- Was ist das für ein Stück? "Elektra" basiert auf der antiken Tragödie von Sophokles. Die einaktige Oper von Richard Strauss, 1909 uraufgeführt, ist die erste Zusammenarbeit mit dem Dichter Hugo von Hoffmannsthal, der das Libretto verfasste.
- Worum geht's? König Agamemnon ist von seiner Frau Klytämnestra und deren Liebhaber Aegisth erschlagen worden. Während Tochter Chrysothemis sich vor allem Normalität wünscht, hofft ihre rachelüsterne Schwester Elektra auf die Rückkehr ihres Bruders Orest, der als Kind in Sicherheit gebracht worden war.
- Lohnt der Besuch? Unbedingt! Die Inszenierung des Mainfranken Theaters in der Blauen Halle ist ausgesprochen beeindruckend: Großes Orchester, große Stimmen, packende Regie und ein großartiges Bühnenbild, das fast vergessen lässt, dass hier in einer Ausweichspielstätte gespielt wird.
"Wahnsinn!" Vermutlich ist kein anderes Wort öfter gesagt worden nach der Premiere der Richard-Strauss-Oper "Elektra" in der Blauen Halle. Viel mehr ist erstmal auch nicht zu sagen, in den ersten Minuten nach diesem Ereignis, das man getrost als überwältigend bezeichnen kann. Das Mainfranken Theater stellt in einer Industriehalle eine der anspruchsvollsten Opern überhaupt auf die Bühne. Die Musik ist mal unendlich fein verästelt und dann wieder monumental laut, nicht selten beides gleichzeitig. Und es funktioniert. Hier die Erfolgselemente im einzelnen:
Das Bühnenbild
Selten hat ein Bühnenbild so großen Anteil am Gelingen einer Produktion. Julia Katharina Berndt (Bühne und Kostüme) hat das riesig besetzte Orchester aufgeteilt: Streicher und Holzbläser im Graben, Blechbläser und Schlagwerk auf der Bühne, beidseitig eines erhabenen Pavillons mit drehbarer Wand. Darunter eine Müllgrube, in der die vom Hass gelähmte Elektra haust. Eine einfache, schlüssige Aufteilung zwischen Unten und Oben, zwischen schönem Schein und finsterem Abgrund.
Die Regie
Nina Russi ("Die Sache Makropulos") zeichnet die Figuren präzise und authentisch. Und verweigert damit einige Rollenklischees: Elektra ist nicht nur manisch rachelüstern, sondern kann auch sarkastisch und geistreich. Chrysothemis ist nicht nur bieder, sondern kann auch kämpferisch und mutig. Die Schlüsselfigur aber ist Klytämnestra, und das ist vielleicht der Clou dieser Inszenierung: Die alte Königin ist ein zugedröhntes, von Überfluss und Langeweile ausgehöhltes Wrack. Sanja Anastasia steuert als gewesene Partyqueen im Glitzerkleid einen der ganz großen Momente dieses Abends bei.
Hier geht es schon lange um nichts mehr. Das macht zwar einerseits alle Motive einer griechischen Tragödie hinfällig, gibt andererseits - leider - frappierend deutlich eine Haltung wieder, die sich auszubreiten scheint: Vielleicht Gegenpol zu all den Scheinaufgeregtheiten dieser Tage, vielleicht Realitätsflucht, um nicht all die echte Probleme angehen zu müssen, die wir haben.
Die Stimmen
Elena Batoukova-Kerl liefert in der Titelrolle ihr zweites Würzburger Rollendebut nach der Brünnhilde in der "Götterdämmerung" ab - und begeistert diesmal sogar noch mehr. Souverän zieht sie alle stimmlichen Register dieser enorm harten Rolle, vom tiefen Parlando bis zum strahlenden Spitzenton. Einspringerin Margarita Vilsone steht ihr als Chrysothemis mit scheinbar mühelos großer Stimme in nichts nach. Da können die Männer nur mit punktueller Präsenz punkten - Brad Cooper (Aegisth) und Kosma Ranuer Kroon (Orest) nutzen ihre Momente allerdings optimal.
Das Orchester
Enrico Calesso und seine Philharmoniker stürzen sich mit Schwung und Mut in die extrem komplexe Partitur. Und machen mit direktem und plastischem Musizieren das Beste aus der kniffligen Akustik. So kommen die wunderbaren Streichersoli ebenso zur Geltung wie die gigantischen Klanglawinen, die durch die Blaue Halle fegen. Ja, das ist gelegentlich sehr, sehr laut. Aber auch sehr, sehr schön.
Weitere Vorstellungen: 11., 15., 22., 31. Oktober, 22. November, 1. Dezember. Karten: Tel. (0931) 3908-124, karten@mainfrankentheater.de