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Würzburg
Dr. Helds Corona-Tagebuch: Wir dürfen die Risikogruppen nicht vergessen
Zwei lungentransplantierte Patienten kämpfen aktuell gegen Covid. Für den Würzburger Lungenspezialisten Dr. Matthias Held zeigen ihre Fälle etwas ganz deutlich. Wieso er mahnt.
Bei den Covid-Belegungszahlen insgesamt sehe man eine leichte Tendenz nach oben, sagt Dr. Matthias Held, Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte.
Foto: Archivbild: Daniel Peter | Bei den Covid-Belegungszahlen insgesamt sehe man eine leichte Tendenz nach oben, sagt Dr. Matthias Held, Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte.
Bearbeitet von Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:00 Uhr

Aktuell behandeln wir im Klinikum Würzburg Mitte 21 Covid-Erkrankte, davon zwei auf den Intensivstationen. Bei den Covid-Belegungszahlen insgesamt sehen wir also eine leichte Tendenz nach oben – vor allem auf den normalen Corona-Isolierstationen.

An zwei dieser Erkrankten kann man eines ganz deutlich zeigen: Wenn wir über Lockerungen sprechen, dann geht es nicht nur um gesunde Menschen – sondern auch um Risikogruppen. Auch ihnen müssen wir im Umgang mit der Pandemie gerecht werden.

Wegen Vorerkrankungen trotz Dreifachimpfung kein ausreichender Immunschutz

Ein Beispiel dafür ist ein 31-jähriger Patient, der bereits 2008 an akuter lymphatischer Leukämie erkrankt war. Er wurde behandelt und bekam eine Stammzelltransplantation. Leider trat dann eine sogenannte Graft-versus-Host-Reaktion auf, wobei sich das Transplantat gegen den eigenen Körper richtet. In der Folge versagte im vergangenen Jahr die Lunge des jungen Mannes, er musste lungentransplantiert werden und benötigt seitdem dauerhaft verschiedene Immunsuppressiva. Deshalb entwickelte er, obwohl dreifach geimpft, keinen ausreichenden Immunschutz gegen Corona.

Als sich jetzt einer seiner Angehörigen infizierte, wurde der Patient zum Glück sofort getestet und nach dem positiven Ergebnis am Freitag zu uns geschickt. Wir haben bei ihm tatsächlich kaum Antikörper messen können und entschieden, ihn mit monoklonalen Antikörpern zu therapieren. Er bekam Sotrovimab und zusätzlich das Medikament Molnupiravir und konnte nach 24 Stunden in einem guten Zustand nach Hause entlassen werden.

Heute habe ich noch einmal mit ihm telefoniert und er sagte, er spüre nur leichte Schmerzen im Brustkorb. Natürlich beobachtet er sich in dieser Situation ganz genau, der Umgang mit der Infektion ist für ihn eine maximale Herausforderung. Denn eigentlich muss er wöchentlich zur Blutspiegelkontrolle, und er soll und will sich als Lungentransplantierter viel bewegen. All das ist in Isolation schwierig.

Risikopatienten sind auf die Solidarität der Gesellschaft angewiesen

Ähnlich verhält es sich mit einer Patientin, die wir am Sonntag stationär aufgenommen haben. Die 57-Jährige war wegen einer Lungenfibrose lungentransplantiert worden. Ende vergangener Woche fühlte sie sich plötzlich schlapp, müde und bekam am Samstag Fieber. Sie ist dreifach geimpft – aber auch sie hat eine Immunsuppression und konnte daher keine Antikörper gegen Corona bilden.

Die Patientin bekommt nun bei uns eine Antikörper-Infusion und Molnupiravir. Obwohl die CT-Untersuchung bereits eine Covid-Lungenentzündung zeigt, ist sie noch in einer eher frühen Phase und wir hoffen, dass wir den Verlauf mit der Doppeltherapie positiv beeinflussen können.

Was aber zeigt das? Wir dürfen aus meiner Sicht in der aktuellen Debatte um Lockerungen und den Umgang mit Infektionsschutzmaßnahmen Risikopatienten nicht vergessen. Denn diese Menschen sind ein Stück weit auf die Solidarität der Gesellschaft angewiesen.

Priv.-Doz. Dr. Matthias Held (51) ist Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte. Dort ist der Lungenspezialist für die Covid-19-Patienten zuständig. In seinem Tagebuch gibt er regelmäßig Einblicke in den Klinikalltag. Alle Folgen finden Sie unter www.mainpost.de/corona-tagebuch

 
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Kommentare
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  • maczeug
    Vielen Dank Herr Dr.Held für diesen Einblick. Leider ist die anfängliche Solidarität schnell abgeebbt. Zunehmend war zu spüren, dass die eigene Befriedigung der persönlichen Wünsche vordergründig wurde. Die Risikopatienten sollen geschützt werden hieß es da oft. Bedeutet aber leider für einen Großteil der Bevölkerung : sperrt die "Alten" doch ein aber lasst uns unser Leben. Wer macht sich denn schon Gedanken darüber, wie vielschichtig die sogenannte Risikogruppe ist ? Es sind doch nicht nur die Senioren unter uns. Es sind viel mehr Menschen, als die meisten ahnen und wahrhaben wollen. Und ich weiß das, weil ich mit meiner Krebs-Diagnose dazugehöre. "Ja dann musst du dich halt schützen"; "Wieso soll ich auf mein Leben verzichten, pass du einfach auf dich auf, das musstest du vor Corona ja auch." Diese und viel mehr Sprüche darf man dann hören oder an sich abprallen lassen. Mit mehr "FÜREINANDER" hätten auch wir Risikopatienten die Chance auf eine unbeschwertere Zeit. Danke!
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  • Lebenhan1965
    @ maczeug

    Leider sind wir im wesentlichen ein Volk von Egoisten.

    Ihre Bestandsaufnahme trifft hier die Realität, dass fast jeder nur an sich denkt.

    Und es ist auch wahr, dass ein nicht geringer Teil der Geimpften sich nur impfen ließ um die alte "Freiheit" zurück zu bekommen.
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  • k.a.braun@web.de
    Danke für diese wichtige Mahnung! Zu den Risikogruppen gehören im Übrigen auch Menschen mit weniger dramatischen Erkrankungen (vor allem der Lunge), bei denen dennoch durch eine Coronainfektion dramatische Verschlechterungen zu erwarten wären. Ich kenne einige davon. Diejenigen, die es sich leisten können, haben sich nahezu komplett aus der Außenwelt zurückgezogen - denn die Rücksicht der Mitmenschen, ob auf Arbeit oder privat, ist kaum mehr gegeben. Die Infektion zu vermeiden, ist nämlich immer noch besser als die allerbeste Behandlung.
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  • frankenausdistanz
    Gut dass sich dann ein kompetentes Ärzteteam/Pfleger/innen sich um diese Patienten kümmern***
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  • helenews@gmx.de
    wie passt dazu ein Aussetzen der Impfpflicht für Pflegeberufe ?
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