Falsche Beschuldigungen gegen zwei Würzburger Bordellbetreiber kommen die Berliner Justiz zwar teuer. Aber auch dreieinhalb Monate nach einem Urteil des höchsten Berliner Zivilgerichts weigert sich der Senat, die 111.000 Euro Schmerzensgeld an Hakki und Kenan S. auszuzahlen, die seit 2005 in Berlin das schlagzeilenträchtige Großbordell "Artemis" betreiben.
Die spektakuläre Durchsuchung vor laufenden Fernsehkameras bei den zwei Geschäftsleuten aus Unterfranken war 2016 als Berliner Schlag gegen ausufernde Clan-Kriminalität gedacht. Doch der Einsatz endete als Rohrkrepierer – nachdem ein Pressesprecher der Staatsanwaltschaft noch während der Ermittlung die zwei festgenommenen Würzburger mit dem US-Gangster Al Capone verglich und von Zwangsprostituierten sprach, die wie Sklavinnen gehalten würden.
Nichts davon erwies sich am Ende als wahr. Und schon drei Tage nach der Razzia, die bundesweit für Schlagzeilen gesorgt hatte, versicherte in Würzburg ein mit dem Fall vertrauter Ermittler: Die zwei Geschäftsleute hätten in Würzburg und Berlin ihr Geschäftsmodell den Behörden zuvor umfangreich offengelegt. "Wenn sie sich daran gehalten haben, bleibt von dem Verdacht am Ende nichts übrig", sagte er damals. Das bestätigten damals auch Jan Paulsen und Norman Jacob, die Würzburger Anwälte der "Artemis"-Betreiber.
Klage gegen die Rufschädigung
Doch zunächst sahen sich die noch hier lebenden Familienmitglieder der Häme ausgesetzt, als bekannt wurde, womit die zwei Brüder ihr Geld verdienten. Ein Kind des noch hier wohnenden Kenan S. wurde sogar in Würzburg von Mitschülerinnen und Mitschülern gemobbt.
Die beiden Bordell-Betreiber saßen wochenlang zu Unrecht in U-Haft, ehe sie wieder freigelassen wurden. Schließlich klagten die Brüder S. gegen die rufschädigenden Aussagen. Sechs Jahre später gab ihnen das Kammergericht Recht, sprach von "vorverurteilenden, reißerischen Äußerungen" der Staatsanwaltschaft, von "amtspflichtverletzenden Informationen an die Öffentlichkeit, die in unzutreffender Weise reißerisch formuliert waren" und von "falschen, unzutreffenden Aussagen über angebliche Gewalt und ausgebeutete Prostituierte".
Statt Vergleich ein teures Urteil
Dennoch verweigerte sich Justizsenatorin Lena Kreck (Die Linke) einem gütlichen Vergleich, der 25.000 Euro gekostet hätte. Die Folge: Am 20. Dezember 2022 wurde das Land zu 100.000 Euro Schmerzensgeld plus Zinsen verurteilt.
"Uns ging es nie um Geld", ließen die Kläger über ihre Anwälte erklären. Sie hätten gewollt, "dass jemand anerkennt, dass das, was uns durch das unzulässige Vorgehen von Polizei und Ermittlungsbehörden widerfahren ist, nicht rechtens war". Das Geld sollte für krebskranke Kinder gespendet werden.
Bringt die Neuwahl in Berlin ein Ende?
Das Kammergericht hatte zwar keine Revision gegen das Urteil mehr zugelassen. Doch Berlin weigert sich, zu zahlen. Die Justiz legte Beschwerde beim Bundesgerichtshof ein. Dies bestätigt sowohl ein Sprecher der Justizverwaltung als auch Stephan Clausen von der Medienagentur Ketano, die die Medienkontakte der "Artemis"-Betreiber organisiert. Die rechtlichen Hürden für eine erneute Verhandlung sind hoch. Landet der Fall tatsächlich vor dem BGH, würde das allein schon die Anwaltskosten weiter in die Höhe treiben.
Oder beendet der neu gewählte Senat nun den Rechtsstreit? Den Koalitionsvertrag muss die SPD-Basis am 23. April noch absegnen, im Justizressort hat wohl bald ein CDU-Kandidat das Sagen. Im "Artemis" hofft man auf Einsicht: "Sobald sich der neue Senat konstituiert hat, wird die Entwicklung sicher eine neue Dynamik aufnehmen", prophezeit Clausen.
Nicht auch "gewöhnlicher" Schadenersatz?
110k fühlt sich für ein Schmerzensgeld ungewöhnlich hoch an ...
Dann merken die Verantwortlichen, dass es unklug ist mutwillig den Ruf von ehrenwerten Bordellbetreibern zu schädigen.