Zur Wochenmitte werden bei uns im Klinikum 17 Covid-Erkrankte behandelt, vier davon auf der Intensivstation. Bei zwei der Intensivpatienten ist die Situation momentan kritisch, ihre Lage verschlechtert sich. Es kann sein, dass sie sehr bald beatmet werden müssen.
Positive Nachrichten gibt es hingegen von der ärztlichen Kollegin, die wir seit Dienstag betreuen. Ihr geht es soweit gut, sie ist zwar noch nicht symptomfrei, aber deutlich auf dem Weg der Besserung.
Was mich heute zunächst beschäftigt hat, ist das Thema Ausbildung. Am frühen Nachmittag zum Beispiel habe ich einen Lungenfunktionskurs für Studenten gehalten, abends stand noch eine Fortbildung für niedergelassene Kollegen auf dem Programm – online. Denn natürlich hat die Pandemie auch hier Spuren hinterlassen und einiges verändert. Virtuelle Veranstaltungen etwa haben stark zugenommen. Auch dürfen Studenten nicht auf der Corona-Station eingesetzt werden. Das ist schade und schränkt natürlich die praktische Ausbildung ein.
Am Wichtigsten ist es sicher, sich an diesem Mittwoch eines noch einmal ganz bewusst zu machen: Die Lage in den Kliniken ist ernst – und das ist definitiv keine Floskel. Wenn man nach Berlin blickt und die Demonstrationen gegen das neue Infektionsschutzgesetz dort sieht, fehlt einem als Mediziner das Verständnis.
Krisenstab soll über Einschränkungen entscheiden
Ja, im Würzburger Raum ist die Situation noch vergleichsweise entspannt, sie hat sich aber gerade am heutigen Tage verschärft. Zudem sind wir mit Kollegen in ganz Deutschland vernetzt und wenn man hört, unter welcher Last Krankenhäuser zum Teil arbeiten – das ist wirklich ein Ritt auf der Rasierklinge. Vielleicht konnte ein Kollaps bisher nur durch Maßnahmen wie den Lockdown verhindert werden. Schön finde ich solche Einschränkungen natürlich auch nicht, aber sie sind notwendig.
Das zeigt sich auch bei uns im Klinikum. Wir sind nicht am Kollabieren – aber es kann sein, dass wir planbare Operationen reduzieren müssen. Grundsätzlich haben wir genügend normale Beatmungsbetten und können die Kapazität noch deutlich erweitern. Allerdings müsste dafür Personal verlegt werden. Genau darüber haben wir gestern diskutiert, denn Kollegen aus der inneren Medizin haben krankheitsbedingte Ausfälle bei den Pflegekräften gemeldet. Das könnte dazu führen, dass wir möglicherweise gegen Ende der Woche Einschränkungen machen müssen – obwohl wir beatmungsmäßig noch nicht am Limit sind. Wir werden jetzt in der Krisenstabsitzung konkretisieren.
Panik verbreiten soll das jedoch nicht. Wir haben landesweit genügend Beatmungs- und Intensivkapazitäten. Dass man als Arzt zwei Corona-Patienten vor sich hat, die beide gesund werden könnten und man kann nur einem helfen, weil man nur eine Maschine hat – das ist sicher dramatisch. Aber da sind wir Gott sei Dank noch nicht. Und bevor es dazu kommt, würde man gegensteuern und etwa Patienten aus stark betroffenen Regionen in andere Städte und Kreise verlegen.
Genau deswegen ist es wichtig, dass wir die Entwicklung der Fälle im Auge behalten. Dass wir beobachten: Wo gibt es Kapazitäten und wo wird es eng? Deshalb darf man momentan nicht nur an sein eigenes Haus und seine Patienten denken, sondern an das Ganze.
Priv.-Doz. Dr. Matthias Held (50) ist Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte. Dort ist der Lungenspezialist auch für die Behandlung von Covid-19-Patienten zuständig. Per Tagebuch gibt er in den nächsten Wochen täglich Einblicke in den Klinikalltag unter: www.mainpost.de/corona-tagebuch