Der Morgen beginnt wie immer: mit der Corona-Visite. Insgesamt liegen im Klinikum aktuell 14 Patienten in Isolation, ein Covid-Erkrankter muss auf der Intensivstation behandelt und beatmet werden. Gleichzeitig sieht es für drei der Patienten gut aus, sie können entlassen werden, sobald die Anschlussversorgung geklärt ist.
Bei der Krisenstabsitzung hat sich der positive Tages-Eindruck bestätigt: Trotz der Anspannung, weil die Infektionszahlen um uns herum weiter steigen, sind wir gerüstet. Dafür muss man den Mitarbeitern ein Lob aussprechen – allen Mitarbeitern, egal ob auf der Corona-Station oder im Normalbereich. Denn gerade auf anderen Stationen bedeuten mehr Covid-Fälle oft mehr Arbeit, wenn Patienten verlegt werden. Das wird klaglos, professionell und empathisch übernommen. Sicher spielt auch die Aussicht auf eine zeitnahe Impfung eine Rolle. Das stimmt hoffnungsvoll. Unser Klinikum wird sich dabei einbringen – sowohl personell als auch räumlich, wenn es gefordert wird. Bis eine Impfung jedoch wirklich möglich ist, müssen wir alle diszipliniert durchhalten.
Bundesweit hört man derzeit, dass viele Labore an ihre Grenzen bei der Bewältigung der Corona-Tests kommen. Am späteren Vormittag habe ich deshalb das Gespräch mit dem Leiter des Zentrallabors im Klinikum gesucht. Fazit: Bei uns läuft das noch unproblematisch, wir können rund um die Uhr und an allen Wochentagen testen. Die Auswertung der PCR-Tests dauert etwa eineinhalb bis zwei Stunden. Das ist gut, damit kann man klinisch exzellent arbeiten. Für Notfälle gibt es übrigens ein spezielles Konzept, solche Proben werden natürlich vorgezogen. Denn getestet werden muss jeder, gleichzeitig darf sich aber die Behandlung keinesfalls verzögern. Das klappt.
Doppelbelastung aus Beruf und Lockdown-Beschränkungen ist eine Herausforderung
Der schönste Augenblick meines Tages? Die Entlassung eines Patienten, der lange auf der Intensivstation beatmet wurde und dessen eines Bein in der Folge teilweise gelähmt war. Das hat sich zum Glück komplett zurückgebildet und jetzt kann er nach Hause. Die Freude des Mannes hat man wirklich gespürt und sie auch mit empfunden. Solche Momente sind für uns alle bedeutsam. Denn die psychische Belastung ist hoch, in und außerhalb der Klinik, und für jeden Mitarbeiter.
Vorhin zum Beispiel habe ich an der Tür zur Isolationsstation mit einer Reinigungskraft geredet. Ich habe den Mann gefragt, ob er Angst davor hat, einzutreten. Er sagte, im Frühjahr sei das so gewesen, denn er habe Kinder. Aber inzwischen fühle er sich gut geschützt. Das ist wichtig, in einem Klinikum sind alle Berufsgruppen unverzichtbar. Es funktioniert nur, wenn jeder mitzieht und sich der Belastung stellt.
Ich persönlich verarbeite die Corona-Anspannung vor allem in guten Gesprächen im privaten Bereich. Und es gibt Kraft, wenn man Patienten wie den heute entlassenen Mann sieht, der mich beim Gehen anlacht und sagt: "Super, dass ich jetzt nach Hause darf." Das motiviert. Denn die Doppelbelastung aus Beruf und Lockdown-Beschränkungen ist eine Herausforderung – ich habe da höchsten Respekt vor der Leistung jedes Einzelnen. Und ich hoffe, dass jeder vor Augen hat, dass es wieder besser wird.
Priv.-Doz. Dr. Matthias Held (50) ist Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte. Dort ist der Lungenspezialist auch für die Behandlung von Covid-19-Patienten zuständig. Per Tagebuch gibt er in den nächsten Wochen täglich Einblicke in den Klinikalltag unter: www.mainpost.de/corona-tagebuch