Die Europameisterschaft beginnt an diesem Freitag. Halb Deutschland ist wieder im Fußball-Fieber und die Fans fragen sich: Wo schauen wir das Spiel? Public Viewing im ganz großen Ausmaß wird es nach aktuellem Stand in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie wohl nicht geben.
Zu einer möglichen Fan-Meile vor dem Brandenburger Tor in Berlin, wo bei vergangenen Turnieren Menschenmassen Jogis Jungs die Daumen drückten, sagte eine Sprecherin des üblichen Veranstalters: "Die Situation hat keine Planungssicherheit erlaubt." München, einziger deutscher Spielort bei dieser EM, hat sich dazu entschlossen, die Vorbereitungen für die geplante Fan-Zone im Olympiapark nicht weiterzuverfolgen. Immerhin rund 14 000 Zuschauerinnen und Zuschauer dürfen zu den Spielen in die Allianz Arena.
Auch in Unterfranken sind bislang keine Großveranstaltungen geplant. Die pandemiebedingten Regeln lassen das in Bayern auch nicht zu. "Beim Public Viewing steht der Event-Charakter im Vordergrund. Es handelt sich hierbei grundsätzlich nicht um eine kulturelle Veranstaltung", stellt ein Sprecher des Gesundheitsministeriums klar.
Gastronomie muss im Vordergrund stehen
Der bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung zufolge sind zwar öffentliche Veranstaltungen aus besonderem Anlass und mit einem von Anfang an klar begrenzten und geladenen Personenkreis prinzipiell möglich. "Beim Public Viewing wird der Personenkreis allerdings üblicherweise gerade nicht von Anfang an klar begrenzt und geladen sein", so der Sprecher des Gesundheitsministeriums. Folglich handle es sich nicht um eine erlaubte Veranstaltung. "Damit wäre auch ein Public Viewing im Rahmen der Außengastronomie grundsätzlich jedenfalls dann eine untersagte Veranstaltung, wenn es maßgeblich im Vordergrund steht."
Sei allerdings der Verzehr von Speisen und Getränken der Hauptzweck und wird das jeweilige Sport-Ereignis lediglich auf "beispielsweise einem Fernseher im Hintergrund gezeigt", sei das zulässig. Die konkrete Beurteilung müsse dabei allerdings "dem Einzelfall überlassen bleiben".
Diese Regelung habe bei Gastronomen zu Irritationen geführt, berichtet Michael Schwägerl. Für den Bezirksgeschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) für Unterfranken lässt die Verordnung "rechtlich viele Fragen" offen. Er hätte sich von der Landesregierung klarere Vorgaben erhofft.
Seine Lesart sieht folgendermaßen aus: Stellen Wirte im Biergarten oder im Restaurant einen Fernseher auf, ist das kein Public Viewing – und folglich erlaubt. Schließlich sei das Angebot von Getränken und Speisen der Hauptgrund, das Spiel dort zu schauen. "Der Wirt will sein Bier, seinen Wein und sein Essen verkaufen. Das Fußballspiel bietet er als Zusatz", sagt Schwägerl.
Biergarten in Sand am Main: Liveübertragungen in Absprache mit der Gemeinde
Das ist beispielsweise beim Hotel Weingut Goger in Sand am Main der Fall. Inhaber Stefan Goger ist einer der wenigen Gastronomen im Landkreis Haßberge, die überhaupt einen Antrag auf Genehmigung eines Public-Viewing-Events bei ihrer Gemeinde gestellt haben. Wie Goger gegenüber dieser Redaktion sagt, habe er in den vergangenen Jahren bei allen Welt- und Europameisterschaften zumindest die Spiele der deutschen Fußballnationalmannschaft live übertragen.
Nach Absprache mit der Gemeinde werde es auch diesmal Liveübertragungen im betriebseigenen Biergarten geben. Dafür braucht es keine Genehmigung. Unter Einhaltung der Corona-Regeln fasst das Areal etwa 200 Gäste, die dort auf jeden Fall in den kommenden Wochen die Spiele mit deutscher Beteiligung werden sehen können.
Jeder Gast braucht einen Sitzplatz
Bauen Veranstalter eine Leinwand auf einer Fläche auf, die normalerweise nicht gastronomisch genutzt werde, habe das Michael Schwägerl vom Dehoga zufolge den Charakter eines Events und sei mit der Verordnung nicht vereinbar. Auch das Spiel über 90 Minuten im Stehen zu schauen, werde nicht möglich sein, weil jedem Gast ein Sitzplatz zugewiesen werden müsse.
Mit einem "Hype" rechnet Schwägerl, wenn die deutsche Nationalmannschaft die Gruppenphase des Turniers übersteht. "Das Bedürfnis etwas gemeinsam zu erleben" sei nach den Monaten des Lockdowns enorm. Je weiter die Deutschen im Turnier kommen, desto größer sei das Interesse, die Spiele in Gesellschaft zu schauen.
Polizei appelliert: Corona-Regeln auch im "Siegesrausch" einhalten
Vor allem nach gewonnenen Spielen der deutschen Mannschaft rechnet die unterfränkische Polizei auch bei dieser Europameisterschaft mit spontanen Feiern und Autokorsos. Die Polizei appelliert an alle Fußballfans, auch im "Siegesrausch" die Corona-Regeln einzuhalten, größere Menschenansammlungen aus Infektionsschutzgründen zu meiden sowie auf Anwohner und Verkehrsteilnehmer Rücksicht zu nehmen.
Insbesondere bei den Spielen der deutschen Nationalmannschaft werde man an "relevanten Fußballörtlichkeiten verstärkt präsent sein", erklärt Polizeisprecher Björn Schmitt. Das gelte auch für die Sanderstraße in Würzburg. Eine Fan-Meile wird es in diesem Sommer dort nicht geben.
Spezielle Regeln in Würzburg
In Würzburg wird der Verkauf von Getränken in Glasflaschen von 20 bis 5 Uhr untersagt sein, wenn die deutsche Nationalmannschaft spielt. Damit sollen Gäste und Passanten vor "Scherbenmeeren" geschützt werden. Dies habe sich bei den vergangenen Turnieren bewährt, teilt die Stadt Würzburg mit.
Wollen Würzburger Wirte das Spiel auf genehmigten Freischankflächen (Sondernutzungsfläche) auf einem Fernseher zeigen, darf dieser maximal eine Bildschirmdiagonale von 139 Zentimeter (55 Zoll) haben. Dort seien auch – anders als auf privatem Grund von Betreibern – Beamer untersagt, sagt Claudia Lother, Pressesprecherin der Stadt.
Mit Informationen der Lokalredaktionen und dpa