Stand Montagmorgen haben wir im Klinikum 14 Patienten mit Covid-19, einer wird auf der Intensivstation behandelt. Über das Wochenende ist die Zahl also nicht explodiert. Im Vergleich zur Situation vor zwei Wochen muss man aber sagen: Die Zahlen sind allmählich nach oben gegangen. Gleichzeitig wissen wir, dass bei Corona eine Verschlechterung oft erst mit 14-tägiger Verspätung eintritt. Deshalb rechnen wir damit, dass noch mehr auf uns zukommt.
Interessant war für mich am Vormittag, neben der normalen Patientenversorgung, ein Gespräch mit einem Kollegen über virtuelle Sprechstunden. In der Neurologie am Juliusspital gibt es die beispielsweise bereits, die Pandemie hat die Entwicklung solcher Formate natürlich enorm beschleunigt. Aus unserer Sicht funktioniert das bei Patienten, die man als Mediziner kennt, relativ gut. Bei der Erstvorstellung ist es hingegen schwierig.
Dann habe ich noch einmal Kontakt zum Leiter unserer Materialwirtschaft aufgenommen. Die Versorgungsengpässe aus dem Corona-Frühjahr sind einfach noch im Hinterkopf. Tatsächlich sieht es aktuell aber besser aus. Kittel, Schutzhauben, Masken - all das ist ausreichend vorhanden. Nur bei Einweg-Handschuhen haben wir einen kritischen Blick auf die derzeitige Markt- und Versorgungssituation.
Die Sorgen der Mitarbeiter muss man ernst nehmen
Was mir zum Start in die Woche besonders bewusst geworden ist: Alle Klinikmitarbeiter stehen angesichts der Corona-Lage unter einer gewissen Anspannung. Was sie aber vor allem umtreibt, ist die Sorge um andere, um die Patienten, um Angehörige. Dazu habe ich am Wochenende zahlreiche Gespräche geführt, das macht schon nachdenklich.
Manche Kollegen fragen sich etwa, ob wir nicht vorsorglich mehr Plätze für Beatmungspatienten freihalten sollten. Andere wissen nicht, wie sie ihre Kinder betreuen können, sollten die Schulen schließen. Wieder andere sorgen sich um unsere Lungenpatienten, die aktuell auch einen Mund-Nasen-Schutz tragen müssen und vielleicht beim Atmen eingeschränkt werden.
All das bewegt die Mitarbeiter. Da muss man zuhören, muss die Sorgen ernst nehmen. Aber wie intensiv Mitarbeiter versuchen, sich in die Patienten hineinzuversetzen, das hat mich positiv berührt. Das finde ich schön, dass man sich den kranken Menschen so annimmt.
Ein Schreiben an den Kostenträger stimmt nachdenklich
Denn Patientenschicksale, ob mit oder ohne Corona, berühren natürlich. Und wenn ein Krankheitsverlauf schlecht ausgeht, nimmt man das mit in den Alltag. Da muss man lernen, das zu verarbeiten und nicht zu verdrängen, für sich eine Balance zu finden. Mir persönlich gelingt das ganz gut, denke ich.
Lange nachgegangen ist aber auch mir die letzte Aufgabe, die ich am Sonntagabend erledigt habe. Das war ein Schreiben an einen Kostenträger. Darin musste ich erklären, warum ein Patient überhaupt stationär behandelt wurde. Wenn man weiß, wie angespannt die Lage derzeit in den Kliniken ist und man so etwas um 23 Uhr noch von seinem Schreibtisch räumen muss, da kommt man ins Grübeln. Das sind Momente, da merkt man, dass sich unsere Gesellschaft wirklich klarer darüber werden muss, wie viel wert ihr das Gesundheitssystem und die dort engagierten Mitarbeiter sind.
Priv.-Doz. Dr. Matthias Held (50) ist Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte. Dort ist der Lungenspezialist auch für die Behandlung von Covid-19-Patienten zuständig. Per Tagebuch gibt er in den nächsten Wochen täglich Einblicke in den Klinikalltag unter: www.mainpost.de/corona-tagebuch