Wir behandeln am Ende der Woche im Klinikum Würzburg Mitte 20 Covid-Erkrankte, davon zwei auf den Intensivstationen. Die Patientenzahl ist somit leicht gestiegen, aber noch nicht besorgniserregend.
Beschäftigt hat mich in den vergangenen 48 Stunden eine Flut von Anfragen von Patientinnen und Patienten, aber auch von niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen. Dabei ging es um Therapieoptionen bei Covid-19: Hier stehen in einer frühen Erkrankungsphase einerseits die beiden Medikamente Molnupiravir und Paxlovid zur Verfügung, daneben können wir monoklonale Antikörper einsetzen. Nachdem die bislang zugelassenen Antikörper jedoch gegen Omikron weniger wirksam waren, gibt es nun ein neues Präparat namens Sotrovimab.
Antikörper-Therapie per Infusion: ambulant oder stationär?
Generell ist eine Antikörper-Therapie aus meiner Sicht sinnvoll, wenn Patienten keinen Impfschutz haben, weil sie nicht geimpft sind oder nach einer Impfung keine ausreichende Immunantwort gebildet haben. Hierunter fallen vor allem Patienten mit Tumoren oder immunsuppressiver Therapie. Als weiteres Kriterium für eine zulassungskonforme Therapie muss mindestens ein Risikofaktor für einen schweren Covid-Verlauf vorliegen. Nicht jeder Patient kann und soll einfach eine Therapie mit monoklonalen Antikörpern bekommen.
Hinzu kommt: Sotrovimab wird per Infusion verabreicht, was etwa eine halbe Stunde dauert plus Nachbeobachtung. Theoretisch kann das ambulant gemacht werden, praktisch ist das schwierig. Nicht alle Praxen haben die Möglichkeiten, neben normalen Behandlungen einen Covid-Patienten in einem Infektionsraum zur Infusion und Überwachung zu versorgen. Auch in der Klinik ist eine solche Therapie nicht unbedingt einfach umsetzbar. Nach den gesetzlichen Vorgaben sind stationäre Therapien nur bei entsprechender Krankheitsschwere vorgesehen.
Ein Patient, der vor Glück quasi übersprudelt
Das Beispiel Antikörper-Therapie zeigt, dass die strikte Trennung zwischen ambulanter und stationärer Medizin in Deutschland ein echtes Problem ist. Es gibt eine neue Therapieoption, die helfen kann – aber weder im ambulanten noch im stationären Bereich ist die Umsetzung gut vorbereitet. Im Zweifelsfall wird man zwar eine Lösung für Patienten finden, aber auf Dauer muss unser Gesundheitssystem diese Trennung überwinden.
Was mich in dieser Woche sehr berührt hat, war ein Erlebnis auf der Intensivstation. Dort behandeln wir seit einigen Wochen einen Covid-Patienten um die 60, der lange beatmet wurde. Und ich habe häufig nonverbal mit ihm kommuniziert. Nun war er in der Beatmungsentwöhnung an einem Punkt, an dem erstmals die sogenannte Sprechkanüle eingesetzt werden konnte.
Als ich dann zu ihm ans Bett gekommen bin und ihn begrüßt habe, hat er mit voller und klarer Stimme geantwortet. Er sagte, es gehe ihm wunderbar. Und als die normale Kanüle gegen die Sprechkanüle ausgetauscht worden sei, habe er sich gefühlt, als ob man eine Sektflasche aufmacht und sich die gesamte Spannung entlädt.
Er war überglücklich, dass er sich endlich wieder mitteilen kann. Das Mitzuerleben war großartig und bewegend.
Priv.-Doz. Dr. Matthias Held (51) ist Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte. Dort ist der Lungenspezialist für die Covid-19-Patienten zuständig. In seinem Tagebuch gibt er regelmäßig Einblicke in den Klinikalltag. Alle Folgen finden Sie unter www.mainpost.de/corona-tagebuch