Der Donnerstag hat für mich bereits um sechs Uhr begonnen – es war klar, dass es aufgrund der derzeitigen Lage ein anstrengender Tag wird. Insgesamt behandeln wir aktuell 15 Covid-Patienten, drei davon liegen auf der Intensivstation und zwei müssen beatmet werden. Da auch Corona-unabhängig die Intensiv-Auslastung hoch war, galt es zunächst, sich in diesem Bereich abzustimmen.
Am Vorabend waren an beiden Standorten mehrere Intensivpatienten hinzugekommen. Wir mussten daher mit Blick auf die Kapazitäten über Nacht abwarten, welche schwierigen Operationen – sprich Eingriffe, die eventuell eine Intensivüberwachung nach sich ziehen – wir für heute freigeben konnten. Da zwischenzeitlich einige Patienten von der Intensiv- auf die Normalstation verlegt werden konnten, haben wir am frühen Morgen dann entschieden: Das OP-Programm kann laufen. Das war organisatorisch ein schöner Moment.
Dieses Vorgehen werden wir jetzt für sehr schwere Operationen beibehalten. Wir entscheiden also von Tag zu Tag, ob wir solche Eingriffe machen können. Das zeigt: Aktuell müssen wir wahnsinnig flexibel sein und uns gut abstimmen, auch standortübergreifend. Das bedeutet viel Organisationsaufwand. Und auch viel Hektik.
Manchmal fehlt in der Corona-Hektik die Zeit zum langen Patientengespräch
Genau das hat mir in einer Situation heute zu schaffen gemacht. Bei der Visite habe ich einen Patienten mit einer schweren Tumorerkrankung besucht. Er ist seit langen Jahren erkrankt und seine Prognose kritisch. Da habe ich gemerkt, ich muss mir jetzt viel Zeit für ihn nehmen. Im Gespräch hatte ich aber immer das Gefühl, ich werde gleichzeitig in der nächsten Besprechung erwartet. Tatsächlich musste ich die Unterhaltung irgendwann beenden, obwohl er noch viele Fragen hatte. Das hat mich bedrückt und ging mir nahe. Ich werde sicher versuchen, noch einmal Zeit frei zu machen, um zu ihm zu gehen.
Einen schönen Augenblick habe ich mit Kollegen bei einem Patienten mit Lungenfibrose erlebt, den ich schon lange betreue. Er ist derzeit wegen einer Blutung bei uns und vor ein paar Tagen noch ging es ihm sehr schlecht. Als ich sein Zimmer betreten habe, hat er gelächelt und war in ein Telefonat mit seiner Tochter vertieft. Plötzlich hat die Kleine gerufen: "Okay, ich lege dann mal auf, du musst wissen, ich habe dich über alles lieb". Das konnten wir alle hören und haben uns ehrlich gefreut. Das hat uns alle berührt.
Neben den Absprachen auf der Intensivstation und der normalen Visite haben wir uns heute auch im Krisenstab getroffen. Dabei ging es beispielsweise um die Abstimmung zwischen den Kliniken in der Region. Wir haben auch geprüft, ob wir ein komplettes Besuchsverbot verhängen müssen – aber das ist nicht der Fall. Auch ist es noch nicht nötig, planbare Operationen generell zu verschieben. Personalengpässe können noch aufgefangen werden.
Insgesamt aber muss man sagen: Die Lage hat sich zugespitzt und das bringt natürlich Stress mit sich. Augenblicke zum Luftholen gibt es kaum noch. Gott sei Dank haben wir aber ein tolles Team, in dem jeder mitdenkt – das gibt mir Kraft.
Priv.-Doz. Dr. Matthias Held (50) ist Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte. Dort ist der Lungenspezialist auch für die Behandlung von Covid-19-Patienten zuständig. Per Tagebuch gibt er in den nächsten Wochen täglich Einblicke in den Klinikalltag unter: www.mainpost.de/corona-tagebuch
Die Einblicke in Ihren Alltag und Ihre Gefühlswelt (Patient mit schwerer Tumorerkrankung) beeindrucken mich durch die ehrliche Offenheit.