sind bei der unabhängigen Missbrauchskommission der Diözese im vergangenen Jahr eingegangen. Zehn dieser neue Anträge habe man bis dato entschieden und dafür 165.500 Euro "Anerkennungsleistungen" an die Betroffenen bezahlt, erklärte der Bischof vor der Presse. Die Entschädigungsgelder stammen laut Finanzdirektor Sven Kunkel nicht aus Kirchensteuermitteln, sondern aus dem Etat des Bischöflichen Stuhls, der die Altersversorgung von Priestern sichert.

Unter den 15 Fällen waren sechs Erstanträge. Siebenmal wurden Anträge erneut gestellt, obwohl die Fälle bereits abgeschlossen sind. Zwei Betroffene hätten ihrer Meldung neue Informationen hinzugefügt, so dass sich die Kommission erneut mit den Vorgängen befasste – und eine Entschädigung festsetzte: 77.500 Euro für diese beiden Fälle. 

Neun Personen haben sich im vergangenen Jahr mit neuen Missbrauchsvorwürfen an die unabhängigen Beauftragten der Diözese gewandt. Sie richten sich laut Bistum in jeweils drei Fällen gegen Priester und gegen "Unbekannt", ferner gegen einen verstorbenen Priester und zwei Ordensmänner, wovon einer ebenfalls schon tot ist.

Wie gut oder wie schlecht die Aufarbeitung im Bistum von 1945 bis 2019 gelaufen ist, soll ein unabhängiges juristisches Gutachten klären. Die Arbeit darin hat der Sachverständige und Rechtsanwalt Hendrik Schneider aus Wiesbaden am 1. Dezember aufgenommen.

Bischof Franz Jung nannte bei der Jahresauftakt-Pressekonferenz des Bistums auch Zahlen zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs. Rechts daneben Generalvikar Jürgen Vorndran.
Foto: Benjamin Brückner | Bischof Franz Jung nannte bei der Jahresauftakt-Pressekonferenz des Bistums auch Zahlen zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs. Rechts daneben Generalvikar Jürgen Vorndran.

Arbeit am unabhängigen Missbrauchsgutachten hat begonnen

In Auftrag gegeben hatte das Gutachten die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs (UKAM)  in der Diözese Würzburg unter Vorsitz von Anja Amend-Traut, Lehrstuhlinhaberin für Rechtsgeschichte, Kirchenrecht und Bürgerliches Recht an der Universität Würzburg. Der achtköpfigen Kommission gehören unter anderem Vertreter des Beitroffenenbeirats, der Justizbehörden sowie der Stadt Würzburg an. Die Diözese ist in dem Gremium nicht vertreten.

Bischof Jung verwies vor der Presse auch auf eine zweite unabhängige Untersuchung in Zusammenarbeit mit der Uni Würzburg: Hierbei handelt es sich um eine historische Studie. Sie solle ebenfalls Missbrauchsfälle dokumentieren und problematische Strukturen identifizieren. Außerdem, so Jung, gehe es um die jeweilige Einordnung in den "zeitlichen und gesellschaftlichen Kontext". Man erwarte sich auch von diese Gutachten Erkenntnisse zur künftigen Verhinderung von Missbrauch.

Diözesanratsvorsitzender Michael Wolf als oberster Laienvertreter mahnte ebenfalls zur Aufarbeitung des Missbrauchsskandals: "Das sind wir der Gesellschaft, aber auch uns selbst schuldig." Lehren aus den Vorkommnissen müssten gezogen und umgesetzt werden. Gleichzeitig warnte er: "Die Kirche aber nur auf diesen Skandal zu reduzieren, ist nicht richtig und nicht angemessen."

(Der Artikel wurde nachträglich ergänzt)

 
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    ist es eigentlich immer noch so, dass der missbrauch von kindern in der katholischen kirche theologisch gar nicht existiert und in diesem sinne auch keinen strafbestand in der kath. theologie sein kann?
    kindesmissbrauch wurde nur unter dem sechsten gebot "du sollst nicht ehebrechen" betrachtet werden. was für ein anachronismus.
    da es theologisch kindesmissbrauch nicht gab war es wahrlich einfach für priester und nonnen die opfer zu beschuldigen, verführt worden zu sein.
    die beichte richtete es dann schon und damit war die angelegenheit oft erledigt...
    soweit ich erinnere, ist der erste beauftragte von außen der kath. kirche in würzburg (name ist mir leider nicht mehr präsent), neben der unfassbaren staffelung der gelder für die opfer, auch aus diesem grund damals zurückgetreten...
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  • I. R.
    Auch wenn das nur ein Randthema ist: was genau wird eigentlich getan, um a) Missbrauch zu ver- oder wenigstens zu behindern und b) diese, wenn Anzeichen da sind, hier früher nachzuforschen und einzugreifen usw.? Da haben doch wegen der Zuständigkeit des Kirchenrechts für unseren staatlichen Behörden nicht viele Chancen, oder liege ich falsch? Womit ich nicht behaupte, dass es da immer besser ist, doch um beim Thema zu bleiben: was ist die verbindliche (nicht nur vage Versprechungen) Konsequenz aus den Erfahrungen?
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  • S. K.
    Nachhaltig vorbeugen und Priesteranwärter eingehend vorher überprüfen wäre besser als nachträglich zahlen, davon werden der Missbrauch und die psychischen Folgen auch nicht ungeschehen gemacht.
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  • M. B.
    Da seht ihr mal was mit eurer Kirchensteuer gemacht wird.
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  • M. S.
    @braunmatthias:
    ...steht schon im Artikel, dass die Entschädigungen nicht aus Kirchensteuermitteln stammen. Auch Herr Jungbauer bekräftigt diese Aussagen in seinem Kommentar.

    Aber um bei ihnen zu bleiben: an ihrem Kommentar sieht man mal wohin mangelndes Leseverständnis führt!
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  • M. B.
    Haupteinnahmequelle der katholischen Kirche in Deutschland ist nach wie vor die Kirchensteuer. Insofern ist es durchaus möglich, dass die halbe Million direkt oder indirekt (Zinseinnahmen) aus Kirchensteuern finanziert wurde. Das verneint man natürlich im Artikel . Ausschließen kann man es vermutlich nicht. Wenn man bedenkt dass viele Kirchengemeinden in der Diözese das Geld dringend benötigen für Personal , Erhaltungsmaßnahmen ... so ist es erschreckend dass mit so viel Geld Straftaten von Priestern bezahlt werden muss. So manche kirchliche Einrichtung oder Personal hätte damit erhalten werden können.
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  • H. S.
    Danke für den Hinweis: ein zerstörtes Leben durch einen Priester ist also 77.500 EUR wert, zahlbar natürlich vom Steuerzahler, der ja auch die Gehälter der Mißbrauchenden zahlt.
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  • I. R.
    Hallo Mainheini, nein, das wurde nicht vom Steuerzahler usw. gezahlt. Pensionstopf der Pfarrer usw., hat lt Kommentar weiter unten die Redaktion geklärt und ist nun im Artikel nachgebessert. Klar kann man aber, s. andere Kommentare, die Höhe hinterfragen. Schwieriges Thema, auch bei Vergleichen mit “normalen“, also nicht kirchlichen Tätern. Ich kenne ein Missbrauchsopfer - das sind lebenslange Beeinträchtigungen, nur sieht man die nicht, wie z.B. Arm oder Bein ab. Schlimm. Frage mich nur, wie hoch die Dunkelziffer ist - diese Betroffenen sind oft gar nicht in der Lage, darüber zu sprechen, grauenvolles Trauma. Das gilt aber auch generell bei den Taten.
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  • L. S.
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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  • J. F.
    @Mainheini: Genauer lesen: "77.500 Euro für diese beiden Fälle" - Also 77.500 Euro geteilt durch zwei.
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  • J. F.
    Das sind bezogen auf das durchschnittliche Bischofsgehalt ca. 150 Tagessätze pro Fall.
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  • I. R.
    Auch wenn das nur ein Randthema ist: was genau wird eigentlich getan, um a) Missbrauch zu ver- oder wenigstens zu behindern und b) diese, wenn Anzeichen da sind, hier früher nachzuforschen und einzugreifen usw.? Da haben doch wegen der Zuständigkeit des Kirchenrechts für unseren staatlichen Behörden nicht viele Chancen, oder liege ich falsch? Womit ich nicht behaupte, dass es da immer besser ist, doch um beim Thema zu bleiben: was ist die verbindliche (nicht nur vage Versprechungen) Konsequenz aus den Erfahrungen?
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  • T. H.
    Das frage ich mich auch schon die ganze Zeit. Es gibt immer weniger Priester, und die Kirche tut nichts dagegen. Es gibt nach wie vor Missbrauchsfälle, und die Kirche tut nichts dagegen. Ich bin beileibe kein Freund deswegen synodalen Weges und bin eigentlich eine überzeugte Katholikin. Aber zurzeit fällt es mir sehr schwer, weil ich gar nicht sehen kann, was die Kirche tut, um wieder lebendig und anziehend zu werden.
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  • R. S.
    Abgeschlossene Fälle wurden wieder aufgerollt und erneut entschädigt.
    Man kann es drehen und wenden wie man will.
    Letztendlich dreht sich alles ums Geld
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  • J. F.
    @simonhard: Nur wenn diese Schweinerei der Kirche ordentliche Geld kostet, einsteht ausreichend Motivation sie auch einzudämmen. Die moralischen Prinzipen haben die Kirchenoberen im Zug der Vertuschung ja über Bord geworfen.
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  • R. S.
    So ein Quatsch. Dann hätten die Täter das zahlen müssen. Wenn sie jemanden mißbrauchen, zahlt dann auch ihr Arbeitgeber?
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  • J. F.
    @ simonhard: Von wegen Quatsch: Vertuschung und Protektion der pädokriminellen Priester ist ein anerkanntes Systemversagen der Institution Kirche. Sie gibt die Anerkennungsleistungen auch nicht aus christlicher Nächstenliebe, sondern weil sie sich (zurecht) in der Verantwortung sieht.
    Ein 'normaler Arbeitgeber', der Pädokriminalität in vergleichbarem Maßstab gefördert hätte, wäre längst 'vom Markt' verschwunden.
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  • R. S.
    Pädokriminalität gefördert??
    Das diskreditiert sie endgültig als Diskussionspartner🤐
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  • J. F.
    @simonhard: Im übrigen bin/war ich selbständig und habe mich nicht zur Tarnung hinter dem Abwehrschirm einer mächtigen Institution versteckt. Und Sie?
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  • H. O.
    Es ist schon erstaunlich dass durch das Geld dann ein "Missbrauch " nicht mehr so schlimm gewesen sein soll.
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