
Mutig, mutig: Eine Metal-Nummer zum Auftakt - da legt der Classic-Rock-Fan die Ohren an. Und ist begeistert. Quiet Riots Paul Shortino sorgt sofort für Stimmung mit "Metal Health" - und rollt den Teppich aus für eine dreistündige Reise durch die Rockgeschichte. Und ein paar Geschichten. Rock meets Classic funktioniert. Weil sich 2500 nicht mehr ganz so junge Menschen jung fühlen dürfen. Und, nicht weitersagen: ein bisschen die Sau rauslassen können. Fast wie damals im schummrigen Rock-Keller bei der Platten-Party.
Manfred Hertlein strahlt, wenn er durchs Foyer läuft. Der Veranstalter genießt das Heimspiel-Finale in der fast ausverkauften Würzburger tectake-Arena. Rock meets Classic ist sein Baby. "Das ist meine Musik. Ich höre ein Leben lang nur Hardrock und Heavy Metal", sagt der 65-Jährige, der anfangs der Neunziger im Rahmen der Bachtage die Idee für diese Symbiose hatte: Rock-Klassiker und Orchester-Klassik - das harmoniert, wie nicht nur der fließende Übergang von Beethoven zu Led Zeppelin im Halbzeit-Medley des vom Würzburger Mario Gebert dirigierten Rock-meets-Classic-Symphony-Orchesters zeigt.
Dass U- und E-Musik auch in einer Person funktionieren, beweist der Headliner des Abends: Tarja Turunen. Die frühere Sängerin der finnischen Metal-Band Nightwish ist in der Rockszene "die klassische Stimme", in der Klassik ist sie "die Rocksängerin". Die 46-Jährige ist von den sieben Altstars die mit Abstand jüngste. Vielleicht darf sie deswegen ein Lied mehr singen und mit "Nemo", einem der größten Nightwish-Hits, auch eine vergleichsweise poppige Nummer zum Abschluss.
Modische Experimente und ein spontanes Geburtstagsständchen
Dass Moderator Peter Keller, selbst auch Backgroundsänger, sie als "einziges Mädchen des Abends" ankündigt, ist politisch vermutlich nicht ganz korrekt - aber man ist ja unter sich. Zehn Shows in zwölf Tagen haben zusammengeschweißt. Man ist Familie. Da kann es sich Lisa Müller, die aus Oberaltertheim (Lkr. Würzburg) stammende Maffay-Keyboarderin und musikalische Leiterin der RmC-Band, leisten, Kellers Mode-Experimente auf die Schippe zu nehmen: "Wenn mal wieder Streifen und Leoparden-Look in sind, ist seine Zeit gekommen". Und obendrein habe er als Gitarrist in der Peter-Maffay-Band "seine große Zukunft schon hinter sich".

Keller wiederum plaudert aus, dass Alessandro del Vecchio, einer aus dem stimmgewaltigen RmC-Chor, morgens regelmäßig per WhatsApp-Nachricht auf den Flur zitiert worden ist, um die Mannschaft mit seinem lauten Organ zu wecken. Geburtstag hat del Vecchio am Sonntag auch noch; das Publikum singt spontan ein Ständchen.
Aus dieser lockeren Runde mag keiner der Stars ausscheren. Man musiziert auf Augenhöhe. Das ist Harmonie - auch wenn nicht mehr jeder Ton wie vor 30, 40 Jahren sitzt. Oder die schwarze Glitzerhose. Paul Shortino kümmert's wenig, er wedelt mit seinem Totenkopf-Gehstöckchen durch die Gegend und hat die Menge spätestens mit dem Quiet-Riot-Stimmungsfetzen "Cum on feel the Noize" auf seiner Seite.
Robert Hart holt mit Manfred-Mann-Gassenhauern wie "Dave is on the Road again" oder "Mighty Quinn" die Fans von den Sitzen - und leider, eine Unart, auch einzelne in den Mittelgang zwischen den Parkett-Blöcken. Einige halten dazu noch ziemlich große Handys in die Höhe, sodass man etwas weiter hinten den Auftritt eben via Bildschirm verfolgen kann - oder besser muss.
John Helliwells Erinnerungen an deutsches Bier, Brot und Frühstück
Grauer Anzug, schwarzer Rolli. Midge Ure gibt den britischen Gentleman. Dass er sich inzwischen schwer tut, hohe Töne lang zu halten, macht der 70-jährige frühere Ultravox-Sänger mit 101 Prozent Charisma wett. "Vienna" - Gänsehaut. "Dancing with Tears in my Eyes" - Melancholie. Dass er mal mit Thin Lizzy als Gitarrist auf Tour war, erfährt man so nebenher.
Rock'n'Roll-Geschichten gibt's auch von und über Russ Ballard. Nach "Voices" richtet er die seinige ans Publikum: "Wir sind alle Menschen, wir sind alle gleich, auch wenn wir unterschiedliche Namen haben", sagt der 78-Jährige, und dass er ein Freund der Magie sei. "You can do magic" - der America-Hit ist von ihm. Wie so viele bekannte Rock-Songs, die durch andere Stimmen groß geworden sind. Auch einer von Argent, seiner Band der frühen Siebziger, den man von Kiss kenne. Ballard fragt ab, ein Fan ruft: "God gave Rock'n'Roll to you". Treffer.

Saxophonist John Helliwell wirkt immer noch wie ein Lehrer jener Gymnasiasten, die in den Siebzigern Supertramp gehört haben. Dabei hat er Jesse Siebenberg, den Sohn der früheren Drummers Bob Siebenberg, der "School" beinahe so glasklar singt wie einst Roger Hodgson. Helliwell erinnert sich an seine Zeit in Wiesbaden und an die drei deutschen B: "Beer, Bread and Breakfast". Tür auf für "Breakfast in America".
Ganz am Ende wird es voll auf der Bühne. Alle zusammen singen und spielen sie den Rainbow-Hit "Since you been gone". Und gehen.